Schacholympiade 2014 Tromsø

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    • Schacholympiade 2014 Tromsø

      Vom 1. bis zum 14. August 2014 findet im norwegischen Tromsø die Schacholympiade statt. Bei den Männern im sogenannten Openbereich muss Russland einmal mehr als Favorit angesehen werden, kein Wunder bei den teilnehmenden IGM A. Grischuk, V. Kramnik, S. Karjakin, P. Svidler und D. Jakovenko. Zum engen Kreis der Medaillenanwärter zählen weiter Armenien, China, Frankreich, die Ukraine und die USA, die mit ihren jeweils besten Spielern von L. Aronian bis H. Nakamura an den Fjord kommen. Exweltmeister V. Anand hingegen ist dabei, die jüngst eingeheimsten Sympathien mit vollen Händen wieder zu verspielen: das indische Team muss ohne seinen nominell Stärksten antreten, die Vorbereitung auf den WM-Kampf im November ist V. Anand anscheinend zu wichtig, als dass er sich in einem Mannschaftswettbewerb engagierte. M. Carlsen hingegen weicht der Herausforderung nicht aus; auch wenn das norwegische Team eher um des Mitspielens willen antritt, ist der Weltmeister in seiner Heimat für das erste Brett nominiert.

      Im Vorfeld der Olympiade nahe des Polarkreises, deren Finanzierung und damit Stattfinden lange in den Sternen stand, waren etliche Teams vom Veranstalter wegen Versäumnis der Meldefristen ausgeschlossen worden, so auch das russische Frauenteam. Der gegenwärtige FIDE-Präsident intervenierte daraufhin mit einem ungehaltenen Brief des Ärgers, und die Russinnen tauchen nun auf der offiziellen Liste der teilnehmenden Länder auf. Doch warum knapp eine Woche vor Beginn der Spiele die konkreten Besetzungen der Frauenteams noch nicht online sind, bleibt das Geheimnis der Ausrichter resp. Webseitenbetreiber. Wenn die Spielerinnen, mit denen allseits gerechnet werden kann (allen voran Y. Hue, X. Zhao, H. Koneru, A. Kostenjuk, A. Muzyschuk, M. Muzyschuk, D. Harika und Katerina Lagno), antreten, sollte China Hauptaspirantin auf Gold sein, bedrängt von eben Russland, der Ukraine und eventuell Indien. Doch bei insgesamt elf Runden im Schweizer System kann viel passieren, mögen vor allem aufregende Partien gespielt werden.

      Parallel zum sportlichen Geschehen, wird in Tromsø das FIDE-Präsidium neu gewählt. Der hier im Forum sattsam kritisierte Kirsan Iljumschimov, seit 1995 oberster Funktionär, tritt erneut um das höchste Amt im Weltschachbund an, sein Herausforderer ist kein geringerer als Garri Kasparow. Zum mutmaßlichen Ausgang der Wahlen nur so viel: die fachliche wie schachliche Qualifikation war noch nie das allein Auschlag gebende Kriterium zur Besetzung der Spitzenposten in der 90 Jahre währenden Geschichte der FIDE.

      Spielbeginn ist um 14:00 MESZ, die erste Runde beginnt erst um 15:00 Uhr, die abschließende schon um 11:00, die Übertragung der Partien erfolgt u. a. über die offizielle Webseite. Der 7. und der 13. August sind die beiden Ruhetage. Zusätzliche politische Brisanz bekäme die Olympiade bei einem möglichen Zusammentreffen Russlands und der Ukraine, in beiden Sektionen bei zu erwartendem Turnierverlauf durchaus wahrscheinlich. Am Ende möge einfach das beste Team gewinnen. Let the games begin!

      chess24.com/en/olympiad2014
      fide.com/component/content/art…s-2014-time-schedule.html
    • Rußland schickt neben den gesetzten Grischuk, Kramnik, Karjakin und Svidler als fünften Spieler überraschend Ian Nepomniachtchi (anstelle des elostärkeren Jakovenko) ins Rennen. Jan Gustafsson hat Peter Svidler in Tromsø interviewt: Svidler: “We would like to win it, if that’s ok”

      Die Partien werden ab morgen auch auf chess24.com live übertragen und vom bewährten Team Trent/Gustafsson kommentiert.
    • Judit Polgar ist seit zwei Jahrzehnten die einzige Frau, die regelmäßig das ungarische (und überhaupt ein) Männerteam bei Olympiaden verstärkt. Die Bezeichnung „Open“ trägt dem Rechnung und suggeriert, dass der Bereich offen für alle sei, was er faktisch aufgrund der durchschnittlich stärkeren Männer nicht ist. In meinen Augen ist „Open“ ein Versuch politischer Korrektheit im Schach; den Bereich „Männer“ zu nennen (mit der ewigen Ausnahme Judit) käme der Sache näher. Aber vielleicht spielt Yifan Hue bald auch im Offenen Bereich. Dann wären sie schon zu zweit.
    • Nun geht es fuer Deutschland gegen die 3.Mannschaft von Norwegen, welche aber ebenfalls keine grosse Herausforderung sein sollte. Mit 4 Spielern von 2305 bis 2436 Elopunkten werden unsere Gegner bestenfalls an Brett 2 auf etwas hoffen koennen, dort liegt die Elodifferenz zwischen den 2 Grossmeistern Daniel Fridman und Ruune Djurhuus bei 203.

      Heute wird Magnus Carlsen zum ersten Mal zum Einsatz kommen,und zwar gegen Tomi Nybaeck, welcher nur 5 Jahre aelter ist, und in seiner Jugend ebenfalls ein kleines Wunderkind war. Trotz Carlsens Einsatz wird dies wohl wieder das knappste Spiel an den vorderen Brettern. Norwegens Zweite spielt uebrigens ein Brett hoeher gegen die Ukraine. Nach Aserbaidschan gestern wird heute mit Georgien ein weiteres Spitzenteam "hinten" spielen, und zwar gegen die IBCA, also den Weltschachverband der Blinden. Auch die IPDC, also der Weltschachverband der physich eingeschraenkten Menschen, und das ICCD, der Weltverband der Gehoerlosen spielen bei der Olympiade mit, was eine tolle Idee ist, und das Motto der FIDE "Gens una Sunus" unterstreicht.
    • Neben Judit Polgar gibt es eine weitere Frau in der "Open Section": die aus China stammende, aber für Quatar spielende GM Chen Zhu. Sie ist mit dem (z.Zt. an Quatars Brett 1 gegen Vladimir Kramnik spielenden) GM Mohamad Al-Modhiaki verheiratet und spielt heute an Brett 2 mit Weiß gegen Alexander Grischuk.

      chess24.com/en/olympiad2014/live/olympiad2014open/2/1/2

      Gerade sehe ich, daß es auch im Team von Luxemburg eine Frau gibt: WGM Elvira Berend remisierte heute gegen den türkischen GM Emre Can.

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    • Guter Start. Deutschland ist eins von nur acht Teams, die ihre acht Partien alle gewonnen haben. :thumbup:

      Heute gibt es ab 14:00 Uhr das aus meiner Sicht (und sicher auch aus der Sicht der beiden Kommentatoren) interessante Duell Deutschland - England,
      sowie das Spiel der "Nr.3" gegen die "Nr.4" ... Frankreich - Armenien.
    • Eine höchst unerfreuliche Begleiterscheinung der Olympiade soll nicht unerwähnt bleiben:
      In der 2. Runde forderte die drakonische und ebenso unsinnige "Zero Tolerance Rule" der FIDE eine Menge Opfer: die kompletten Mannschaften von Burundi (Männer), Palästina (Männer) und Palästina (Frauen) durften wegen geringfügig verspäteten Erscheinens ihre Partien nicht spielen und wurden genullt. Das gleiche Schicksal ereilte auch GM Alexander Beljawski (Slowenien) und die 10-jährige Spitzenspielerin der Frauenmannschaft von Ruanda Layo la Murara Umuhoza, die nicht verstand, was ihr geschah, und in Tränen ausbrach.

      Da sich vor Rundenbeginn am Eingang des Spiellokals lange (Spieler- und Zuschauer-)Schlangen bilden und aufwändige Sicherheitskontrollen stattfinden, können sich ohne Verschulden der Spieler geringfügige Verspätungen ergeben, und es ist vollkommen unangemessen, diese mit Partieverlust zu bestrafen.

      Jeder Turnierveranstalter hat das Recht, die Karenzzeit nach eigenem Gutdünken festzulegen. Glücklicherweise wählen die allermeisten Veranstalter sinnvolle Zeiten (meist 30 Minuten oder 1 Stunde), nur die FIDE geht mit schlechtem Beispiel voran.

      Mehr zum Thema: Die Null-Toleranz-Diskussion

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    • @ Chessok: Vielleicht, weil der Veranstalter seine Rolle sehr ernst nimmt, und zusätzlich die aktuelle Schachbegeisterung im Lande im Zuge der Erfolge Magnus Carlsens viele Spieler an die Bretter bringt?

      @ Schroeder: Sollte die unselige Ära Iljumschimow dieser Tage beendet werden, zöge sicher wieder mehr Schachverstand ins höchste Gremium der FIDE, mit der möglichen Folge der Abschaffung der Null-Toleranz gegenüber selbst unverschuldetem Verspäten zum Partiebeginn.

      Die beiden Goldanwärter spielten auch in der zweiten Runde, wie es zu erwarten war: Bei den Frauen gewann China gegen Venezuela mit 4:0 und konnte Yifan Hue dabei noch schonen, im Open Bereich besiegte Russland Qatar deutlich mit 3,5 : 0,5. Zwei Kuriositäten habe ich im Augenwinkel registriert. Eine Partie wurde allen Ernstes mit 1. Sa3 eröffnet, und im Rennen um den schönsten Namen aller Teilnehmenden liegt Danyyil Dvirnyy aus Italien ganz weit vorn. Ansonsten gibt es vor dem Rechner nichts zu meckern, die Internetverbindung ist vorbildlich stabil, das begleitende Analyseprogramm hat den putzigen Namen Stockfish, Lawrence Trent kalauert wie gewohnt am Mikrofon und überhaupt liegt eine lässige Stimmung à la Jugendherberge über der Olympiade. Mehr davon!
    • Hier die von läuferin angesprochene Partie mit origineller Eröffnungsbehandlung (1.Sa3, 2.Sc4) durch den finnischen IM, der mit diesem Remis zu einem überraschenden 2:2-Endstand der Finnen gegen die favorisierten Norweger beitrug:

      IM Vilka Sipila (2425) - GM Leif Erlend Johannessen (2528 )
      Schacholympiade 2. Runde
      Finnland - Norwegen, Brett 3

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    • In der heutigen dritten Runde gab es die ersten Überraschungen im Open Bereich: Titelverteidiger Armenien verlor gegen ein sehr starkes Frankreich mit 1,5 zu 2,5; die ebenfalls hoch gehandelten Vereinigten Staaten verloren gegen die Niederlande mit dem gleichen Ergebnis. Titelaspirant Russland hingegen holte sich gegen Mazedonien mit 4 zu 0 das optimale Ergebnis, dark horse China behält mit 2,5 zu 1,5 die Oberhand gegen Ungarn. Bei den Frauen gewinnt Russland gegen Frankreich, und China steht vor dem Sieg gegen die USA (im letzten laufenden Spiel hat Yifan Hue einen großen Vorteil im Damenendspiel gegen Irina Krush). Die deutschen Spielerinnen schlagen Argentinien deutlich mit 3 zu 1 und hinterlassen einen starken Eindruck. Das Feld sortiert sich langsam, die morgige vierte Runde wird sicher ähnlich aufregend wie die heutige. Wer wollte da nicht in Tromsø sein!

      chess24.com/en/olympiad2014/
    • Die kürzeste Partie der 3. Runde wurde im Frauenmatch Kanada - Angola gespielt. Bei einer Elodifferenz von 600 Punkten könnte man durchaus nachvollziehen, daß die Kanadierin ihre Gegnerin nach Belieben beherrscht und in 8 Zügen gewinnt. Aber das Gegenteil? Kaum zu glauben, was sich am Brett ereignete:

      WIM Nava Starr (2145) - Luzia Pires (1538 )
      Schacholympiade Tromso 04.08.2014
      Kanada - Angola, Brett 4

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