Schachgedicht von Jorge Luís Borges (Argentinien)

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    • Schachgedicht von Jorge Luís Borges (Argentinien)

      Schachgedicht
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      von dem berühmten argentinischen Dichter und Schachliebhaber
      Jorge Luís Borges (1899-1986):

      I.
      In ihrer gravitätischen Ecke,
      führen die Spieler ihre langsamen Figuren.
      Das Schachbrett verzögert sich bis zur Morgendämmerung
      [in ihrer Strenge].
      Eine Umgebung, in der sich zwei Farben hassen.
      Im Innern erstrahlt magische Härte.
      Die Formen: homerischer Turm, leichter Springer,
      bewaffnete Dame, letzter König,
      schräger Läufer und aggressive Bauern.
      Auch wenn die Spieler gegangen sind,
      auch wenn die Zeit sie ausgelaucht hat,
      wird der Ritus wahrhaftig noch nicht beendet sein.
      Im Orient wurde dieser Krieg entfacht,
      dessen Amphitheater heute die ganze Erde ist.
      Wie dieser [andere], ist das Spiel unendlich.

      II.
      Es folgt die 2. und letzte Strophe!



      #2


      ________________________________________
      Schwacher König, schräger Läufer, grausame Dame,
      zielstrebiger Turm und abgefeimter Bauer
      auf Schwarz und Weiss des Weges
      suchen und entfachen einen bewaffneten Krieg.
      Sie wissen nicht, ob die sich erhebende Hand
      ihr Schicksal bestimmt,
      sie wissen nicht, ob eine sich anschickende Strenge
      ihre Willkür und ihren Tagesablauf beherrscht.
      Auch der Spieler ist ein Gefangener
      (Der Urteilsspruch ist von Omar**)
      eines anderen Schachbrettes der schwarzen Nächte
      und weissen Tage.
      Gott bewegt den Spieler und dieser die Figur.
      Was für ein Gott hinter Gott,
      die Handlung beginnt mit Staub und Zeit und Traum und Agonien?

      Erklärung**:
      Omar Khayanhan war ein persischer Dichter und Humanist von 1048 - 1122.
      In einer seiner tiefgründigen und schmerzlichen Kurzgedichte mit dem Namen "Rubayat" sagte er: "Das Leben ist nicht anderes als ein riesiges Schachbrett, auf dem das Schicksal die Menschen hin und her bewegt wird, als ob sie Figuren wären und danach werden sie in eine Holzschachtel (Sarg) gelegt".

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Frank Mayer ()

    • Hallo Frank Mayer

      Nach dem Lesen des Gedichtes von Jose L. Borges könnte man zum folgenden Fazit kommen: "Das Leben im Allgemeinen und die Siege auf dem Schachbrett im Speziellen werden von uns Menschen und Schachspielern offensichtlich über bewertet - die Niederlagen auf dem Schachbrett und darum herum, auf dem unerbittlichen Weg zur Holzschachtel, aber auch, jo mei:-)"

      Gruss Dattel
    • @roteWolke

      Nur so im vorrüberweh'n...

      ...ein Gedicht bedarf meines Wissens nicht unbedingt der Reimform (z.B. japanische Haiku)

      ...zudem wäre es ja auch möglich, dass durch die dt. Übersetzung die Reimform verlorenging (bin der argentinischen Sprache nicht mächtig )

      ...inhaltlich spricht es mich persönlich aber auch nicht besonders an - dies mag aber wohl auch an der (überladenen?) Ausdrucksweise der damaligen Zeit liegen - ist halt Geschmackssache

      mfg Hofnarr