Herzlichen Dank an Schroeder für das Hineinstellen des Links; ein aufschlussreiches Interview mit erfrischend offenen Antworten auf die Frage, ob Schach unglücklich mache.
Mir hat Johannes Fischers Punkt gut gefallen: >>Schachspieler werden unglücklich, weil sie zu große Ansprüche an das Spiel stellen. Weil sie es persönlich nehmen und nicht mehr spielen. Wenn man diese Ansprüche in jedes Spiel hineinlegt, ist das der Weg zum Unglück. Wenn man aber das Spielerische betont und so gut spielt, wie es eben geht, kann Schach sehr glücklich machen.<<
Hier muss man sicher zwischen Profis und Amateuren unterscheiden. Menschen, die qua Beruf sich Stunden und Stunden mit dem Schach beschäftigen müssen, immer auf der Suche nach der möglicherweise entscheidenden Neuerung für die nächste Partie, das nächste Turnier, das nächste Match, werden sich die Frage nach dem Unglückspotenzial des Schachs kaum stellen können, sonst fehlten ihnen Energie und Zeit für die Vorbereitung. Wenn ich mir die Spieler*innen der Weltspitze anschaue (soweit das via Web und Zeitschriften aussagekräftig ist), wirken Alexander Grischuk und Hue Yifan, Peter Svidler und Judit Polgar und all die anderen erstaunlich geerdet und zufrieden mit dem, was sie tun. Sie trainieren dem Vernehmen nach hoch professionell, rauchen nicht, trinken kaum Alkohol, treiben Sport, reisen von Kontinent zu Kontinent und lassen sich von Agenten vertreten; ein solch nüchterner Zugang zum Spiel resp. Beruf wird den Ärger über eine vergeigte Partie nicht per se neutralisieren, aber als Teil des Berufs akzeptabel machen. Jan Timman, der große alte Mann des niederländischen Schachs, sagte mal sinngemäß, Schachprofi sei der schönste Beruf, den er sich vorstellen könne, schließlich verbringe man seine Arbeitszeit mit Spielen. Der Mann muss glücklich sein.
Und die vielen Amateure, Patzer, Träumer und Zocker? Je nun, vermutlich lassen sie das Schach so auf sich wirken, wie es zu ihnen am besten passt; den Figuren ist es ja egal, ob ein verbissener, heiterer, vergeistigter oder hoch aggressiver Mensch sie über das Brett schiebt, solange er sich an die Regeln hält und sie nicht durch den Turniersaal wirft. Wenn es außer dem Schach im Leben wenig bis nichts gibt, besteht sicher die Gefahr, das Spiel in seiner Bedeutung zu überhöhen und als Plattform für Gefühlszustände aller Art, von der Frustration über die Sedierung bis zum Größenwahn, zu benutzen. Das latent Riskante des Spiels liegt für mich in seiner langen Dauer und dem damit einher gehenden Schweigen plus weitgehender Bewegungslosigkeit, während der Geist allein mit sich ist. Keine guten Bedingungen zum Ausagieren von Gefühlen, aber exzellente zum Sublimieren und Kompensieren. Da kann das Schach dann langfristig mit einer Wichtigkeit aufgeladen werden, die es von einem Spiel kolossal entfernt. Aber wer weiß, vielleicht wird es dann zu einer Meditation, ein Sesshin zeichnet sich ja auch durch endloses Sitzen in der Stille aus. Ich kenne nicht so furchtbar viele Schachspieler*innen persönlich, aber ich bekomme zu denjenigen einen guten Draht, die nicht zu arg verbissen an die Sache herangehen und deren Blick erkennbar über die 64 Felder hinaus geht.
Ich kann gut verstehen und nachvollziehen, dass man die Ursache für Fehler in einer Partie, besonders die vermeintlich leichten und deswegen so schmerzlichen, bei sich sucht und sich innerlich dafür schelten und am liebsten bestrafen will. Gottlob kann man Schach auch abseits einer realen Partie mit ihrem Fehlerreservoir genießen; ich werde erfüllt von stiller Freude, wenn ich Partien meiner Lieblinge wie José Raoul Capablanca oder Bobby Fischer nachspiele, die unerreichbar funkeln in ihrer Perfektion wie polierter Marmor. Da komme ich mir vor wie in einem Konzert der Berliner Philharmoniker, denen ich auch nur voll Bewunderung und Eifersucht zugleich zuhören kann ob ihres vollendeten Könnens. Diese Ambivalenz ist aber solange statthaft, wie ich an der Schönheit der Musik wie des Schachs teilhaben kann, was mir durch Zuhören resp. Zusehen besser als durch eigene Aktivität gelingt. Meine gelegentliche Verzweiflung über meine Stümperei am Brett führt ganz klassisch zur Distanz und phasenweisen Abstinenz, wie bei einer abgewiesenen Liebe, manchmal auch zum Griff nach einem Schachbuch aus meiner Bibliothek, um in die Geheimnisse der Planfindung einzusteigen in der Hoffnung, mein Spiel werde dadurch ein wenig besser. Mittlerweile antworte ich auf die Frage, ob ich Schach spielen könne, mit nein, ergänze aber, dass ich wisse, wie die Figuren ziehen dürfen. Diese Anspruchslosigkeit beugt Enttäuschungen am Brett vor.
Mir hat Johannes Fischers Punkt gut gefallen: >>Schachspieler werden unglücklich, weil sie zu große Ansprüche an das Spiel stellen. Weil sie es persönlich nehmen und nicht mehr spielen. Wenn man diese Ansprüche in jedes Spiel hineinlegt, ist das der Weg zum Unglück. Wenn man aber das Spielerische betont und so gut spielt, wie es eben geht, kann Schach sehr glücklich machen.<<
Hier muss man sicher zwischen Profis und Amateuren unterscheiden. Menschen, die qua Beruf sich Stunden und Stunden mit dem Schach beschäftigen müssen, immer auf der Suche nach der möglicherweise entscheidenden Neuerung für die nächste Partie, das nächste Turnier, das nächste Match, werden sich die Frage nach dem Unglückspotenzial des Schachs kaum stellen können, sonst fehlten ihnen Energie und Zeit für die Vorbereitung. Wenn ich mir die Spieler*innen der Weltspitze anschaue (soweit das via Web und Zeitschriften aussagekräftig ist), wirken Alexander Grischuk und Hue Yifan, Peter Svidler und Judit Polgar und all die anderen erstaunlich geerdet und zufrieden mit dem, was sie tun. Sie trainieren dem Vernehmen nach hoch professionell, rauchen nicht, trinken kaum Alkohol, treiben Sport, reisen von Kontinent zu Kontinent und lassen sich von Agenten vertreten; ein solch nüchterner Zugang zum Spiel resp. Beruf wird den Ärger über eine vergeigte Partie nicht per se neutralisieren, aber als Teil des Berufs akzeptabel machen. Jan Timman, der große alte Mann des niederländischen Schachs, sagte mal sinngemäß, Schachprofi sei der schönste Beruf, den er sich vorstellen könne, schließlich verbringe man seine Arbeitszeit mit Spielen. Der Mann muss glücklich sein.
Und die vielen Amateure, Patzer, Träumer und Zocker? Je nun, vermutlich lassen sie das Schach so auf sich wirken, wie es zu ihnen am besten passt; den Figuren ist es ja egal, ob ein verbissener, heiterer, vergeistigter oder hoch aggressiver Mensch sie über das Brett schiebt, solange er sich an die Regeln hält und sie nicht durch den Turniersaal wirft. Wenn es außer dem Schach im Leben wenig bis nichts gibt, besteht sicher die Gefahr, das Spiel in seiner Bedeutung zu überhöhen und als Plattform für Gefühlszustände aller Art, von der Frustration über die Sedierung bis zum Größenwahn, zu benutzen. Das latent Riskante des Spiels liegt für mich in seiner langen Dauer und dem damit einher gehenden Schweigen plus weitgehender Bewegungslosigkeit, während der Geist allein mit sich ist. Keine guten Bedingungen zum Ausagieren von Gefühlen, aber exzellente zum Sublimieren und Kompensieren. Da kann das Schach dann langfristig mit einer Wichtigkeit aufgeladen werden, die es von einem Spiel kolossal entfernt. Aber wer weiß, vielleicht wird es dann zu einer Meditation, ein Sesshin zeichnet sich ja auch durch endloses Sitzen in der Stille aus. Ich kenne nicht so furchtbar viele Schachspieler*innen persönlich, aber ich bekomme zu denjenigen einen guten Draht, die nicht zu arg verbissen an die Sache herangehen und deren Blick erkennbar über die 64 Felder hinaus geht.
Ich kann gut verstehen und nachvollziehen, dass man die Ursache für Fehler in einer Partie, besonders die vermeintlich leichten und deswegen so schmerzlichen, bei sich sucht und sich innerlich dafür schelten und am liebsten bestrafen will. Gottlob kann man Schach auch abseits einer realen Partie mit ihrem Fehlerreservoir genießen; ich werde erfüllt von stiller Freude, wenn ich Partien meiner Lieblinge wie José Raoul Capablanca oder Bobby Fischer nachspiele, die unerreichbar funkeln in ihrer Perfektion wie polierter Marmor. Da komme ich mir vor wie in einem Konzert der Berliner Philharmoniker, denen ich auch nur voll Bewunderung und Eifersucht zugleich zuhören kann ob ihres vollendeten Könnens. Diese Ambivalenz ist aber solange statthaft, wie ich an der Schönheit der Musik wie des Schachs teilhaben kann, was mir durch Zuhören resp. Zusehen besser als durch eigene Aktivität gelingt. Meine gelegentliche Verzweiflung über meine Stümperei am Brett führt ganz klassisch zur Distanz und phasenweisen Abstinenz, wie bei einer abgewiesenen Liebe, manchmal auch zum Griff nach einem Schachbuch aus meiner Bibliothek, um in die Geheimnisse der Planfindung einzusteigen in der Hoffnung, mein Spiel werde dadurch ein wenig besser. Mittlerweile antworte ich auf die Frage, ob ich Schach spielen könne, mit nein, ergänze aber, dass ich wisse, wie die Figuren ziehen dürfen. Diese Anspruchslosigkeit beugt Enttäuschungen am Brett vor.