Macht Schach unglücklich?

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    • "Ilja: Es liegt am Schach. Schach ist eine Betätigung,
      die viel Zeit erfordert. Menschen können sich diese Zeit oft nicht
      nehmen, wenn sie sozial stark eingebunden sind, also Freunde haben oder
      eine Familie oder einen stressigen Job. Im Umkehrschluss bedeutet das:
      Menschen wenden sich dann verstärkt dem Schach zu, wenn sie eine Phase
      sozialer Desintegration spüren. Wenn sie geschieden oder getrennt sind
      oder wenn sie in eine neue Stadt kommen, oder ihre Arbeit verlieren. Das
      bedeutet, dass viele Menschen Schach spielen, die
      Frustrationserlebnisse haben. Diese Erlebnisse versuchen sie
      aufzuwiegen, indem sie wenigstens im Schach erfolgreich sind. Und auf
      Misserfolge dort reagieren sie mit besonderer Frustration. Man trifft
      beim Schach sehr viele Frustrierte, Unzufriedene. Die es auch nicht
      begreifen können oder wollen, dass Erfolg und Misserfolg zu einem
      wesentlichen Teil von Glück abhängt. Sie suchen den Fehler immer wieder
      bei sich.
      "

      Also diese Antwort ist schon starker Tobak, das klingt mir doch recht negativ. Oder sind wir Schachspieler wirklich alle so eingestellt ? Das würde ja dann kein gutes Licht auf uns werfen.
    • Kaum zu übersehen ist doch, dass sich beim Schach im Vergleich zu anderen Vereinsabenden überdurchschnittlich viele "etwas anders gestrickte" Menschen tummeln, um das mal ganz neutral zu formulieren. Um das zu bemerken, muss man kein Held sein, jedoch finde ich die Antwort von Ilja Schneider auf die Frage, woran das liegt, viel interessanter: Er sagt ja im Prinzip, zum Schach geht, wer soziale Enttäuschungen hinter sich hat (fasse ich im Übrigen gar nicht negativ auf, rollmops, man könnte es auch als möglichen Halt in schwierigen Situationen sehen) - und ich dachte immer, das wäre genau andersrum: wer Schach spielt, wird früher oder später ein bisschen komisch.
      Muss ich mal drüber nachdenken, was bei mir schief gelaufen ist. :)
    • rollmops schrieb:


      "....."
      Also diese Antwort ist schon starker Tobak, das klingt mir doch recht negativ. Oder sind wir Schachspieler wirklich alle so eingestellt ? Das würde ja dann kein gutes Licht auf uns werfen

      Hi rollmops, ich denke man sollte bei der Betrachtung und Beurteilung stets beachten, welche "Art" von Schachspieler man beurteilt und aus welchem Blickwinkel man schaut.
      IM Ilja hat gewiss recht, wenn er über die Teilnehmer der Turniere spricht, in denen er selbst aktiv ist. Man kann sich gut vorstellen, dass bei ELO Zahlen ab 2300 bis weit aufwärts die meisten Spieler sich intensiv mit Schach beschäftigen (müssen) und sehr viel Lebenszeit investieren. Warum sie das tun mag ich nicht beurteilen wollen; sicher spielen Charaktereigenschaften wie Ehrgeiz, eine perfektionistische, fokussierende Ader und ein guter Teil Narzissmus eine tragende Rolle. Umso verständlicher ist dann deren Enttäuschung bei Niederlagen...

      "Und auf Misserfolge dort reagieren sie mit besonderer Frustration. Man trifft
      beim Schach sehr viele Frustrierte, Unzufriedene."


      Nun gibt es aber beim "Freizeitschach" bzw. "Amateurschach" auch etliche Zeitgenossen die von sich denken und überzeugt sind, in obige ELO-Kategorien aufsteigen zu können und ein ähnlich "anders gestricktes Verhalten", wie Köhler es ausdrückte,an den Tag legen. Schaut man jedoch auf die Masse der kleineren DWZ-Schachler, die sich eben nicht diese Zeit nehmen zur Vervollkommnung der Spielstärke, so erkennt man diese absolute Verbissenheit nicht.Auch hat der größte Anteil jener keine sozialen Schieflagen hinter sich, welche zum Schachspiel und den erwähnten Verhaltensauffälligkeiten führten. Die Meisten sind alle ganz normale Leute, mit denen man auf Meisterschaften oder Turnieren nach Rundenende abends beim Pizzaessen ein kühles Bierchen bei guter Unterhaltung trinken kann; so zumindest meine Erfahrung. Natürlich drehen sich die Gespräche auch um Schach; meist aber nicht über 20 zügige Eröffnungsvarianten und deren Bewertung, sondern was man im Rahmen des Schachspiels so alles erlebt hat-sei es am Brett,entweder als Patzer oder als blindes Huhn, dass gegen einen 2000+X auch mal ein Korn fand, oder wie nett die gemeinschaftlichen Stunden während eines Turnierwochenendes waren...
    • also in unserem Schachverein ist alles drin, was im Durchschnitt auch unser Dorf (ca. 8000 Einwohner) als Gemeinschaft ausmacht, ein Querschnitt unserer Gesellschaft... jeder Einzelne.
      Wir sind ca. 80 aktive Spieler, eine Jugendmannschaft, Schülermannschaften, 1 Damenmannschaft 2.BL West, auch im Ranking alles dabei von unter DWZ 900 - DWZ 2100.

      Kann keine Auffälligkeiten feststellen :)
    • Hallo rollmops, wollte dich nur beruhigen, dass du ein lustiger, lebensfroher Schachgeselle bist und auch nach der x. Niederlage gegen chinanudeln unbekümmert weiterspielst. Habe mich über euch beide beim Schacharenatreff aber gewundert, weil ich eigentlich schon fast einen Horror vor Vereinsspielern habe. Also ihr seid löbliche Ausnahmen, meine ich.

      Das Interview finde ich echt klasse, sehr offen und ehrlich. Hab auch schon von etlichen Profis gelesen, dass ihnen Schach kaum Spaß macht und Niederlagen sehr schmerzen. Als Beruf würde ich Schach aber auch ausgesprochen öde finden. Mir ist auch aufgefallen, dass auch viele Amateure keinen Spaß am Schach haben. Es scheint mehr eine Art Hang zur Selbstgeißelung zu sein. Man sollte beim Besuch eines Schachvereins tunlichst den Eindruck vermeiden, Spaß am Schach zu haben, es als schönen Zeitvertreib anzusehen. Bei Schacharena-Abenden ist es aber anders! Wesentlich lustiger und kommunikativer.
    • ich kann das irgendwie nicht bestätigen

      Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Bei mir persönlich kann ich sagen ,das ich nicht diesen Perfektionistischen ansatz habe wie er im Artikel unterstellt wird. Klar, ich versuche den besten zug zu spielen, aber ich kann auch wenn die eröffnung mies war und ich trotzdem den rest richtig spiele am ende sagen, das war eine gute Partie von mir. es bestärkt mich im Positiven und macht Lust sich Weiterzuentwickeln. schach hat mit dieser Weiterentwicklung aber auch mit den Gesetzmäßigkeiten und den Psychologischen Aspekten. viel vom Leben selbst.

      Ich sehe es da mehr wie Tarrasch, das schach wie die Poesie und Musik die möglichkeit bietet, den Menschen Glücklich zu machen. Ich finde schach auch schön.

      Was ich aber auch sehr angenehm empfinde ist das man in eine Partie versinken kann. Grade bei einer Turnierpartie. Egal was an dem Tag auch alles schlecht gelaufen ist, in dem Moment des spiels, der Überlegung existiert nur das Spiel an sich -wie bei einem guten Buch- der rest der Welt ist egal und das ist denke ich in Maßen, wie Schach es bietet, eine Tolle sache.

      Gruß Silly
    • Hi!
      Doch kurz überlegt, obs wirklich einer Antwort wert ist.

      Also doch *gg - sowie es Leuts gibt, die meinen, Tennis spielen zu können,nur weil sie in der Lage sind einen Schläger zu halten, gibts per se auch Schachspieler, die meinen analytisch zu Denken, nur weil sie wissen, wie die Figuren ziehen.
      Meiner Erfahrung schließt das Eine das Andere nicht aus; nur erkenntnistheoretisch von Einem aufs Andere zu schließen dürfte am nicht vorhandenen Ziel vorbeischeßen und ein gelindes Schmunzeln mehr als nur rechtfertigen,

      Es solls ja auch Leuts geben, di mit 120 kg auf ein Laberl draufhauen und sich als Fußballer bezeichnen. - Nix gegen 120 kg ....... - mit 160 Kg wären es dann wohl die ultimativen Kicker

      Bissl Eigenignorie dürfte da net schaden.

      soll heißen: für gutes Schach scheint Intelligenz nicht schädlich zu sein - Voraussetzung ist es aber sicherlich nicht - wie die Realität oft genug beweist

      Zur ursprünglichen Frage: Schach macht sicherlich net unglücklich, solange es Hobby und nicht Manie ist - wird wohl bei jeder anderen Internetsucht nicht anders sein.

      Wird wohl auch bei der chat-Sucht so sein; fällt aber unter läßliche Sünde :) - solange es Gleichgesinnte gibt fühlt man sich nicht nur aufgehoben, sondern sogar auch bestätigt.

      mit einem kleinen, verschmitzten Lächeln und dem Ansuchen, net Eigeninteresse allzu ernst zu nehmen - Franz

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von franzli ()

    • rollmops schrieb:

      Im Umkehrschluss bedeutet das:
      Menschen wenden sich dann verstärkt dem Schach zu, wenn sie eine Phase
      sozialer Desintegration spüren. Wenn sie geschieden oder getrennt sind
      oder wenn sie in eine neue Stadt kommen, oder ihre Arbeit verlieren.


      hm

      Ich stelle mal zu dieses Zitat eine weitere These auf:

      Man kann dieses Zitat auf jedes Hobby anwenden.
    • Macht Vereinsschach unglücklich?

      Triglav1: herzlichen Glückwunsch zu diesem Verein, 80 aktive Mitglieder auf 8000 Einwohner, Respekt.

      Ich komme aus einer unbedeutenden Großstadt mit vielen kleinen Nebenzentren im Bezirk.
      Es gibt 1-2 Vereine, die auf aktive, ehrgeizige Spieler anziehend wirken, der Rest dümpelt mit
      absteigenden Mitgliederzahlen vor sich hin.

      Meine Erfahrungen sind eher dahingehend, daß die Vereine in ihrer absoluten Mehrzahl keineswegs von gescheiterten oder
      verhaltensgestörten, aber durchaus eher durchschnittlichen und tendenziell langweiligen Menschen bevölkert werden.
      Dies liegt m.E. vor allem am Alter. In der Jugend ehrgeizig spielt man alle Turniere mit, bis schließlich der Ehrgeiz
      langsam einer ungeheuren Eintönigkeit Platz macht. Man trifft auf Leute, die man schon Jahrzehnte gesehen und
      bespielt hat, das gleiche auf Mannschaftsebene, auch hier kennt man seine Gegner in aller Regel.

      Mein Fazit daher: Vereinsschach macht keineswegs unglücklich, allerdings stumpfen die Mitglieder ab (und das
      gilt wohl für Vereine aller Art) - also nicht Unglück sondern Monotonie. "That's Life" und hat keinen
      neuen erkenntiskritischen Wert, über das Schachspiel sagt es ohnehin nichts aus.
    • Schach ist schön

      Guten Morgen!

      Vielen Dank für diesen schönen Hinweis auf den Artikel. Ich hab ihn gern gelesen.

      Macht Schach unglücklich? Also, ich würde für meine Wenigkeit das Gegenteil behaupten. Es ist eines meiner schönsten Leidenschaften geworden, neben der Musik, dem Schreiben, dem Malen und dem Sport. Es gibt vielleicht Momente, wo ich manchmal sogar ein paar Tränchen über mich selber vergieße, z.b. in dem Moment, wo ich wirklich dumme Fehler mache, resultierend aus der Unachtsamkeit oder Konzentrationsunfähigkeit. Dann schimpfe ich mit mir selber und kann mich gar für einen Moment nicht leiden:) denke, Lotte, Lotte, warum kannst du nicht anders. Aber das ist auch nur ein kleiner Moment, dann gehe ich einfach weiter, wie im Leben auch:) Ich finde, beim Schachspielen kann man viel fürs Leben lernen und sich selber auch ein gutes Stück mehr kennenlernen:)

      In meiner Heimatzeitung, dem Kölner Stadt-Anzeiger, hab ich mal einen Blog übers Schach geschrieben, nachdem ich begonnen habe, mit diesem Königsspiel zu liebäugeln und es selber zu spielen.

      lebenslust.over-blog.de/articl…und-flamme-124668656.html

      ALso, ich jedenfalls, werd das Schachspiel sicher nicht mehr aufgeben. Das Schöne am Spiel, virtuell oder auch im realen Leben ist, man lernt auch noch dazu eine Menge netter Menschen kennen, mit denen sich ausgetauscht werden kann.

      Schach ist schön!
    • Eine interessante Frage und wie die Diskussion zeigt ,sind hier schon vielschichtige Sichtweisen zu entnehmen.
      Mich persönlich macht Schach glücklich,weil es einfach mein Leben bereichert.
      Ich kann mit Sieg und Niederlagen sportlich umgehen,Kampfgeist muss der Verbissenheit weichen ;) ,aus Niederlagen sollte man nach der Analyse gestärkt hervor gehen und man sollte sich nicht von der Spekulation gewisser Spielsituationen verrückt machenlassen.
      Alles was es im Leben gibt verbinde ich mit Schach,ich relativiere viele Situationen und spiele auch gern Blitz.
      Ich finde es auch gut,das man in einer Sportart wie Schach sich nie auf andere verlassen muss,und wenn man dann die richtige Lerndosis für sich entdeckt,macht es dann auch Spass.
      Allerdings sollte man den Kampf ,den das Spiel sicher hervorbringt in geordneten Bahnen halten,damit man nicht in Allen und Jeden einen Gegner sieht! 8)
    • Ein sehr interessanter Artikel, begeistert bin ich ja von der unterschiedlichen Resonanz hier im Thread.
      Ist ja fast wie eine Kontaktbörse hier , Gleichgesinnte treffen sich und so soll es sein.

      Lotte beschreibt das schön und einfach in Ihrem Zitat im Blog:
      "Und Stefan Zweig behauptet sogar: "Schach ist wie Liebe - Allein macht es weniger Spaß."

      Die hier zum Teil abgesprochene soziale Komponente wird meines Erachtens sogar positiv verstärkt und verbessert, auch und gerade durch Niederlagen.
      Wenn gleich auch während der Partie der "Feind" einem gegenüber sitzt ,so ist man sich doch am Ende einer jeden Partie ein Stück "näher" gekommen .

      Wie hier auch schon bemerkt wurde sind wir von aussen betrachtet glaube ich ein besonderes Volk , aber ich bin froh ein Teil davon zu sein :)Gerade im Real-Schach auf Vereinsabenden schlägt sich die Gleichgesinnung , auch beim Bier, immer auf eine harmonische Stimmung über !

      In diesem Sinne - Gut Holz :D
      Jürgen

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Mittag ()

    • Reduzierter Intelligenzbegriff

      franzli schrieb:

      für gutes Schach scheint Intelligenz nicht schädlich zu sein - Voraussetzung ist es aber sicherlich nicht - wie die Realität oft genug beweist
      Eine Amöbe wird nicht Schach spielen lernen, eine Maus oder ein Schimpanse auch nicht. Schach an sich ist schon eine geistige Tätigkeit, die grundsätzlich Intelligenz (und eine Reihe anderer Fähigkeiten) erfordert. Wenn du mit deiner Aussage meinst, dass auch Schachspieler unintelligentes Verhalten zeigen können - geschenkt, denn auf wen träfe dies nicht zu?

      Intelligenz erschöpft sich jedoch nicht allein in den Fähigkeiten, die zum Schachspiel erforderlich sind. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn auch ein guter Schachspieler in anderen Lebensbereichen (beispielsweise im sozialen) eher schlecht abschneidet. Nach meiner Erfahrung gibt es unter Schachspielern sowohl besonders viele überdurchschnittlich intelligente Menschen als auch besonders viele ziemlich verschrobene Typen.

      Den im Interview angedeuteten Erklärungsansatz finde ich allerdings auch etwas unterkomplex, wenngleich nicht völlig falsch.
    • Patzer schrieb:

      Ich erntete dafür mehr schallendes Lachen als Beifall, weil eben das Denken nur für einen ziemlich kleinen Teil der Menschheit ein Vergnügen ist.
      Die meisten Menschen nehmen das Denken als eine alltägliche Lebensäußerung wahr, so wie das Atmen oder das Pinkeln. Ein besonderes Vergnügen empfinden sie dabei nicht (ich vermute allerdings, dass dies unter Studierenden häufiger auftritt). Ein jeder findet eben sein eigenes Maß und seinen eigenen Weg zu Zufriedenheit und Glück. In dieser Hinsicht wird Intelligenz, werden die gesamten kognitiven Fähigkeiten, regelmäßig maßlos überschätzt. Gerade auch von intelligenten Menschen.
    • Wirklich intressant wie sich die Diskussion weiterentwickelt hat.
      Ich möchte noch einen Punkt anbringen zur Sozialenkomponente des Schachs, schach hat da nehmlich gegenüber vielen anderen vorallem Körperlichen Sportarten einen großen Sozialenvorteil. Das Alter und Die relativ geringen Kosten.. Jeder kann schachspielen und so können auch unterschiedliche Generazionen und Soziale Schichten zueinander finden. Grade die Problematik, das es oft von der Jugend wie auch von Älteren ein mangeldes Verständnis und wenig Respekt gibt, kann man gut mit Schach lösen. Am Brett treffen gleichstarke Spieler unterschiedlicher Generationen Aufeinander, das fürt automatisch zur Annerkennung der Leistung des gegenübers und so zu ganz intressanten verknüpfungs Punkten. Mann hat halt mit jedem Schachspieler was gemeinsam.

      Ich denke das es eine große Soziale Stärke von Schach ist, das JEDER Schach spielen kann, oder es zumindest Lernen kann.