Es ist Dienstag. Das bedrohliche Ticken der Schachuhr verebbt gerade. Über meinem Kopfe werden Hände geschüttelt, es wird gelobpreist
und man klopft Schultern. Ich habe eben meine Schachpartie verloren.
Und dennoch: ich bleibe dem Schach innig verbunden, wenn auch meine jetzige Frau schon öfter als mir lieb sein kann, eifersüchtig darauf
reagiert. Sie behauptet doch glatt, ich lebte mit dem Schach irgendwie in einer ausserehelichen Beziehung. Aber was soll´s! Wie könnte ich
denn so leichtfertig meiner heimlichen Liebe und Leidenschaft entraten?
So also fiebert man immer wieder dem Augenblick einer nächsten Schachbegegnung im Verein oder wo auch sonst entgegen mit der festen
Absicht, dem aktuellen Gegner Paroli zu bieten, ihn schachlich niederzuringen, es ihm mal so richtig "zu zeigen".
Wie nun soll man einen Schachspieler beschreiben? Fest steht wohl, dass Schach seine Passion darstellt und er es, wann immer es ihm möglich
ist, spielt.
Mir selbst sind gewisse Spieler fast schon unheimlich und muten mich an, als kämen sie von einem fernen Schachplaneten gerade zu mir herab
um mir meine irdische Begrenztheit bewusst zu machen!
Im allgemeinen aber ist es doch so, dass wir Schach-Masochisten alles ertragen, unser Beben der Hände beim Ziehen unseres Spielsteins auf ein
falsches Feld ebenso wie unser wildes Herzklopfen, wenn ein überragend bis genial spielender Gegner unsere eh schon klägliche Stellung
unterminiert, mit seinen Spielsteinen jedes mögliche Ausweichfeld unmöglich macht und wir uns schliesslich seiner Schachkunst kleinlaut zu
beugen haben. Wo wir doch immer so Hoffnung tragen, dass man unsere vertrackten Fehlzüge nicht registriert.
Liebe Schachfreunde, ist es denn nicht genug, wenn sogar manchmal ein eigener Schachcomputer unseren König nicht nur in irgendeine Ecke zwingt, nein uns beinahe schon an unserem Verstand zweifeln lässt.
Dass natürlich jeder Schachspieler auch schon schöne Erlebnisse mit guten Ergebnissen im Schach hatte, muss nicht angezweifelt werden.
Mir gelangen auch schon gute Spiele sogar in den Schachvereinen, wo ich tätig war und doch hielten sich diese in Grenzen.
Eher noch kann ich auf einige Schachspiele in einem privaten Rahmen zurückgreifen, wo ich natürlich auch mit dem nötigen Glück für eine
Überraschung sorgen konnte. Bei vielen Schachspielen in Kneipen, wo die Wirte noch grosszügig auf uns Schachspieler reagierten und sogar oft
Bretter und Figuren bereithielten, hatte ich mehrere gute Erfolge zu verzeichnen.
Das lustigste, das ich erlebte, war ein Spiel gegen einen unbekannten Gegner, der mich zum Spielen anhielt. Zu vor gerückter Stunde hatten
wir beide schon etwas über den Durst getrunken, sahen uns aber durchaus in der Lage zu spielen. Ich gewann die Partie. Als wir nachher die Figuren in die Kassette zurücklegten, stellten wir fest, dass ein ganzer Turm fehlte. Hatte ich doch tatsächlich die ganze Partie lang mit einem Turm weniger gespielt!
Bei einem anderen Schachspiel, auch privat, hatte ich nichts zu lachen, mein Gegner setzte mir seine Orang-Utan-Variante vor die Nase und mit dieser konnte ich garnichts anfangen.
Bei einer offenen Stadtmeisterschaft in einem renommierten Schachclub kam es zwischen mir und meinem Gegner, einem nun bereits schon länger pensionierten Lehrer, den ich gut kannte, zum offenen Schlagabtausch. Ich versuchte für mich zu nutzen, dass er etwas beschwipst spielte,
weil er hin und wieder doch gerne mehreren Bieren zusprach. leider verlor ich schon früh meine Dame, konnte aber drei Leichtfiguren dafür
einheimsen. Nun wähnte ich mich schon auf der sicheren Seite, denn im Endspiel standen zwei Türme sowie zwei Läufer gegen seine Dame und einem Turm zu Buche. Was tat ich aus Dummheit und auch Überheblichkeit? Steckte ich noch einen ganzen Läufer ins Geschäft und verdarb mir
mein Spiel!
Auf der ganzen Welt werden Jahr für Jahr die besten Schachspieler belobigt und geehrt. Und man kann nicht umhin, ihnen zu applaudieren.
Vor jetzt genau 3O Jahren, im Dezember 1985 erbot sich Vlastimil Hort, zu diesem Zeitpunkt unter den ersten zehn der aktuellen Weltrangliste
liegend, in meiner Heimatstadt eine Simultanvorstellung zu geben. Ein guter Bekannter bewog mich, mitzumachen. Ich könnte ja dabei nichts
verlieren, meinte er. "Doch" war meine Antwort und ich grinste dabei.
Der Spielsaal eines Hotels für diese nicht alltägliche Begegnung war gut gefüllt. Etwas über 5O Gegner hatten sich eingefunden. Alle wollten
eben einmal hautnah einen der genialen Weltspieler erleben.
Aus der Eröffnung kam ich relativ gut heraus. Ich versuchte das zu spielen, was ich ein bisschen konnte. Bezeichnend war aber doch, dass beide,
sowohl ich als auch Hort auf die Rochade verzichtet hatten und wir aus Tempogründen unsere Könige ins Kampfgetümmel brachten. Ich hatte
gegen seine Eröffnung die Französische Verteidigung eingesetzt. Im Mittelspiel kam ich, warum auch immer zu einem Mehrbauern.
Bei all der schachlichen Aufregung hatte ich gar nicht gemerkt, dass sich speziell in meinem Rücken zahlreiche Kiebitze angesammelt hatten.
Als Hort noch weit entfernt von mir einigen Gegnern das Schwitzen beibrachte, flüsterte mir einer der Kiebitze zu, ich solle den gewonnenen
eher nicht behalten. Da ich den Kiebitz gut kannte, ein hervorragender Schachspieler seines Vereins, gab ich also den Bauern wieder her.Hort hatte ihn auch sofort wieder an sich genommen. Ich weiss natürlich nicht, ob Hort mir den Bauern nur geliehen hatte in etwa einer gemeinen
Absicht, oder ob er ihn tatsächlich übersehen hatte.
Als ich auf meine Armbanduhr blickte, waren bereits 5 Stunden vergangen und als ich dann aufblickte, fand ich den Saal bis auf zwei Schachkontrahenten und Hort leer. Ein paar Meter links von mir sass noch der über die Grenzen Niederbayerns hinweg sehr bekannte und mehr-
fache Niederbayr. Meister Rudi Heigl, der leider vor ein paar Jahren aus Gründen einer schweren Erkrankung starb.
Unfassbar für mich, dass Heigl und ich unbedarftes Schachwürstchen noch die Stellung hielten. Während aber Heigl sein Spiel gegen Hort noch gewann oder remisierte, wie ich erinnere, waren meine Schachzüge schon gezählt. Zwar hatte ich keine Figur gegen hort verloren und bei den
Bauern war Gleichstand. Mein lahmer Läufer war gegen seinen in genialer Weise eingesetzten Springer machtlos.
Als Hort schliesslich an mein Brett kam, legte ich demütig meinen König hin. Wir reichten uns die Hand.
Dieses Schacherlebnis hat mich in höchstem Masse bereichert. Ich war glücklich, trotz der Niederlage. Meine zahlreichen Kiebitze lobten mich,
so lange gut durchgehalten zu haben. Liebe Schachfreunde, was will man denn noch mehr?
Um nun meine Betrachtungen und kleinen eingestreuten Episoden zu einem guten Abschluss zu bringen, will ich nur noch erwähnen, dass wohl jeder Schachspieler, solange es möglich ist, seinem Verein treu bleibt und dem Schachspiel ergeben.
Ebenso erklärt sich jeder einzelne Schachspieler mit dem Rest der Schachwelt stets solidarisch.
Als ich einmal wieder von einer Schachbegegnung nach Hause kam, fragte mich meine Frau, fast schon etwas hämisch: "Na, verloren?"
"Ja", gab ich zerkrnirscht zu, konterte aber sofort: "Immerhin hat mein heutiger Gegner, den Kopf in seinen beiden Händen vergraben, über einen
meiner Züge 35 Minuten nachgedacht!"
Was ich meiner Frau aber nicht eingestand, war mein Verdacht, mein Gegner hätte den erwähnten Zeitraum nur für ein Nickerchen genutzt.
Schliesslich hatte er zu diesem Zeitpunkt schon eine DWZ von 22OO.
Liebe Schachfreunde, möge Euch und mir die Schachgöttin trotzdem immer gewogen bleiben.
Euer Schachfreund
GA
und man klopft Schultern. Ich habe eben meine Schachpartie verloren.
Und dennoch: ich bleibe dem Schach innig verbunden, wenn auch meine jetzige Frau schon öfter als mir lieb sein kann, eifersüchtig darauf
reagiert. Sie behauptet doch glatt, ich lebte mit dem Schach irgendwie in einer ausserehelichen Beziehung. Aber was soll´s! Wie könnte ich
denn so leichtfertig meiner heimlichen Liebe und Leidenschaft entraten?
So also fiebert man immer wieder dem Augenblick einer nächsten Schachbegegnung im Verein oder wo auch sonst entgegen mit der festen
Absicht, dem aktuellen Gegner Paroli zu bieten, ihn schachlich niederzuringen, es ihm mal so richtig "zu zeigen".
Wie nun soll man einen Schachspieler beschreiben? Fest steht wohl, dass Schach seine Passion darstellt und er es, wann immer es ihm möglich
ist, spielt.
Mir selbst sind gewisse Spieler fast schon unheimlich und muten mich an, als kämen sie von einem fernen Schachplaneten gerade zu mir herab
um mir meine irdische Begrenztheit bewusst zu machen!
Im allgemeinen aber ist es doch so, dass wir Schach-Masochisten alles ertragen, unser Beben der Hände beim Ziehen unseres Spielsteins auf ein
falsches Feld ebenso wie unser wildes Herzklopfen, wenn ein überragend bis genial spielender Gegner unsere eh schon klägliche Stellung
unterminiert, mit seinen Spielsteinen jedes mögliche Ausweichfeld unmöglich macht und wir uns schliesslich seiner Schachkunst kleinlaut zu
beugen haben. Wo wir doch immer so Hoffnung tragen, dass man unsere vertrackten Fehlzüge nicht registriert.
Liebe Schachfreunde, ist es denn nicht genug, wenn sogar manchmal ein eigener Schachcomputer unseren König nicht nur in irgendeine Ecke zwingt, nein uns beinahe schon an unserem Verstand zweifeln lässt.
Dass natürlich jeder Schachspieler auch schon schöne Erlebnisse mit guten Ergebnissen im Schach hatte, muss nicht angezweifelt werden.
Mir gelangen auch schon gute Spiele sogar in den Schachvereinen, wo ich tätig war und doch hielten sich diese in Grenzen.
Eher noch kann ich auf einige Schachspiele in einem privaten Rahmen zurückgreifen, wo ich natürlich auch mit dem nötigen Glück für eine
Überraschung sorgen konnte. Bei vielen Schachspielen in Kneipen, wo die Wirte noch grosszügig auf uns Schachspieler reagierten und sogar oft
Bretter und Figuren bereithielten, hatte ich mehrere gute Erfolge zu verzeichnen.
Das lustigste, das ich erlebte, war ein Spiel gegen einen unbekannten Gegner, der mich zum Spielen anhielt. Zu vor gerückter Stunde hatten
wir beide schon etwas über den Durst getrunken, sahen uns aber durchaus in der Lage zu spielen. Ich gewann die Partie. Als wir nachher die Figuren in die Kassette zurücklegten, stellten wir fest, dass ein ganzer Turm fehlte. Hatte ich doch tatsächlich die ganze Partie lang mit einem Turm weniger gespielt!
Bei einem anderen Schachspiel, auch privat, hatte ich nichts zu lachen, mein Gegner setzte mir seine Orang-Utan-Variante vor die Nase und mit dieser konnte ich garnichts anfangen.
Bei einer offenen Stadtmeisterschaft in einem renommierten Schachclub kam es zwischen mir und meinem Gegner, einem nun bereits schon länger pensionierten Lehrer, den ich gut kannte, zum offenen Schlagabtausch. Ich versuchte für mich zu nutzen, dass er etwas beschwipst spielte,
weil er hin und wieder doch gerne mehreren Bieren zusprach. leider verlor ich schon früh meine Dame, konnte aber drei Leichtfiguren dafür
einheimsen. Nun wähnte ich mich schon auf der sicheren Seite, denn im Endspiel standen zwei Türme sowie zwei Läufer gegen seine Dame und einem Turm zu Buche. Was tat ich aus Dummheit und auch Überheblichkeit? Steckte ich noch einen ganzen Läufer ins Geschäft und verdarb mir
mein Spiel!
Auf der ganzen Welt werden Jahr für Jahr die besten Schachspieler belobigt und geehrt. Und man kann nicht umhin, ihnen zu applaudieren.
Vor jetzt genau 3O Jahren, im Dezember 1985 erbot sich Vlastimil Hort, zu diesem Zeitpunkt unter den ersten zehn der aktuellen Weltrangliste
liegend, in meiner Heimatstadt eine Simultanvorstellung zu geben. Ein guter Bekannter bewog mich, mitzumachen. Ich könnte ja dabei nichts
verlieren, meinte er. "Doch" war meine Antwort und ich grinste dabei.
Der Spielsaal eines Hotels für diese nicht alltägliche Begegnung war gut gefüllt. Etwas über 5O Gegner hatten sich eingefunden. Alle wollten
eben einmal hautnah einen der genialen Weltspieler erleben.
Aus der Eröffnung kam ich relativ gut heraus. Ich versuchte das zu spielen, was ich ein bisschen konnte. Bezeichnend war aber doch, dass beide,
sowohl ich als auch Hort auf die Rochade verzichtet hatten und wir aus Tempogründen unsere Könige ins Kampfgetümmel brachten. Ich hatte
gegen seine Eröffnung die Französische Verteidigung eingesetzt. Im Mittelspiel kam ich, warum auch immer zu einem Mehrbauern.
Bei all der schachlichen Aufregung hatte ich gar nicht gemerkt, dass sich speziell in meinem Rücken zahlreiche Kiebitze angesammelt hatten.
Als Hort noch weit entfernt von mir einigen Gegnern das Schwitzen beibrachte, flüsterte mir einer der Kiebitze zu, ich solle den gewonnenen
eher nicht behalten. Da ich den Kiebitz gut kannte, ein hervorragender Schachspieler seines Vereins, gab ich also den Bauern wieder her.Hort hatte ihn auch sofort wieder an sich genommen. Ich weiss natürlich nicht, ob Hort mir den Bauern nur geliehen hatte in etwa einer gemeinen
Absicht, oder ob er ihn tatsächlich übersehen hatte.
Als ich auf meine Armbanduhr blickte, waren bereits 5 Stunden vergangen und als ich dann aufblickte, fand ich den Saal bis auf zwei Schachkontrahenten und Hort leer. Ein paar Meter links von mir sass noch der über die Grenzen Niederbayerns hinweg sehr bekannte und mehr-
fache Niederbayr. Meister Rudi Heigl, der leider vor ein paar Jahren aus Gründen einer schweren Erkrankung starb.
Unfassbar für mich, dass Heigl und ich unbedarftes Schachwürstchen noch die Stellung hielten. Während aber Heigl sein Spiel gegen Hort noch gewann oder remisierte, wie ich erinnere, waren meine Schachzüge schon gezählt. Zwar hatte ich keine Figur gegen hort verloren und bei den
Bauern war Gleichstand. Mein lahmer Läufer war gegen seinen in genialer Weise eingesetzten Springer machtlos.
Als Hort schliesslich an mein Brett kam, legte ich demütig meinen König hin. Wir reichten uns die Hand.
Dieses Schacherlebnis hat mich in höchstem Masse bereichert. Ich war glücklich, trotz der Niederlage. Meine zahlreichen Kiebitze lobten mich,
so lange gut durchgehalten zu haben. Liebe Schachfreunde, was will man denn noch mehr?
Um nun meine Betrachtungen und kleinen eingestreuten Episoden zu einem guten Abschluss zu bringen, will ich nur noch erwähnen, dass wohl jeder Schachspieler, solange es möglich ist, seinem Verein treu bleibt und dem Schachspiel ergeben.
Ebenso erklärt sich jeder einzelne Schachspieler mit dem Rest der Schachwelt stets solidarisch.
Als ich einmal wieder von einer Schachbegegnung nach Hause kam, fragte mich meine Frau, fast schon etwas hämisch: "Na, verloren?"
"Ja", gab ich zerkrnirscht zu, konterte aber sofort: "Immerhin hat mein heutiger Gegner, den Kopf in seinen beiden Händen vergraben, über einen
meiner Züge 35 Minuten nachgedacht!"
Was ich meiner Frau aber nicht eingestand, war mein Verdacht, mein Gegner hätte den erwähnten Zeitraum nur für ein Nickerchen genutzt.
Schliesslich hatte er zu diesem Zeitpunkt schon eine DWZ von 22OO.
Liebe Schachfreunde, möge Euch und mir die Schachgöttin trotzdem immer gewogen bleiben.
Euer Schachfreund
GA