Königsgambit: Quaade-Gambit

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    • Königsgambit: Quaade-Gambit

      Im Königsspringergambit 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 vertreten viele Autoritäten die Meinung, daß nach der prinzipiellen schwarzen Antwort 3.-g5 das Kieseritzky-Gambit 4.h4 g4 5.Se5 die einzige für Weiß spielbare Fortsetzung sei. Analysen von John Shaw (in seinem Buch "The King's Gambit), Karsten Müller und Simon Williams zeigen jedoch, daß das über 130 Jahre lang in der Versenkung dümpelnde Quaade-Gambit



      eine hochinteressante und spielbare Alternative zu 4.h4 darstellt. Eine seiner Hauptvarianten beinhaltet ein Figurenopfer, und das ist in diesem Falle - im Gegensatz zu vielen ähnlichen "Caveman"-Opfervarianten im Königsgambit - auch aus Computersicht vollkommen korrekt:




      GM Karsten Müller hat über das Quaade-Gambit einen zweiteiligen Artikel im Chessbase Magazin veröffentlicht:
      Chessbase Magazin 162
      Chessbase Magazin 163

      Und GM Simon Williams - von Müllers Analysen inspiriert - erläutert die Variante in einem Bonus-Video zu seiner zweiteiligen Königsgambit-DVD:
      8,5 out of 10 with the King's Gambit


      Besondere Begeisterung löst bei Simon Williams (und nicht nur bei ihm) die folgende Partie eines Physikprofessors aus Madrid aus:

      Jesús Seoane Sepúlveda – Ignacio Prieto
      Cádiz 1986

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    • ...heißt das, dass das Königsgambit jetzt auf höherem Turnierniveau wieder häufiger gespielt wird?
      Oder war einfach die Zeit gekommen, so wie bei der italienischen Partie, um alte Ideen neu zu beleben?
      Stephan Bücker hat in seiner leider eingestellten Zeitschrift Kaissiber auch immer wieder Beiträge zum Königsgambit veröffentlicht...
      kaissiber.de/html/bestellung.html
    • Das Quaade-Gambit ist in den letzten Jahren in Fernschachpartien häufiger zu sehen. Auf Top-Niveau im Nahschach ist es noch nicht aufgetaucht, aber in Bundesligapartien wird es gelegentlich gespielt, z.B. von Spielern wie Patrick Zelbel, IM Frank Zeller und Lucas van Foreest. Hier ein spektakuläres Beispiel aus der Bundesligasaison 2015/16, die das für das Quaade-Gambit typische Anhebeln der schwarzen Bauernkette mittels 5.g3 zeigt. Es entwickelt sich ein wildes Handgemenge ganz nach dem Geschmack eines jeden Königsgambitspielers, in dem der schwarze König nach h5 hinausgetrieben wird.

      Van Foreest, Lucas (2350) - Spitzl, Vinzent (2263)
      Bundesliga 2015/16, Runde 5, 6.2.2016
      Turm Emsdetten - Griesheim

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    • Das zur Zeit eindeutig empfehlenswerteste Buch über das Königsgambit ist John Shaw: The King's Gambit. Hier eine Rezension von David Smerdon. Die Leseprobe aus diesem Buch beschäftigt sich mit dem Quaade-Gambit.

      Eine kritische Auseinandersetzung mit Shaws Buch findet sich in dem Blog des belgischen FM "Brabo": Kingsgambit with 3.Nf3

      Sehr lesenswert ist auch die Rezension von Harry Schaack in KARL: Totgesagte leben länger

      Eine weitere interessante Quelle ist King's Gambit 3.Nf3 g5

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    • Einer der führenden Experten für das Königsgambit ist IM Patrick Zelbel, Bundesligaspieler in Diensten des SV Mülheim-Nord. In der Quarantäneliga traf er vor zwei Wochen auf GM Amin Bassem, den besten Spieler Afrikas. In einer sehenswerten Partie spielte Zelbel seinen zur erweiterten Weltelite zählenden Gegner in nur 13 Zügen in Grund und Boden - und zwar mit dem Quaade-Gambit:

      IM Zelbel, Patrick (2448) - GM Bassem, Amin (2686)
      Quarantäneliga, 2.5.2020



      in Aufsteiger im zweiten Versuch findet sich ein Video, in dem der Sieger die laufende Partie im Livestream kommentiert hat.
    • Die obigen Partien sollten gezeigt haben, wie chancenreich die weiße Stellung ist, wenn Schwarz den Bauernkeil g4-f3 im weißen Lager errichtet. Das sichert ihm zwar einen gedeckten Freibauern, aber die weißen Trümpfe:

      - der Raumvorteil im Zentrum bei beweglichen d- und e-Bauern
      - die Möglichkeit, jederzeit mit h2-h3 die h-Linie zu öffnen
      - die in vielen Fällen für Schwarz extrem lästige Option Sf5

      wiegen schwerer.

      Auch Exweltmeister Ruslan Ponomariov ist von den Vorzügen der weißen Stellung überzeugt und spielte vor 4 Jahren eine Partie, die lehrbuchhaft die weißen Möglichkeiten in diesem Stellungstyp aufzeigt:

      GM Ponomariov, Ruslan (2712) - GM Dominguez Perez, Leinier (2732)
      IMSA Blitz, Huai'an CHN, 18. Runde, 29.2.2016



      Für Daniel King gehört diese Partie zu seinen Lieblingspartien im Königsgambit:

    • Wie die obigen Partien zeigen, ist das Anhebeln des schwarzen Bauernkeils f4-g5 mittels g3 eines der Markenzeichen des Quaade-Gambits. Dieser Hebel geschieht manchmal auch in anderen Varianten des Königsgambits wie der Fischer-Verteidigung oder der Becker-Verteidigung. All dies läßt sich subsummieren unter der von GM Karsten Müller gewählten Bezeichnung "Spiel im Quaade-Stil". Deshalb zeige ich die folgende Partie (technisch gesehen eine Becker-Verteidigung) in diesem Thread.

      Einer der Spieler, die seit langem mit dem Königsgambit Furcht und Schrecken verbreiten, ist Niclas Huschenbeth. Bei der Europameisterschaft 2012 zerlegte er einen starken Großmeister in nur 12 Zügen!

      GM Huschenbeth, Niclas (2509) - GM Banusz, Tamas (2583)
      Europameisterschaft Plovdiv, 9. Runde, 29.3.2012



      Hier der Kommentar von Niclas:

    • Wie Schwarz auf das Quaade'sche Anhebeln seiner Bauern mittels g3 reagieren sollte, ist eine offene Frage. Anstatt den Bauernkeil g4-f3 zu errichten, kann Schwarz auch auf g3 tauschen. Der Nachteil: das öffnet dem Weißen die h-Linie. Weiß hat auch hier offenkundige Kompensation für seinen Bauern. Vasyl Ivanchuk konnte beim "Legends of Chess" vorgestern gegen Peter Leko in einer überragend gespielten Partie demonstrieren, welche Möglichkeiten dann in der weißen Stellung schlummern.

      Ivanchuk, Vasyl (2686) - Leko, Peter (2710)
      Legends of Chess, 1. Runde, 21.7.2020



      Daniel King zeigt sich begeistert von der "modernen Behandlung" des Königsgambits durch die "Legende" Ivanchuk.

    • In seinem Buch „Das angenommene Königsgambit“ 1.Auflage 1982 benannte Jakow Estrin* das Quaade-Gambit mit einem anderen Namen: Rosentreter Gambit.

      1.e4 e5 2.f4 ef 3.Sf3 g5: Hier untersuchte J. Estrin 4.d4 und 4.Sc3. Unter dem Namen Rosentreter-Gambit.
      Von 4.Sc3 riet das Autoren-Team J. Estrin und I. Glaskow entschieden ab; es handelt sich hier um die Variante mit dem Quaade-Hebel!

      Im Rosentreter Gambit kann Weiß auf die Fischer- u. Becker-Verteidigung stoßen, oder aber umstellen ins Kieseritzky-, Hahnstein- oder El Greco-Philidor-Gambit.

      Ob das Quaade-Gambit auch für Gelegenheitsspieler zu gewinnen ist, zeigt dieses Spiel:
      Blaschko, Schachprogrammierer (1800 - 2100) – Microcomputerschachweltmeister Shredder, Mephisto (>2400)
      Heim‘ liches Spiel, Berlin, 1. Runde, 26.7.2020



      Dauer der Partie vom 26.7.2020 bis 2.8.2020.

      Fazit:
      Durchaus auch für Gelegenheitsspieler spielbar. Unglaublich, wie leicht Shredder zu schlagen war!
      Sicherlich hätte ein stärkerer Spieler für Weiß bessere Züge gefunden. Dasselbe gilt aber auch für Schwarz.
      Lieber hätte ich für Schwarz Stockfish eingesetzt, was aber bei der herrschenden Wetterlage nicht möglich war!
      Win10 taktete die 4 physikalischen Kerne Standard 3,2 GHz beim Einsatz von Stockfish auf Ruhefrequenz 798 MHz herunter, unabhängig von dem Thermo-Management der Maschine.

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    • Das Rosentreter-Gambit ist ca. 100 Jahre älter als das Quaade-Gambit und sozusagen sein Vorläufer. Es wurde schon im Jahr 1788 gespielt (Bowdler - De Beaurevoir, London 1788). Die kritische Fortsetzung ist 4.-g4. Gegen diesen Bauernvormarsch ist Weiß beim Rosentreter-Gambit etwas schlechter gerüstet als beim Quaade-Gambit. Ich habe zum Rosentreter-Gambit vor einiger Zeit mal ein Posting im allgemeinem Königsgambit-Thread Königsgambit geschrieben, in dem ich die Gründe erläutert habe.

      Der Zug 4.Sc3 wurde von einem dänischen Amateur namens L. Quaade in der Deutschen Schachzeitung (Ausgabe November 1888) vorgeschlagen. Ich kenne diesen Artikel nicht, aber ich bin mir doch recht sicher, daß Quaade mit seinem Zug eine Verbesserung des Rosentretergambits anstrebte. Auf 4.-g4 kann jetzt 5.Se5 folgen mit guten Aussichten für Weiß (siehe dazu Posting 1).

      Rosentretergambit und Quaadegambit können durch Zugumstellung ineinander übergehen, aber in der kritischen Variante 4.-g4 unterscheiden sie sich erheblich. In allen mir bekannten Publikationen zum Königsgambit werden diese beiden Varianten aus gutem Grund unterschieden - nur bei Estrin offenbar nicht.

      Ich habe den 1. Band von Estrin nicht (habe nur den 2. Band zum abgelehnten Königsgambit). Was sagt Estrin denn zu 4.Sc3 g4 und 4.d4 g4? Wie will er denn da jeweils fortsetzen? Und sieht er den Unterschied nicht?
    • Am besten zitiere ich mal Estrin, es ist nicht viel:

      ( 1. e4 e5 2. f4 exf4 3. Sf3 g5 )

      4. d2 - d4

      Von 4.Sc3 raten wir entschieden ab, weil darauf 4. ... Lg7! 5. d4 d6 6. g3
      ( falls 6. Lc4 oder 6. h4, so 6. .. h6, was für den Weißen nachteilige Varianten
      des Hanstein-Gambits ergibt) g4 7. Sh4
      (auch 7. Sg1 f3 8. h3 h5 kommt Schwarz zugute) f3 8. Lf4 Lf6 9. Sf5 Lf5x 10. ef Se7! 11 Ld3 Sc6 mit schwarzem Vorteil folgt.

      Ende Zitat.
      1982 war Estrin wohl noch nicht soweit.
      Als Anlage habe ich Estrins Rosentreter-Gambit als PDF-Datei hinzugefügt.
      Dateien

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    • Blaschko, danke für den Auszug aus dem Estrin-Buch! Damit wird klar, daß Estrin beim Quaadegambit tatsächlich auf der richtigen Spur war: er gibt eine der kritischen Varianten



      an, setzt aber mit dem schwächeren 8.Lf4 fort und verwirft die Variante. Heute wird hier ausschließlich das stärkere 8.Le3! gespielt, was den Punkt d4 überdeckt (siehe dazu die Partiebeispiele in Posting 3 bis 6). Die praktischen Erfahrungen mit dieser Stellung (auch meine eigenen im Fernschach) zeigen, daß Weiß hier ausreichende Kompensation für den geopferten Bauern hat.