Märchen und Geschichten

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    • Noch eine Fabel von Äsop:

      Das Pferd und der Esel


      Ein Bauer trieb ein Pferd und einen Esel, beide gleichmäßigbeladen, zu Markte. Als sie schon eine gute Strecke vorwärts gegangenwaren, fühlte der Esel seine Kräfte abnehmen. "Ach", bat er dasPferd kläglich: "Du bist viel größer und stärker alsich, und doch hast du nicht schwerer zu tragen, nimm mir einen Teil meinerLast ab, sonst erliege ich." Hartherzig schlug ihm das Pferd seine Bitte ab: "Ich habe selbst meinenTeil, und daran genug zu tragen." Keuchend schleppte sich der Esel weiter, bis er endlich erschöpftzusammenstürzte. Vergeblich hieb der Herr auf ihn ein, er war tot. Es blieb nun nichtsweiter übrig, als die ganze Last des Esels dem Pferde aufzupacken,und um doch etwas von dem Esel zu retten, zog ihm der Besitzer das Fellab und legte auch dieses noch dem Pferde oben auf. Zu spät bereute dieses seine Hartherzigkeit. "Mit leichter Mühe",so klagte es, "hätte ich dem Esel einen kleinen Teil seiner Last abnehmenund ihn vom Tode retten können. Jetzt muss ich seine ganze Last unddazu noch seine Haut tragen."

      Hilf zeitig, wo du helfen kannst. Hilf dem Nachbarn löschen, ehe das Feuer auch dein Dach ergreift.
    • Arme Leute
      Eines Tages nahm ein reicher Mann seinen Sohn mit in ländliches Gebiet,
      um ihm zu zeigen, wie arme Leute leben.
      Vater und Sohn verbrachten einen Tag und eine Nacht
      auf einer Farm einer sehr armen Familie.
      Als sie wieder zurückkehrten, fragte der Vater seinen Sohn:
      "Wie war dieser Ausflug?"
      "Sehr interessant!" antwortete der Sohn.
      "Und hast du gesehen, wie arm Menschen sein können?"
      "Oh ja, Vater, das habe ich gesehen."
      "Was hast du also heute gelernt?" fragte der Vater.
      Und der Sohn antwortete: "Ich habe gesehen, dass wir einen Hund haben
      und die Leute auf der Farm haben vier.
      Wir haben einen Swimmingpool, der bis zur Mitte unseres Gartens reicht,
      und sie haben einen See, der gar nicht mehr aufhört.
      Wir haben prächtige Lampen in unserem Garten und sie haben die Sterne.
      Unsere Terrasse reicht bis zum Vorgarten und sie haben den ganzen Horizont."
      Der Vater war sprachlos.
      Und der Sohn fügte noch hinzu:
      "Danke Vater, dass du mir gezeigt hast, wie arm wir sind."....©
      : Dr. Philip E. Humbert,
      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • Mein Favorit unter den Fabeln, heute noch so aktuell wie vor 2500 Jahren (von Äsop, ca. 6. Jh. v.C.):

      Der Fuchs und der Storch

      Der Fuchs hatte den Storch zu Gast, und setzte ihm die köstlichsten Dinge vor.
      Die Speisen lagen aber nur auf ganz flachen Schüsseln, aus denen der Storch mit seinem langen Schnabel nichts fressen konnte.
      Gierig fraß der Fuchs alles alleine, obgleich er den Storch unaufhörlich bat, er solle es sich schmecken lassen.

      Der Storch fühlte sich betrogen, blieb aber heiter.
      Er lobte die Bewirtung über alle Maßen und bat seinen Freund, am anderen Tag mit ihm zu essen.
      Der Fuchs mochte wohl ahnen, dass der Storch sich rächen wollte, und wies die Einladung ab.

      Der Storch aber ließ nicht nach, bis der Fuchs dann endlich einwilligte.
      Als er nun am anderen Tag zum Storch kam, fand er alle möglichen Leckerbissen aufgetischt.
      Sie waren aber in langhalsigen Geschirren abgefüllt.

      "Folge meinem Beispiel", sagte der Storch, "und fühle Dich so, als wenn Du zu Hause wärest."
      Der Storch schlürfte nun mit seinem Schnabel alles alleine auf, während der Fuchs zu seinem größten Ärger nur etwas riechen und vom äußeren Geschirr ablecken konnte.

      Hungrig stand er vom Tisch auf und gestand, dass der Storch ihm eine ordentliche Lektion für seinen Hochmut beigebracht habe.
    • Das kleine Schneeflöckchen

      Author unbekannt
      Es war Winter, dicke Schneeflocken wirbelten durch die Luft und bedeckten die Stadt mit einer dicken, weißen Decke. In den Fenstern funkelten Kerzenlichter, es wurde gebacken und der Christbaum geschmückt; denn morgen war Heiligabend. Alle freuten sich auf das Weihnachtsfest, Kinder spielten vergnügt im Garten. Auf den Straßen roch es nach frischem Lebkuchen. Doch nicht alle Kinder waren fröhlich. Ein kranker Junge saß mit traurigen Augen am Fenster und beobachtete das Schneetreiben. Er hatte einen Schal um den Hals gewickelt und seine Nase war ganz rot. Während die Kinder draußen ausgelassen Schneeflocken fingen und einen großen Schneemann bauten, musste er in seinem Bett liegen, weil er Schnupfen und Husten hatte.
      So saß er da und schaute den Schneeflocken nach, die an seinem Fenster vorbei wehten. Eine von ihnen - die Kleinste - setzte sich auf sein Fensterbrett, um sich vom Fliegen zu erholen. Sie sah den kranken, traurigen Jungen am Fenster und erzählte es den anderen Schneeflocken. Sie fassten einen Plan. Zusammen flogen sie zu dem kranken Jungen und setzten sich an die Fensterscheibe. Der kranke Junge schaute immer noch mit traurigen Augen aus dem Fenster.
      Leise flüsterte das kleine Schneeflöckchen der Schneeflocke neben ihr etwas ins Ohr und die flüsterte es zu der nächsten. Dann setzten sie sich alle so auf die Fensterscheibe, dass sie aussahen wie ein großer, weißer Eisstern. Die Augen des kranken Jungen fingen an zu leuchten; jetzt war er gar nicht mehr traurig.
      Um das kleine Schneeflöckchen berühren zu können, streckte er seine Hand zum Fenster. Vorsichtig fasste der kranke Junge an die Scheibe und legte seine Hand auf den Stern aus Schneeflocken. Für ein paar Augenblicke konnte er das kleine Schneeflöckchen ganz nah spüren. Und als er seine Hand wieder wegnahm, hatten sich die Flocken plötzlich zu einem Herz geformt. Sie änderten ständig ihre Form und erfreuten den kranken Jungen mit immer neuen Bildern. Lachend spielte der kranke Junge mit den Schneeflocken an seinem Fenster. Am nächsten Tag war Weihnachten und er würde weiter aus dem Fenster schauen, um die Schneeflocken zu beobachten und gesund zu werden, denn morgen war ja Heiligabend.
    • Frau Holle mal etwas anders geschrieben mit schwarzem Humor gemischt



      Frau Holle



      Muss wohl schon ne ganze Weile her sein, da stand sone Alte ganz schoen aufm Schlauch, weil deren Macker uebern Jordan gegangen war. Damals war ja wohl noch absolut Null mit Witwenrenten und diesen ganzen sozialen Kisten, dafuer hatte se aber von ihrem Abgedankten so zwei halbreife Lustprodukte am Bein. Die eine potthaesslich, dass es nur so knallt. So ne richtige Horrorbraut. Die hatte se wohl selber abgeschnuert, jedenfalls lag die zusammen mit der Alten den ganzen Tag vor der Glotze oder so und ruehrte keinen mueden Finger. Die andere Braut stammte wohl von nem lustigen Seitensprung, jedenfalls sah die bockstark aus, war dafuer aber so beknackt, sich total von dem alten Moebel ausbeuten zu lassen. Die musste ackern wien Tuerke, und die beidenGiftspritzen gammelten lustig vor sich hin und machten was das Zeug haelt auf High-Life. Naja, eines Tages jedenfalls kriegt die Wahnsinnsbraut wohl mal den totalen Foen und flippt voellig weg, weil se schnallt, dass fuer sie bei den beiden Zimtzicken absolut no future laeuft. Sie macht dann die Muecke, knallt sich an sonem Brunnen hin und zieht wohl voll einen durch. Das muss ein wahnsinns Stoff gewesen sein, jedenfalls ist sie gleich auf nem Mords-Trip, faellt in eine Traumwelt-Landschaft wie in ner Fluppen-Reklame, eben heile Welt mit Eierkuchen. Und wie se da so durchjoggt, kann se eigentlich gar nicht so richtig auf dem Trip abfahren. Da krakeelt erst ein Ofen durch die Gegend, sie soll die Berliner rausholen, und dann noelt noch so ein Apfelbaum rum, von wegen die Vitamine runterschuetteln. Und wenn du gerade denken willst, dass die ihr wohl doch nen faulen Stoff angedreht haben, da rollt sie in sonem noblen Schuppen ein, wo sie das grosse Fressen startet. Dafuer muss sie aber tagsueber die Rheumadecken aus den ganzen Furzkisten zum Fenster raus wedeln. Und als se gerade mal wieder ungeheuer die Kissen schwenkt, donnert auf einmal so ein mordsmaessiger Zaster auf sie runter, dass sie schon denke, gleich hebt se voellig ab. Aber da ist der wohl zu Ende, und sie hockt wieder in ihrer gammeligen Bude mit den beiden Pissnelken. Die beiden haben die Story mit dem Trip aber wohl voll geschnallt, weil die Braut immer noch voellig high war. Jedenfalls will die Alte ihrem Giftzahn den gleichen Trip verpassen. Die giert das Zeug auch gleich rein, jettet durch den Brunnen und landet prompt auch in der Fluppen-Reklame. Dann haengt die ganze Story ziemlich durch, weil irgendwie die Action fehlt. Aber zum Schluss knallt's weder voll rein, da kommt naemlich kein Zaster, sondern so eine zaehe schwarze Schmiere ueber die Dame ruebergeschleimt. Die Karotte und das Sweat-Shirt sind total versaut und Mini-Pli ist auch voellig im Arsch. Das ist fuer sone Braut natuerlich der absolute Horror-Trip.
    • Die drei Siebe
      Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte:
      "Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen!"
      "Halte ein!" - unterbrach ihn der Weise,
      "Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?"
      "Drei Siebe?", frage der andere voller Verwunderung.
      "Ja guter Freund!
      Lass sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht:
      Das erste ist die Wahrheit.
      Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?"
      "Nein, ich hörte es erzählen und..."
      " So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft.
      Es ist das Sieb der Güte.
      Ist das, was du mir erzählen willst gut?"
      Zögernd sagte der andere: "Nein, im Gegenteil..."
      "Hm...", unterbrach ihn der Weise,
      "So lass uns auch das dritte Sieb noch anwenden.
      Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?"
      "Notwendig nun gerade nicht..."
      "Also" sagte lächelnd der Weise,
      "wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist,
      so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit."
      ...Q)) Verf. unbekannt
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    • Die Welt in Ordnung bringen
      Ein kleiner Junge kam zu seinem Vater und wollte mit ihm spielen.
      Der aber hatte keine Zeit für den Jungen und auch keine Lust zum Spiel.
      Also überlegte er, womit er den Knaben beschäftigen könnte.
      Er fand in einer Zeitschrift eine komplizierte und detailreiche Abbildung der Erde.
      Dieses Bild riss er aus und zerschnipselte es dann in viele kleine Teile.
      Das gab er dem Jungen und dachte,
      dass der nun mit diesem schwierigen Puzzle wohl eine ganze Zeit beschäftigt sei.
      Der Junge zog sich in eine Ecke zurück und begann mit dem Puzzle.
      Nach wenigen Minuten kam er zum Vater und zeigte ihm das fertig zusammengesetzte Bild.
      Der Vater konnte es kaum glauben und fragte seinen Sohn, wie er das geschafft habe.
      Das Kind sagte: “Ach, auf der Rückseite war ein Mensch abgebildet.
      Den habe ich richtig zusammengesetzt.
      Und als der Mensch in Ordnung war, war es auch die Welt.”
      .......Q))....Verf. unbekannt
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    • Brüderchen und Schwesterchen

      rüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und sprach: »Seit die Mutter tot ist, haben wir keine gute Stunde mehr; die Stiefmutter schlägt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr kommen, stößt sie uns mit den Füßen fort. Die harten Brotkrusten, die übrigbleiben, sind unsere Speise, und dem Hündlein unter dem Tisch geht's besser: Dem wirft sie doch manchmal einen guten Bissen zu. Daß Gott erbarm, wenn das unsere Mutter wüßte! Komm, wir wollen miteinander in die weite Welt gehen.« Sie gingen den ganzen Tag über Wiesen, Felder und Steine, und wenn es regnete, sprach das Schwesterchen: »Gott und unsere Herzen, die weinen zusammen!« Abends kamen sie in einen großen Wald und waren so müde von Jammer, Hunger und dem langen Weg, daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen.
      Am andern Morgen, als sie aufwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel und schien heiß in den Baum hinein. Da sprach das Brüderchen: »Schwesterchen, mich dürstet, wenn ich ein Brünnlein wüßte, ich ging und tränk einmal; ich mein, ich hört eins rauschen.«
      Brüderchen stand auf, nahm Schwesterchen an der Hand, und sie wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht.
      Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte, wie es im Rauschen sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Tiger, wer aus mir trinkt, wird ein Tiger.«
      Da rief das Schwesterchen: »Ich bitte dich, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein wildes Tier und zerreißest mich.«
      Das Brüderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte, und sprach: »Ich will warten bis zur nächsten Quelle. Als sie zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen, wie auch dieses sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Wolf, wer aus mir trinkt, wird ein Wolf!«
      Da rief das Schwesterchen: »Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf und frissest mich.«
      Das Brüderchen trank nicht und sprach: »Ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen, aber dann muß ich trinken, du magst sagen, was du willst; mein Durst ist gar zu groß.«
      Und als sie zum dritten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach: »Wer aus mir trinkt, wird ein Reh. Wer aus mir trinkt, wird ein Reh.«
      Das Schwesterchen sprach: »Ach, Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Reh und läufst mir fort.«
      Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein niedergekniet, hinabgebeugt und von dem Wasser getrunken, und wie die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen waren, lag es da als ein Rehkälbchen.
      Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte Brüderchen, und das Rehchen weinte auch und saß so traurig neben ihm. Da sprach das Mädchen endlich: »Sei still, liebes Rehchen, ich will dich ja nimmermehr verlassen.« Dann band es sein goldenes Strumpfband ab und tat es dem Rehchen um den Hals und rupfte Binsen und flocht ein weiches Seil daraus. Daran band es das Tierchen und führte es weiter und ging immer tiefer in den Wald hinein. Und als sie lange, lange gegangen waren, kamen sie endlich an ein kleines Haus, und das Mädchen schaute hinein, und weil es leer war, dachte es: Hier können wir bleiben und wohnen. Da suchte es dem Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager, und jeden Morgen ging es aus und sammelte sich Wurzeln, Beeren und Nüsse, und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit, das fraß es ihm aus der Hand, war vergnügt und spielte vor ihm herum. Abends, wenn Schwesterchen müde war, legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens, das war sein Kissen, darauf es sanft einschlief. Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt, es wäre ein herrliches Leben gewesen.
      Das dauerte eine Zeitlang, daß sie so allein in der Wildnis waren. Es trug sich aber zu, daß der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt. Da schallte das Hörnerblasen, Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger durch die Bäume, und das Rehlein hörte es und wäre gar zu gerne dabeigewesen.
      »Ach«, sprach es zum Schwesterlein, »laß mich hinaus auf die Jagd, ich kann's nicht länger mehr aushalten«, und bat so lange, bis es einwilligte.
      »Aber«, sprach es zu ihm, »komm mir ja abends wieder, vor den wilden Jägern schließ ich mein Türlein; und damit ich dich kenne, so klopf und sprich: Mein Schwesterlein, laß mich herein; und wenn du nicht so sprichst, so schließ ich mein Türlein nicht auf.« Nun sprang das Rehchen hinaus, und war ihm so wohl und war so lustig in freier Luft. Der König und seine Jäger sahen das schöne Tier und setzten ihm nach, aber sie konnten es nicht einholen, und wenn sie meinten, sie hätten es gewiß, da sprang es über das Gebüsch weg und war verschwunden. Als es dunkel ward, lief es zu dem Häuschen, klopfte und sprach: »Mein Schwesterlein, laß mich herein!« Da ward ihm die kleine Tür aufgetan, es sprang hinein und ruhte sich die ganze Nacht auf seinem weichen Lager aus.
      Am andern Morgen ging die Jagd von neuem an, und als das Rehlein wieder das Hifthorn hörte und das Hoho der Jäger, da hatte es keine Ruhe und sprach: »Schwesterchen, mach mir auf, ich muß hinaus.«
      Das Schwesterchen öffnete ihm die Türe und sprach: »Aber zu Abend mußt du wieder dasein und dein Sprüchlein sagen.« Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen, jagten sie ihm alle nach, aber es war ihnen zu schnell und behend. Das währte den ganzen Tag, endlich aber hatten es die Jäger abends umzingelt, und einer verwundete es ein wenig am Fuß, so daß es hinken mußte und langsam fortlief. Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen und hörte, wie es rief: »Mein Schwesterlein, laß mich herein«, und sah, daß die Tür ihm aufgetan und alsbald wieder zugeschlossen ward. Der Jäger behielt das alles wohl im Sinn, ging zum König und erzählte ihm, was er gesehen und gehört hatte. Da sprach der König: »Morgen soll noch einmal gejagt werden.«
      Das Schwesterchen aber erschrak gewaltig, als es sah, daß sein Rehkälbchen verwundet war. Es wusch ihm das Blut ab, legte Kräuter auf und sprach: »Geh auf dein Lager, lieb Rehchen, daß du wieder heil wirst.« Die Wunde aber war so gering, daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte. Und als es die Jagdlust wieder draußen hörte, sprach es: »Ich kann's nicht aushalten, ich muß dabeisein; so bald soll mich keiner kriegen.«
      Das Schwesterchen weinte und sprach: »Nun werden sie dich töten, und ich bin hier allein im Wald und bin verlassen von aller Welt; ich laß dich nicht hinaus.«
      »So sterb ich dir hier vor Betrübnis«, antwortete das Rehchen, »wenn ich das Hifthorn höre, so mein ich, ich müßt aus den Schuhen springen!«
      Da konnte das Schwesterchen nicht anders und schloß ihm mit schwerem Herzen die Tür auf, und das Rehchen sprang gesund und fröhlich in den Wald.
      Als es der König erblickte, sprach er zu seinen Jägern: »Nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht, aber daß ihm keiner etwas zuleide tut.« Sobald die Sonne untergegangen war, sprach der König zum Jäger: »Nun komm und zeige mir das Waldhäuschen.« Und als er vor dem Türlein war, klopfte er an und rief: »Lieb Schwesterlein, laß mich herein.« Da ging die Tür auf, und der König trat herein, und da stand ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keins gesehen hatte. Das Mädchen erschrak, als es sah, daß nicht sein Rehlein, sondern ein Mann hereinkam, der eine goldene Krone auf dem Haupt hatte. Aber der König sah es freundlich an, reichte ihm die Hand und sprach: »Willst du mit mir gehen auf mein Schloß und meine liebe Frau sein?«
      »Ach ja«, antwortete das Mädchen, »aber das Rehchen muß auch mit, das verlaß ich nicht.« Sprach der König: »Es soll bei dir bleiben, solange du lebst, und soll ihm an nichts fehlen.« Indem kam es hereingesprungen, da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil, nahm es selbst in die Hand und ging mit ihm aus dem Waldhäuschen fort.
    • Fortsetzung

      Der König nahm das schöne Mädchen auf sein Pferd und führte es in sein Schloß, wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde, und war es nun die Frau Königin, und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen; das Rehlein ward gehegt und gepflegt und sprang in dem Schloßgarten herum. Die böse Stiefmutter aber, um derentwillen die Kinder in die Welt hineingegangen waren, die meinte nicht anders, als Schwesterchen wäre von den wilden Tieren im Walde zerrissen worden und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern totgeschossen. Als sie nun hörte, daß sie so glücklich waren und es ihnen so wohl ging, da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege und ließen ihr keine Ruhe, und sie hatte keinen andern Gedanken, als wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte. Ihre rechte Tochter, die häßlich war wie die Nacht und nur ein Auge hatte, die machte ihr Vorwürfe und sprach: »Eine Königin zu werden, das Glück hätte mir gebührt.«
      »Sei nur still«, sagte die Alte, und sprach sie zufrieden, »wenn's Zeit ist, will ich schon bei der Hand sein.« Als nun die Zeit herangerückt war und die Königin ein schönes Knäblein zur Welt gebracht hatte und der König gerade auf der Jagd war, nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an, trat in die Stube, wo die Königin lag, und sprach zu der Kranken: »Kommt, das Bad ist fertig, das wird Euch wohltun und frische Kräfte geben; geschwind, eh es kalt wird.« Ihre Tochter war auch bei der Hand, sie trugen die schwache Königin in die Badstube und legten sie in die Wanne; dann schlossen sie die Tür ab und liefen davon. In der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht, daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte.
      Als das vollbracht war, nahm die Alte ihre Tochter, setzte ihr eine Haube auf und legte sie ins Bett an der Königin Stelle. Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin, nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wiedergeben. Damit es aber der König nicht merkte, mußte sie sich auf die Seite legen, wo sie kein Auge hatte. Am Abend, als er heimkam und hörte, daß ihm ein Söhnlein geboren war, freute er sich herzlich und wollte ans Bett seiner lieben Frau gehen und sehen, was sie machte. Da rief die Alte geschwind: »Beileibe, laßt die Vorhänge zu, die Königin darf noch nicht ins Licht sehen und muß Ruhe haben.« Der König ging zurück und wußte nicht, daß eine falsche Königin im Bette lag.
      Als es aber Mitternacht war und alles schlief, da sah die Kinderfrau, die in der Kinderstube neben der Wiege saß und allein noch wachte, wie die Türe aufging und die rechte Königin hereintrat. Sie nahm das Kind aus der Wiege, legte es in ihren Arm und gab ihm zu trinken. Dann schüttelte sie ihm sein Kißchen, legte es wieder hinein und deckte es mit dem Deckbettchen zu. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, ging in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Darauf ging sie ganz stillschweigend wieder zur Tür hinaus, und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wächter, ob jemand während der Nacht ins Schloß gegangen wäre, aber sie antworteten: »Nein, wir haben niemand gesehen.«
      So kam sie viele Nächte und sprach niemals ein Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht, jemand etwas davon zu sagen.
      Als nun so eine Zeit verflossen war, da hub die Königin in der Nacht an zu reden und sprach:
      »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
      Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr.«
      Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, ging sie zum König und erzählte ihm alles. Sprach der König: »Ach Gott, was ist das! Ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen.« Abends ging er in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach:
      »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
      Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.«
      Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich tat, ehe sie verschwand. Der König getraute sich nicht, sie anzureden, aber er wachte auch in der folgenden Nacht. Sie sprach abermals:
      »Was macht mein Kind? Was macht mein Reh?
      Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.«
      Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr und sprach: »Du kannst niemand anders sein als meine liebe Frau.«
      Da antwortete sie: »Ja, ich bin deine liebe Frau«, und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wiedererhalten, war frisch, rot und gesund. Darauf erzählte sie dem König den Frevel, den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr verübt hatten.
      Der König ließ beide vor Gericht führen, und es ward ihnen das Todesurteil gesprochen. Wie sie gerichtet waren, verwandelte sich das Rehkälbchen und erhielt seine menschliche Gestalt wieder; Brüderchen und Schwesterchen aber lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende.

      von den Brüder Grimm
    • Das Rebhuhn und die Hühner


      Ein Hühnerfreund kaufte ein Rebhuhn, um es in seinem Hof mit seinemandern Geflügel laufen zu lassen, allein die Hühner bissen und trieben es stets vom Fressen ab. Dies schmerzte das Tier sehr, denn es glaubte, es geschehe ihm diese Zurücksetzung, weil es fremd sei; betrübt zog es sich in einen Winkel zurück.
      Bald aber tröstete es sich, als es sah, dass sich die Hühner untereinander ebenso bissen und sprach zu sich: Wenn diese schlechten Tiere Feindseligkeiten sogar gegen sich selbst ausüben, so werde ich wohl eine solche Behandlung mit Gleichmut ertragen können.

      Geiz und Missgunst sind die größten Feinde des Friedens. (Äsop)

    • Wie der Weihnachtsmann einmal keine Lust mehr hatte

      Eines fernen Jahres kurz vor der Weihnachtszeit war es mal wieder so weit. Allmählich mußte sich der Weihnachtsmann wieder aufmachen, Geschenke besorgen und schön einpacken, um sie dann an die großen und kleinen Kinder in aller Welt zu verteilen. »Immer dasselbe, jedes Jahr muß ich mich abrackern! Wozu das ganze? Warum soll ich das alles machen? Können die Menschen das nicht selber? Tag und Nacht, ohne geregelte Arbeitszeit. Soll ich selbst an Wochenenden arbeiten? Ich habe bisher ja nicht gewagt mich zu beschweren, aber ich bin doch auch nicht mehr der jüngste!«grummelte er vor sich hin. Den Weihnachtsmann hatte so eine richtige Unlust befallen. »Nein«, sagte er sich, »das mach ich jetzt nicht mehr mit. Nicht mit mir! Jetzt ist ein für allemal Schluß damit. In diesem Jahr bleibt die Küche kalt, da gibt es eben mal keine Geschenke zu Weihnachten. Ich mache jetzt Urlaub. Das habe ich mir verdient!« So sprach er, setzte sich in seinen Rentierschlitten und düste damit ab durch die Lüfte auf eine einsame sonnige Insel im Süden.

      Die Tage gingen ins Land und so richtig bemerkte zuerst eigentlich niemand, daß der Weihnachtsmann nicht mehr da war. Der Briefträger schließlich wunderte sich darüber, daß der Briefkasten des Weihnachtsmanns immer mehr mit den zahlreichen Wunschzetteln der Kinder überquoll. Bald mußte er einen ganzen Sack Post neben dem Kasten lagern, doch kümmerte er sich dann auch nicht weiter darum. Schließlich war derartiges auch schon in den Jahren zuvor vorgekommen, wenn der Weihnachtsmann so mit dem Besorgen der Geschenke beschäftigt war, daß er einige Tage lang noch nicht einmal dazu kam, seine Post ins Haus zu holen.

      So richtig stutzig wurden erst die Scharen der Engel, als sie wenige Tage vor dem Fest die großen Körbe frisch gebackener Plätzchen anliefern wollten. Auf ihr wildes Klingeln rührte sich nichts im Hause. Dann bemerkten sie, daß sich eine dicke Schicht von Eisblumen an allen Fenstern gebildet hatte und außerdem kein Rauch aus dem Kamin stieg. Das ganze Haus war offenbar eiskalt. Merkwürdig! Da konnte irgend etwas nicht stimmen. Schnell wurde Petrus benachrichtigt, der buchstäblich aus allen Wolken fiel, als er die Nachricht vernahm, daß der Weihnachtsmann verschwunden sei. Er begleitete die Engel sofort zum Haus des Weihnachtsmanns, wo er die Tür nach langem Klopfen und Rütteln endlich aufbrach und das Haus zusammen mit einigen Engeln vom Keller bis zum Dachboden nach dem Weihnachtsmann absuchte. »Wo kann er denn nur abgeblieben sein«, überlegte Petrus laut, »er muß doch einfach hier sein!«. Andere Engel hatten währenddessen das Gelände weitläufiger abgesucht und kamen nun mit der Meldung zurück, daß auch der Schlitten samt Rentieren nicht aufzufinden sei.

      Wohl oder übel mußte Petrus das Unglück nun dem Herrgott beichten. Dieser war sehr erschrocken, kannte er den Weihnachtsmann doch bislang als einen überaus zuverlässigen Gehilfen. Aber anstatt ärgerlich zu werden, dachte er zunächst an das bevorstehende Weihnachtsfest: »Oh je, was wird denn dann ohne Geschenke werden? Das geht nicht. Wir müssen es trotzdem noch schaffen. Alle verfügbaren Engel sollen ausschwärmen und sich um die Geschenke kümmern!« Petrus gab die Botschaft sofort weiter, und so sputeten sich die Heerscharen der Engel und taten das Befohlene.

      Tatsächlich war am Heiligabend dank gewaltiger Anstrengungen alles geschafft. Und da der Herrgott noch schnell Knecht Ruprecht als Vertretung für den Weihnachtsmann berufen hatte, der sich also für diesen ausgab, bemerkten die meisten Menschen auf der Erde gar nicht, daß Weihnachten in diesem Jahr anders war als in den vergangenen Jahren. Einige kleine Kinder mochten tief in ihrem Innersten etwas spüren, doch konnten sie es nicht in Worten ausdrücken, so daß es ein Geheimnis blieb.

      Um Neujahr herum wurde es dem Weihnachtsmann auf seiner Südseeinsel zu langweilig, und er flog wieder mit seinem Schlitten zurück zu seinem Haus. Und sofort als man ihn erblickte, wurde er zum Herrgott bestellt. Dieser hörte sich zunächst die Klagen des Weihnachtsmanns an und fragte ihn danach nur vorsichtig, warum er sich denn nicht vorher mal gemeldet hätte. Der Weihnachtsmann war so verlegen, daß er keine Antwort wußte. Ihm kam die ganze Geschichte mit einem Mal fürchterlich dumm vor, und er schämte sich für sein Handeln und sagte, er wolle so etwas nie wieder tun. Der Herrgott verzieh ihm und beließ ihm Knecht Ruprecht, der viel Spaß an der Arbeit gefunden hatte, als Gehilfen, damit er ab und zu Pause machen könne.

      Zum Schluß ermahnte er ihn: Denke daran, ich habe dich berufen, damit du dich um die Geschenke kümmerst und nicht die Menschen. Du schenkst den Menschen dadurch an Weihnachten Zeit zur Besinnung auf das Eigentliche, auf das, was vor langer Zeit seinen Anfang nahm im Lichte eines Sterns.




    • Auf der Post
      von Anton Tschechow

      Nachdem wir die junge und hübsche Frau unseres alten Postmeisters Sladkoperzew beerdigt hatten, begaben wir uns in das Postgebäude, um dort nach der Sitte unserer Altvordern das Leichenmahl zu begehen.
      Als die traditionellen Pfannkuchen serviert waren, begann der alte Witwer bitter zu weinen und sagte:
      »Die Pfannkuchen sind ebenso rotbackig, wie meine Selige es war. Ganz so schön, wie sie . . .«
      »Ja«, stimmten die Gäste bei, »sie war wirklich eine Schönheit ersten Ranges, eine Frau.. .«
      »Ja . . . Sie wurde von allen bewundert . . . Aber, meine Herren, nicht wegen ihrer Schönheit und ihres sanften Charakters liebte ich sie. Diese beiden Eigenschaften sind mehr oder weniger dem ganzen weiblichen Geschlecht eigentümlich, und man begegnet ihnen nicht so selten unter dem Monde. Ich liebte sie wegen einer anderen Seeleneigenschaft. Und zwar: ich liebte die Entschlafene, Gott habe sie selig, dafür, daß sie, trotz der Heiterkeit und Lebhaftigkeit ihres Temperaments, ihrem Manne treu war. Sie war mir treu, obgleich sie erst zwanzig Jahre zählte, während ich bald schon in die Sechziger komme! Sie war mir altem Manne treu!«
      Der Djakon, der mit uns speiste, gab durch ein vielsagendes Räuspern und Husten seinem Zweifel Ausdruck.
      »Sie glauben es also nicht?« wandte sich der Witwer an ihn.
      »Nein, nicht daß ich es nicht glaube . . .« stammelte der Djakon verlegen. »Aber . . . Ich meinte nur überhaupt, die jungen Frauen seien heutzutage etwas zu . . . Rendez-vous, Chambres séparées . . .«
      »Sie zweifeln daran, und ich will es Ihnen beweisen! Ich unterhielt in ihr die Treue durch verschiedene Mittel, sozusagen durch Fortifikations- und strategische Künste. Bei meinen Maßregeln und bei meiner Schlauheit konnte meine Frau mich in keinem Fall betrügen. Ich benutzte zur Sicherung meines ehelichen Lagers die List. Ich kenne so einige Worte, gewissermaßen Parolen . . . Ich brauche diese Worte nur zu sagen und kann dann unbesorgt um die eheliche Treue schlafen . . .«
      »Was sind denn das für Worte?«
      »Die allereinfachsten . . . Ich verbreitete in der Stadt ein böses Gerücht. Sie werden dieses Gerücht recht gut kennen. Ich erzählte jedem: ›Meine Frau Aljona lebt mit unserem Polizeimeister Iwan Alexejewitsch Salichwatskij‹. Diese Worte genügten. Kein Mensch wagte es, Aljona den Hof zu machen, denn jeder fürchtete den Zorn des Polizeimeisters. Ja . . . Sobald sie nur in Sicht war, liefen die Leute davon, damit nur ja nicht Salichwatskij irgend einen Verdacht schöpfe. He-he-he . . . Mit diesem schnauzbärtigen Teufel braucht man ja nur anzubinden, um seines Lebens nicht froh zu werden, fünf Protokolle setzt er einem auf, wegen antisanitärer Vergehen und was nicht noch . . . Sieht zum Beispiel Deine Katze auf der Straße, und setzt Dir ein Protokoll auf, als wäre es sich ohne Aufsicht umhertreibendes Vieh . . .«
      »Also Ihre Frau lebte garnicht mit Iwan Alexejewitsch?« gaben wir unserer Verwunderung in etwas gedehnter Weise Ausdruck.
      »Nein . . . Das war nur meine List . . . He-he-he . . . Na, hatte ich Euch nicht gut genasführt, Ihr jungen Herren? Das war’s eben . . .«
      Es vergingen etwa drei Minuten in Schweigen. Wir saßen da und sprachen kein Wort. Wir waren gekränkt und schämten uns, daß uns dieser dicke, rotnasige Alte auf so schlaue Weise hintergangen hatte.
      »Na, wenn’s Gott giebt, können Sie ja noch einmal heiraten!« brummte der Djakon.
    • Der kleine Muck
      (Kurzfassung nach dem Märchen von Wilhelm Hauff 'Die Geschichte vom kleinen Muck')

      Der kleine Muck war noch nicht sehr alt, als sein Vater starb. Das einzige, was er von seinem Vater erbte, waren dessen Kleider. Weil sie ihm zu groß waren, schnitt er sie kürzer. Dann zog er aus, um sein Glück zu suchen. Müde und hungrig erreichte er abends eine Stadt.
      Dort hörte er, wie eine alte Frau aus dem Fenster rief: "Herbei, herbei, gekocht ist der Brei!" Der kleine Muck ging in das Haus.
      Doch er war nicht gemeint, sondern nur Hunde und Katzen. Dennoch gab die Alte auch ihm zu essen. Sie gab ihm sogar noch eine Anstellung. Nun musste der kleine Muck verwöhnte Katzen und Hund versorgen.

      Eines Tages entdeckte er eine geheime Kammer im Haus der alten Frau. Da fiel ihm eine kostbare Vase hinunter. Schnell griff er sich ein Stöcklein und ein Paar Pantoffeln und floh. In Windeseile trugen ihn die Pantoffeln davon. Mühsam brachte er sie zum Halten, sank nieder und schlief ein.
      Im Traum erschien ihm ein Hündlein. Es erklärte ihm das Geheimnis des Stöckchens und der Pantoffeln.

      Als er erwachte, wünschte er sich sofort in die nächste Stadt, und die Pantoffeln trugen ihn durch die Lüfte. Der kleine Muck ging in der Stadt zum Palast und bat dort um eine Stelle als Läufer. Er musste ein Wettrennen machen, das er gewann. So wurde er königlicher Leibläufer.

      Einige Zeit später fand er mit seinem Zauberstöckchen im Schlossgarten einen Goldschatz. Alsbald verteilte er großzügig das Gold, um sich Freunde zu verschaffen. Doch sein Reichtum erweckte nur Neid.

      Als er wieder einmal im Garten Gold ausgrub, wurde er beobachtet. Man beschuldigte ihn, das Gold gestohlen zu haben und warf ihn ins Gefängnis.

      Um sein Leben zu retten, verriet er dem König sein Geheimnis. Der probierte als erstes gleich die Pantoffeln aus. Dann verjagte er den kleinen Muck aus dem Palast und aus der Stadt.

      Unterwegs aß der kleine Muck Feigen und bekam davon Eselsohren und eine lange Nase. Als er dann Feigen von einem anderen Baum aß, wurden seine Ohren und seine Nase wieder so wie vorher.

      Da kam ihm eine Idee: Er verkleidete sich als Händler und verkaufte die Feigen an den Koch des Königs. Als der König die Feigen bekam, verteilte er sie großzügig an seinen Hofstaat. Da bekamen alle lange Nasen und Eselsohren.
      Als Arzt verkleidet ging der kleine Muck mit den anderen Feigen in den Palast und zeigte seine Heilkunst einem Prinzen. Auch der König wollte geheilt werden. Doch bevor der kleine Muck dies tat, wollte er sich etwas aus den Schätzen des Königs aussuchen. Er nahm sich seine Pantoffeln und das kleine Stöcklein, machte sich schnell damit aus dem Staube und dem König blieb die lange Nase und seine Eselsohren.


      von
      Die Märchenfee kommt und erzählt

      maerchenfee.info/8.html




    • ein märchen hab ich noch gefunden


      Dornröschen (modern erzählt)

      Das muss ein ziemlich nobler Schuppen gewesen sein, wo die die Taufe gefestet haben. Mit dem Kind das hatte am Anfang nicht so richtig geklappt. Vielleicht war die Dame schon zu alt oder mit den Hormonen hat was nicht gestimmt. Jedenfalls war jetzt alles unheimlich happy und liess so richtig die Sau raus. Unheimlich viele People waren eingeladen, aber eine von den Tanten hatte se wieder ausgeladen, weil sie kein Geschirr mehr fuer die hatten. Und wie das mit der Verwandtschaft so ist, die alte Schachtel war wohl unheimlich sauer, hat nen ziemlichen Terror gemacht und rumgekeift: das Kind sollte sich, wenns 15 ist, an sonem spitzen Ding stechen und tot umfallen. Dann war ihr das wohl doch ein bisschen zu dicke und sie hat gesagt, nicht tot sondern nur 100 Jahre pennen sollte se. Und wie das Baby 15 war und so ne richtige heisse Biene, da latscht sie so durch den Nobelschuppen durch, ackern brauchte se ja nicht, weil die Alten so viel Kies an den Fuessen hatten. Da kommt sie an eine Tuer, die immer verrammelt war. Dahinter sass ne Alte, wahrscheinlich die von eben, und machte mit sonem Spinnrad rum. Irgendwie muss sie dann an ne Nadel gegriffelt haben, jedenfalls kippte sie aus den Latschen und pennte voll ein. Und der ganze uebrige Laden machte auch die Poofe. Um den Schuppen rum machte dann ein mords Gruenzeug dicht. Also unser Nachbar haette da ja einen unheimlichen Zoff wegen gemacht. Aber so reichen Peoplen, denen kann man ja nix wollen. Es kamen dann ziemlich viele starke Typen angeheizt, die scharf auf den Zahn waren und ihn abschleppen wollten. Die kamen nicht rein und machten die Muecke. Schliesslich kam ein unheimlich heisser Macker, der ein Sau-Glueck hatte, weil naemlich gerade die 100 Jahre gelaufen waren. Der kam durch das Gruenzeug wie nix, geht zur Couch, wo sich Teeny flezt, knutscht sie ordentlich, die wacht auf und der ganze uebrige Laden auch. Und zum Schluss haben die dann alle zusammen eine unheimlich heisse Fete abgezogen.


    • In einem Mittelmeerhafen liegt ein armer Fischer
      in der Mittagssonne auf der faulen Haut.
      Ein Tourist spricht ihn an
      und versucht ihn davon zu überzeugen lieber fischen zu gehen.
      " Warum ? " möchte der Fischer wissen."
      Um mehr Geld zu verdienen " entgegnete der Tourist.
      Eilig rechnet er vor wie viele zusätzliche Fischzüge den Fischer
      zu einem wohlhabenden Mann mit vielen Angestellten machen könnten.
      " Wozu ? " möchte der Fischer erneut wissen."
      Um so reich zu sein, dass man sich in Ruhe zurück lehnen
      und in die Sonne legen kann. " erklärt der Tourist.
      " Aber genau das kann ich doch auch jetzt "
      sagt der Fischer und schläft weiter.....©...Heinrich Böll
      Dateien
      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • Ankunft 21
      Eberhard Figlarek

      Die Kälte war spät gekommen in diesem Jahr. An einen wechselhaften und viel zu nassen Sommer hatte sich ein sehr schöner, sanfter Spätsommer angeschlossen, der in einen ebenso milden, ruhigen Herbst hinübergeglitten war. Stürme, die in manchen anderen Jahren schon im Oktober das Land gebeutelt hatten, waren ausgeblieben, so dass die Wälder und Parks bis weit in den November
      hinein in der bunten Pracht ihres herbstlich gefärbten Laubes strahlten. Dann aber ließ die Kraft der Bäume nach. Die wenigen Blätter, die sich nicht von selbst verloren, riss ihnen der Wind von den Zweigen, und jetzt, im Dezember, sahen sie sehr mitleiderregend aus, wie sie so kahl und nackt in der Kälte standen.

      Denn die Temperatur war sehr plötzlich und sehr tief gesunken, was die Menschen in der Stadt überrascht hatte. Sie hatten sich an die wenngleich ungewöhnliche, so doch angenehm milde Witterung selbst noch zur Wintersonnenwende gewöhnt, und der ausgebliebene Schneefall hatte sie den Winter offensichtlich vergessen lassen.

      Zumindest bei der jungen Frau schien das der Fall zu sein, die am späten Abend eines dieser frostigen Tage auf einer wenig belebten Vorstadtstraße in Richtung Stadtrand ging. Sie trug ein boleroartiges Jäckchen aus rotem Kunstleder, dazu einen engen, viel zu kurzen Rock aus ähnlichem Material, unter dem heraus zwei dünne Blutfäden über ihre Beine herabrannen. Sie fror. Dennoch ging sie ziemlich langsam, was aber nicht allein auf ihre hochhackigen Schuhe mit den überaus schmalen Absätzen zurückzuführen war; jeder Schritt schien ihr Schmerzen zu bereiten, worauf ein häufiges krampfartiges Zucken ihres Leibes hindeutete, was sie trotz aller innerer Gegenwehr nicht zu unterdrücken vermochte.

      Aber nicht das allein war der Grund für ihre gebückte Haltung, die sie mit unsicherem Schritt nur langsam vorankommen ließ. Die Frau hielt ein Bündel zusammengewickelter wollener Tücher in ihren Armen, das sie eng an ihren Körper presste, wobei sie immer wieder daran herumzog und - zupfte, wohl aus der Sorge, daß sich die Tücher lösen und auseinanderfallen könnten. Schon bei dem Gedanken daran, daß dann ihr Baby schutzlos der durchdringenden Kälte ausgeliefert wäre, bekam sie feuchte Augen. Und immer dann, wenn aus der Tiefe der schützenden wollenen Hülle das dünne Quäken eines fiepsigen Stimmchens zu hören war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

      So weinend und von Schmerzen geplagt ging, nein hinkte sie den schlecht beleuchteten Gehweg entlang, immer bemüht, der Straße möglichst nahe zu sein.

      Dort nämlich konnte sie noch ein wenig das breitstrahlige Scheinwerferlicht eines Autos ausnutzen, das, um mit ihr auf gleicher Höhe zu bleiben, schon geraume Zeit im Schritttempo neben ihr fuhr und ihr so einigermaßen leidlich den Weg wies.

      Der Wagen war ein noch halbwegs gut erhaltenes amerikanisches Fabrikat früherer Jahre, der Mann am Steuer nur wenig älter als die Frau auf dem Fußweg und im Gegensatz zu dieser auch passender zur Jahreszeit gekleidet, wenn auch im Stil einer übertriebenen, beinahe schon kitschig wirkenden Modernität. Was ihn mit der Frau auf dem Fußweg verband, war auf den ersten Blick nicht erkennbar.

      Der Mann hatte die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite heruntergelassen und knurrte der Frau ein barsches “Kannst du vielleicht endlich mal ein paar Schritte zulegen? Mein Gott, nun trödel doch bloß nicht so herum!” zu.

      Die Frau trat dicht an das Auto: “Sepp, kannst du uns denn nicht mit herein nehmen? Es ist doch so kalt” bat sie mit zittriger Stimme.

      “Nachher auf der Rückfahrt, wenn du das Balg los bist, “wies der mit Sepp Angesprochene sie zurück.

      Wieder schoss ihr ein Schwall Tränen in die Augen: “Meinst du denn wirklich, daß ich’s tun muss? Vielleicht könnt’ ich’s doch
      behalten ...”

      “ ... und lieber Windeln waschen, anstatt zu arbeiten, wie?”
      fuhr ihr der Mann über den Mund. “Nee, nee, das schmink’ dir mal schön ab.”

      “Aber Sepp,”
      schluchzte die Frau, “es ist doch auch dein Kind.”

      Der Mann tippte ein wenig mehr auf das Gaspedal und fuhr der Frau langsam davon. Allerdings nur bis zur nächsten Straßenlaterne, unter der er den Wagen abstellte und verließ. Gelassen ging er den Weg zurück, der Frau entgegen. Groß und angsteinflößend wirkte er, als er sich ihr in den Weg stellte. Er schob seinen Zeigefinger unter ihr Kinn, drückte ihren Kopf nach oben, und betont leise - aber mit drohendem Unterton in der Stimme - herrschte er sie an:

      “Jetzt will ich dir mal was sagen, du kleines Miststück! Da läßt du dich jeden Tag von einem Dutzend Freier vögeln - und jetzt willst du mir dein Balg unterschieben?! Ja, für wie blöde hälst du mich denn?! Diesen Scheißdreck, den du mir da vorhin erzählt hast, will ich nie mehr hören, nie mehr - hast du mich verstanden?!

      Und schlug ihr bei den letzten Worten zweimal mit dem Handrücken ins Gesicht - nicht gerade brutal, aber immerhin derb genug, daß ihr ein dünnes Rinnsal Blut aus der Nase schoss, über Lippen und Kinn rann und auf das Wollbündel tropfte, das die Frau jetzt immer krampfhafter umklammerte.

      “Du kannst froh sein, daß du es da draußen abgeben kannst”, fuhr der Mann fort, “und nicht hier ...” - wobei er auf ein paar Müllcontainer zeigte, die vor einer Toreinfahrt standen.

      Die Frau hatte vergeblich versucht, sich das Blut, das sich mit ihren Tränen vermischt hatte, aus dem Gesicht zu wischen.

      “So kannst du da nicht hingehen,” sagte der Mann, “wenn du so gesehen wirst, denken die gleich sonstwas. Anziehend siehst du jetzt nicht gerade aus - eher wie eine bloody Mary!” Und er lachte lauthals über den aus seiner Sicht gelungenen Wortwitz. Dann steckte er ihr ein paar Papiertaschentücher zu:

      “Da, mach dich sauber. Und dann bitt´ ich mir Beeilung aus!”


      Mit schnellen Schritten ging er zurück zu seinem Auto, aber gerade, als er die Tür öffnen wollte, sah er sich plötzlich einem Schwarzafrikaner in dunkler Kluft und mit gestrickter Rollmütze gegenüber, der unbemerkt aus der Finsternis der hereinbrechenden Nacht vor ihm aufgetaucht war.

      “Haben sie einen Euro für einen Arbeitslosen?” bat er mit kehliger Stimme.

      “Such dir einen Job, dann verdienst du auch Geld” knurrte ihn der Mann an, schob ihn zur Seite, stieg ein und fuhr langsam der Frau nach, die inzwischen an ihm vorüber und ihren Weg weitergegangen war.

      Der Schwarze ging zurück zu der Toreinfahrt, von der er wusste, daß sie häufig Leuten, die im Leben noch weiter abgerutscht waren als er, als Nachtlager diente. Wer nicht nur arbeitslos war wie er, sondern dazu noch alt, gebrechlich und ohne ein Dach über dem Kopf, der fand hier, in einer Häuserdurchfahrt, deren abgelegenen, verwinkelten Ecken selbst vom kältesten Nordwind nicht erreicht wurden, eine geschützte Stelle, die ihn die harten Winternächte überstehen ließ.

      Der Afrikaner brauchte nicht lange, bis er die beiden, die er suchte, gefunden hatte. Sie waren eben dabei, sich für die Nacht einzurichten, mit zerschlissenen Tüchern, alten Zeitungen und Pappkartons, die ihnen Ersatz waren für Himmelbett und Daunendecken. Als ihnen aber der Schwarze erzählte, welch eigentümlichem Paar er über den Weg gelaufen war, was sich abgespielt hatte zwischen der Frau und dem Mann, und daß ihm die Sache nicht ganz geheuer sei - da ließen sich die beiden Berber nicht lange bitten. Sie legten ihre wenigsten Habseligkeiten übereinander - wissend, daß nichts abhanden kommen würde bis zu ihrer Rückkehr - und folgten zusammen mit dem Schwarzen in einiger Entfernung dem ungleichen Paar.

      Das hatte schon bald die letzten Häuser der kleinen Stadt hinter sich gelassen. An einer eingezäunten Weidefläche gingen sie vorüber, von wo aus sie ein paar magere Kühe und Ochsen sowie ein dürrer, schäbiger Esel mit ausdruckslosen Augen anstarrten.
    • Fortsetzung
      Hier draußen gab es keine Straßenbeleuchtung mehr. Nur der sich langsam vorwärtsbewegende Lichtkegel des Autoscheinwerfers wies der Frau mit dem Kind und dem Mann im Auto den Weg.

      Zwischen den beiden fiel kein Wort mehr. Sie hatten nicht mehr lange zu gehen, bis ihnen aus der Dunkelheit der Nacht ein in ein lichtes Waldstück eingebetteter Gebäudekomplex entgegenleuchtete.
      BETHLEHEM - STIFT stand in weithin sichtbaren
      Neon-Buchstaben auf der Fassade, darüber strahlte das große rote Kreuz. Sie waren am Ziel.

      Einige Meter vor dem breiten Eingang, in dessen gläsernen Schiebetüren sich das Licht der Laternen brach, die den Vorplatz erhellten, war in der
      Gebäudefront in Brusthöhe eine metallene Klappe eingearbeitet, mit einer bescheidenen Ampel darüber, die aber ausreichte, um die Schrift darauf auch in der Nacht gut lesen zu können: Babys willkommen.
      Dort hatte der Mann sein Auto wieder angehalten, war ausgestiegen und zu der Frau gegangen, die sich zitternd und weinend an die Hauswand lehnte.

      “Also”, sagte er und machte mit dem Kopf eine Bewegung in Richtung der Klappe.

      Sepp ...”, schluchzte die Frau und machte zögernd einen Schritt auf ihn zu.

      Der Mann fasste sie an den Schultern, drehte sie herum, und nun, da er hinter ihr stand, schob er sie unnachgiebig vor sich her, die wenigen Schritte bis hin zur Klappe. Er hob den Deckel an und sagte wieder nur: “Also ...” Diesmal klang es aber schon fast wie ein Befehl. Da legte die Frau ihr Kind unter Tränen in die Klappe, und obwohl der Mann sie sehr schnell schloss, hörte sie noch, wie ihr Baby hilflos und ängstlich zu schreien begann. Aber im gleichen Moment wurde ihr bewusst, daß sie ihm nicht mehr helfen konnte. Sie war nicht mehr seine Mutter. Sie hatte es soeben weggegeben. Der Mann, der noch sein Vater war, hatte es so gewollt.

      Zitternd vor Kälte und Schmerz und hemmungslos weinend stand sie an der Mauer, keines Gedanken fähig und schon gar keiner Bewegung.

      Mit derbem Griff fasste der Mann ihr Handgelenk. “Komm jetzt, “ sagte er, “und hör endlich auf zu heulen.” Und er zerrte sie vom Haus weg, zur Straße hin, wo sein Auto stand.

      Auf dem Weg dorthin begegneten sie den drei Männern, die ihrem Weg gefolgt waren. Aber wiewohl der Mann den Schwarzen wiedererkannte, würdigte er die kleine Gruppe keines Blickes, die auch ihrerseits dem Paar keine Beachtung schenkte. Und während der Mann und die Frau in das Auto stiegen und in der Dunkelheit der Nacht verschwanden, gingen die drei auf den hell erleuchteten Eingang des Krankenhauses zu, und als dessen gläserne Türen wie von einer unsichtbaren Kraft zur Seite geschoben wurden, standen sie mit einem Mal vor der großen modernen Rezeptionstheke, hinter der eine Angestellte in freundlicher Korrektheit ihren Dienst versah.

      Die wusste zunächst einmal nichts mit der ungewöhnlichen Besuchergruppe anzufangen, denn alle drei redeten gleichzeitig ungestüm auf die Frau ein, gestikulierten aufgeregt herum und zeigten immer wieder nach draußen, so, als ob sie die Frau hinter der Theke bewegen wollten, ihnen ins Freie zu folgen. Als diese aber endlich herausgefunden hatte, worum es den späten Gästen ging, wies sie sie freundlich aber bestimmt zurück, mit einer Bewegung, die wohl ausdrücken sollte, sie wisse schon Bescheid und die drei Männer könnten unbesorgt wieder gehen. Die aber ließen sich nicht abweisen und redeten weiterhin erregt, wenn auch nunmehr eher bittend, auf die Angestellte ein.

      Der Disput wurde erst beendet, als eine Krankenschwester aus einem Seitenflügel geeilt kam, mit einem Bündel wollener, blutbefleckter Tücher im Arm.

      “Frau Engel, Frau Engel, “ rief sie der Frau hinter der Tafel atemlos zu.

      Die erschrak: “Schwester Angela, was ist denn ...”

      “Wir haben ein Findelkind”,
      unterbrach sie die Schwester, “schnell, rufen sie Dr. Hirt herunter, es muss doch untersucht werden.”

      Während die Frau nach dem Arzt telefonierte, waren die drei Männer herangetreten zu der Schwester, die das Kind im Arm hielt, dessentwegen sie hierher gekommen waren.

      Von dem war nur das winzige, knittrige Gesichtchen unter den Wolldecken zu sehen. Offensichtlich hatte es sich all seine Angst aus dem Leibe geschrien, denn nun lag es still und sanft und friedlich in Schwester Angelas Armen und schien zu schlafen.

      Der Dunkelhäutige kramte in den Taschen seiner Jobbe, bis er schließlich gefunden hatte, was er suchte: ein billiges, aus dünnen Messingblech gestanztes Kreuz. Das legte er dem Kind auf die Decke.

      Auch die beiden anderen Männer hatten in ihren abgewetzten Jacken nach etwas Schenkbarem gesucht, und einer von ihnen hatte eine kleine, schon halb abgebrannte Kerze gefunden. Die legte er auch dem Kind auf die Decke.

      Der dritte aber, der nicht fündig geworden war in seinen Jackentaschen, ging zu der Bodenvase, die, mit Tannen - und Mistelreisern bestückt, das Foyer des Krankenhauses schmückte, brach einen kleinen Mistelzweig ab und legte ihn ebenfalls dem Kind auf die Decke.

      In der Stadt begannen die Kirchenglocken zu läuten. Durch die Kälte der Nacht klangen die hellen, klaren Töne weit über die Stadt hin, selbst bis hier heraus.

      Es war Weihnachten.
    • Die Geschichte vom kleinen Tannenbaum

      Ein kleiner Tannenbaum stand traurig im Wald. Es war kurz vor Heiligabend, die Leute aus dem Dorf hatten sich schon alle einen Tannenbaum aus dem Wald geholt. Nur ihn wollte niemand, traurig ließ er seine Nadeln hängen. Er hatte sich so bemüht, die Menschen auf sich aufmerksam zu machen, nichts, alles vergebens. Dabei wollt er doch auch einmal am Heiligabend so schön geschmückt werden, er wollte so gerne ein Christbaum sein.
      Neben ihm stand eine uralte Kiefer. Traurig fragte das Tannenbäumchen die Kiefer: “Sag”, bin ich denn so hässlich, dass mich niemand haben will?”
      Die alte Kiefer streichelte die kleine Tanne ganz lieb und brummte:
      “Nein, du bist wunderschön. Aber sei froh, dass dich niemand haben will. Du erlebst zwar wunderschöne Tage, dann ist alles vorbei und dein Leben ist zu Ende.”
      Die kleine Tanne war trotzdem traurig, zu groß war der Wunsch, ein Christbaum zu sein, egal, was danach kam.
      Plötzlich sah die Tanne einen Mann mit einem kleinen Mädchen, die sich suchend umsahen. Die kleine Tanne stellte ihre Nadeln auf, reckte und streckte sich, in der Hoffnung, dass das kleine Mädchen sie erblicken würde. Das Mädchen lief auf die Tanne zu und sagte zu ihrem Papa. “Schau, die möchte ich haben!” Der Vater besah sich die kleine Tanne und nickte zufrieden. Ein bisschen Angst hatte die kleine Tanne nun doch, hatte ihr doch die Kiefer erzählt, dass man mit einer großen Axt auf sie einschlagen würde. Aber nein, der Mann holte einen Spaten aus einem Sack und sie gruben die kleine Tanne mit ihren Wurzeln aus.
      Dann ging die Reise los. Zuhause angekommen, holte der Mann einen großen Blumentopf hervor und pflanzte die Tanne dort ein.
      Am Heiligabend holte der Mann die Tanne ins Wohnzimmer. Er schmückte sie zusammen mit seiner Tochter. Die Tanne war überwältigt, war das schön! Jetzt behängte man sie mit bunten Kugeln, Lametta, Engelshaar und einer strahlenden Lichterkette. Sie schwebte im siebenten Himmel. Das kleine Mädchen tanzte um die Tanne herum und war überglücklich. Dann kam der Weihnachtsmann. Das erste, was er sagte, war: “Was habt ihr für ein wunderschönes Christbäumchen!”
      So verbrachte die kleine Tanne bis ins neue Jahr im Wohnzimmer, wurde von allen bewundert, die sie zu Gesicht bekamen.
      Dann wurde sie abgeschmückt und der Mann trug sie in den Garten und pflanzte sie ein. Dort wartete sie bis zum nächsten Heiligabend.
      Es kam die Zeit, da war die kleine Tanne zu groß, dass sie nicht mehr ins Wohnzimmer passte. Das Mädchen war inzwischen fast erwachsen. Ihre Tanne hat sie dann jedes Jahr im Garten geschmückt und so wird es bleiben, bis, ja, bis ... ?

      © Ilona Ehrke
    • Die zwei Wölfe
      Schweigend saß der Cherokee Großvater mit seinem Enkel am Lagerfeuer
      und schaute nachdenklich in die Flammen.
      Die Bäume um sie herum warfen schaurige Schatten,
      das Feuer knackte und die Flammen loderten in den Himmel.
      Nach einiger Zeit meinte der Großvater: „Flammenlicht und Dunkelheit,
      wie die zwei Wölfe, die in unseren Herzen wohnen“.
      Fragend schaute ihn der Enkel an. Da sprach der alte Cherokee weiter:
      Zwischen beiden Wölfen findet ein ewiger Kampf statt,
      denn der schwarze Wolf ist Zorn, Angst, Hass, Gier, Neid und Groll.
      Der weiße Wolf ist Freude, Friede, Liebe, Großzügigkeit und Freundlichkeit.
      Dieser Kampf zwischen den beiden findet in jedem vom uns statt.“
      Der Enkel dachte nach, dann fragte er seinen Großvater: „Großvater, welcher Wolf gewinnt?“
      Da antwortete der alte Cherokee: „Es gewinnt der Wolf, den du fütterst!“

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