Frage zu Zeitüberschreitung (FIDE)

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    • Frage zu Zeitüberschreitung (FIDE)

      Hallo zusammen,
      gestern hatte ich bei einem Turnier einen sehr ärgerlichen Streitfall. Bei diesem Turnier spielen wir als Bedenkzeit "Fischer kurz" ( also 90 Minute für 40 Züge dann 15 Minuten für den Rest zuzüglich 30 Sekunden pro Zug). Vor der ersten Zeitkontrolle ist es wohl zu einer Zeitüberschreitung gekommen, die aber von keinem Spieler bemerkt wurde. Jedenfalls ist einem Schiedsrichter aufgefallen, dass wir nach 4 Stnden Spielzeit erst 38 Züge gespielt hatten und beide noch etwa 5 Minuten Zeit hatten (eigentlich muss ja spätestens nach 3:40 Stunden der 40. Zug errreicht sein). Er hat dann aber nichts weiter unternommen. Nach dem 40. Zug hatte ich noch 2 Minuten Zeit, die ich im 43. Zug dann habe ablaufen lassen, weil ich dachte dass ich noch 15 Minuten dazubekomme. Mein Gegner hat sofort auf Zeitüberschreitung reklamiert und die Partie wurde für mich als verloren erklärt. Eine Entscheidung die ich sehr ärgerlich finde, denn meiner Meinung nach hätte die Partie nach der Zeitkontrolle gar nicht mehr weiterlaufen dürfen, da davor ja schon eine Zeitüberschreitung stattgefunden hatte. Es kann ja gut sein dass die Zeit von meinem Gegner überschritten wurde und eigentlich ich die Partie hätte gewinnen müssen. Ausserdem finde ich das Verhalten des Schiedsrichters fragwürdig, denn wenn der in einer Partie den Verdacht hat dass ein Spieler die Zeit überschritten hat, müsste er meiner Meinung nach eingreifen und überprüfen, ob das so ist. Jetzt interessiert mich, was die Regeln zu so einem Fall sagen und ob es bei einer elektronischen Uhr im Nachhinein möglich ist festzustellen, wer die Zeit zuerst überschritten hat. Denn dann wäre ja die Argumentation "wir wissen nicht wer vor der Zeitkontrolle die Zeit überschritten hat, aber nach der Zeitkontrolle warst Du es" hinfällig. Danke für die Hilfe.
    • Wenn der Schiedsrichter eine Zeitüberschreitung bemerkt, dann muss er auch ohne Reklamation der Spieler tätig werden.
      Das hat er unterlassen. Das war also ein Fehler des Schiedsrichters. Wenn nicht mehr zu ermitteln ist, welcher Spieler
      zuerst die Zeit überschritten hat und beide Blättchen sind gefallen, ist die Partie remis. Anschließend seid Ihr über den
      40 Zug gekommen und Du hast dann auf Zeit verloren. Die Reklamation Deines Gegners an dieser Stelle war rechtens.
      Nicht rechtens war, dass Ihr den 43. Zug überhaupt erreicht habt.

      Die elektronische Uhr zeigt an, welches Blättchen gefallen ist, diese Anzeige verschwindet aber irgendwann wieder.
      Nehm Die mal die Zeit und guck mal zu, wie das aussieht, wenn eine Uhr abläuft.

      Zu Deinem Partieergebnis: Wenns eine wichtige Partie ist, dann probier mal einen Protest mit der Begründung, der Schiri
      hätte die Partie vor dem 40. remis geben müssen. Viel Erfolg!
    • strogoff hat nicht mehr Recht. Bis zum 01.07.2017 waren die Regeln genau so, wie strogoff es beschrieben hat.
      Die Regel mit dem beidseitigen Blättchenfall ist aber seit dem 01.07.17 gestrichen und zwar ersatzlos.
      Es gibt die Regel noch in den Richtlinien, wenn klassische Bedenkzeit verwendet wird.

      Die FIDE geht davon aus, dass es jeder Schiedsrichter in den fünf Minuten, in denen die digitalen Uhren das anzeigen, schafft einmal den Blättchenfall an jedem Brett zu kontrollieren, wenn die Spieler es nicht selbst machen.
      Hier hat der Schiedsrichter also versagt.

      OK, jetzt ist das passiert, was nicht passieren soll. Die Bedenkzeit ist abgelaufen und es ist nicht mehr erkennbar, welches Blättchen zuerst gefallen ist.

      Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten zu entscheiden.

      1. Der Schiedsrichter entscheidet nach dem Wortlaut der Regeln:
      6.9
      Außer in den Fällen, die durch einen der Artikel 5.1.1, 5.1.2, 5.2.1, 5.2.2, 5.2.3 erfasst werden, gilt, dass ein Spieler seine Partie verloren hat, wenn er die vorgeschriebene
      Anzahl von Zügen in der zugewiesenen Zeit nicht abgeschlossen hat. Die Partie is tjedoch remis, wenn eine Stellung entstanden ist, aus der herauses dem Gegner nicht
      möglich ist, den König des Spielers durch eine beliebige Folge regelgemäßer Züge matt zu setzen.

      Hat weiß die erforderliche Anzahl an Zügen erreicht? Nein! Also hat weiß verloren.
      Hat schwarz die erforderliche Anzahl an Zügen erreicht? Nein! Also hat schwarz verloren.
      Ergebnis 0:0 und Partieende

      Ich würde mir diese Blöse aber nicht geben. Erst die Zeitnot verpennen und dann die Partie 0:0 werten.

      Daher würde ich ähnlich wie der Schiedsrichter nach einer anwendbaren Analogie suchen. Und diese hier finden:
      Richtlinien III Partien ohne Zeitinkrement einschließlich Endspurtphase
      ...
      III.3.1 Wenn beide Fallblättchen gefallen sind, aber nicht feststellbar ist, welches zuerst,
      III.3.1.1 wird die Partie fortgesetzt, falls dies in einer beliebigen Zeitperiode außer der letzten
      geschieht;...

      Grüße Daniel
    • Hallo zusammen,
      danke für die vielen Antworten. Nachträglicher Einspruch gegen die Entscheidung macht in dem Fall (unabhängig von denErfolgsaussichten) wenig Sinn. Die Partie wurde ineinem Open gespielt das heute zu Ende geht und wir gewinnen beiie keinen Geldpreis. Also könnte ein Protest höchstens die DWZ/Elodauswertung beienflussen. Und da ist mir der Aufwand zu groß.
      Wenn ich etwas hätte erreichen wolen, dann direkt nach der Partie. Aber da war mir nicht klar, dass eindeutig beide Spieler vor der Zeitkontroll die Bedenkzeit überschritten hatten.
      Was mich nur ärgert ist, dass mein Gegner jetzt die Partie gewinnt, obwohl höchstwahrscheinlich er zuerst die Zeit überschritten hat. Der wusste nämlich sehr genau, dass wir vor dem 40. Zug die 15 Minuten dazu bekommen haben und hat nicht reklamiert. Dafür hat er am Schluss um s heftiger auf seinen Sieg bestanden (der Schiedsrichter wollte zuerst mit 15 Minuten Zusatzzeit weiterspiielen lassen). Und dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung: Der hat vor der Zeitkontrolle den Mund gehalten, weil er sonst selbst verloren hätte.

      Viele Grüße
      Claus
    • Naja, ein bisschen Selbstverantwortung wäre hier bestimmt passend.

      Wenn ich in Zeitnot bin oder mein Gegner es ist, dann schaue ich gerade bei Inkrementzeiten schon regelmäßig (sprich nach jedem Zug) auf die Uhr.
      Mir würde so etwas also auch als Spieler nicht passieren.

      Weithin hätte ich anstelle deines Gegners auch auf den Sieg bestanden, wenn die Uhr richtig gestellt wurde und zwar unabhängig davon wer die Platte jetzt beim ersten mal gerissen hat.
      Deine Zeit ist abgelaufen, warum genau soll ich weiterspielen? Was hat dein Gegner falsch gemacht, was deine Forderung rechtfertigt?

      Ich meine, ich kann sogar anhand des Regeltextes beweisen, dass sein Blatt nicht zuerst gefallen ist:


      6.8
      Das Fallblättchen gilt als gefallen, wenn der Schiedsrichter dies beobachtet oder einer
      der Spieler zu Recht darauf hingewiesen hat.

      Wir stellen fest: Kein Spieler hat auf ein gefallenes Blättchen hingewiesen.
      Als der Schiedsrichter es beobachtet hat, waren beide unten und erst in dem Moment gelten sie als unten.
      Nun könnte die Uhr theoretisch noch anzeigen, welches Blatt zuerst unten war. Aber beide Spieler waren so unaufmerksam, dass diese fünf Minuten rum gegangen sind ohne das einer von beiden gezuckt hat.

      Dein Gegner hat also auf jeden Fall nach den Regeln nicht zuerst die Zeit überschritten.

      Den einzigen, den du für deine Niederlage verantwortlich machen kannst, bist du selbst.

      Achso, noch ein kurzer praktischer Tip:
      Im Anhang siehst du einen Ausschnitt meiner Partienotation.
      Du erkennst sicher schnell, warum mir so etwas nie passieren kann.
      WIN_20171125_09_45_54_Pro.jpg

      Grüße Daniel
    • Hallo Daniel,
      der Hinweis auf die fehlende Selbstverantwortung ist prinzipiell schon berechtigt. Allerdings finde ich Inkrementpartien da einfach tückisch. Das Grundproblem ist wohl, dass ich mich in so einer Partie mit 3 Minuten auf der Uhr nicht in Zeitnot fühle aber es objektiv bin. Denn wenn man sich in die Stellung vertieft sind die Minuten schnell abgelaufen. Ich muss mir mal überlegen wie ich das Problem generell in den Griff kriege. Das Mitschreiben der Zeit ist da für mich nur eine Teillösung.
      Zu deiner Frage warum der Gegner hätte weiterspielen sollen: Naja weils der Schiedsrichter zunächst so entschieden hatte. Sein Verhalten war da durchaus riskant. Wenn der Schiedsrichter bei seiner Entscheidung bleibt und er sich dauerhaft weigert weiterzuspielen dann verliert er auf Zeit. Ich hätte da zumindestens unter Protest weitergespielt
      Zu deiner restlichen Argumentation. Die ist jetzt natürlich sehr spitzfindig. Wenn man es so genau nimmt, dann frage ich mich auch, ob der Schiedsrichter tatsächlich den Blättchenfall bemerkt hat, denn eigentlich hat er nur bemerkt dass die vergangene Zeit nicht zu den gespielten Zügen passt und das könnte ja theoretisch auch andere Gründe haben z.B. einen verspäteten Beginn oder eine defekte bzw. falsch eingestellte Uhr.
      Aber wir sollten hier abbrechen. Wie Du ganz richtig gesagt hast sollte dieser Streitfall so eigentlich nie vorkommen. Da macht es meiner Meinung nur eingeschränkt Sinn die Regeln so spitzfindig zu betrachten, die für diesen Fall nie gemacht wurden.
      Ich habe nur noch eine letzte Frage: Nehmen wir an Du wärst der Schiedsrichter gewesen der nach 4 Stunden ans Brett gekommen ist. Hättest Du die Partie kommentarlos weiterlaufen lassen oder die eingeschaltet? Denn nach meinem Rechtsempfinden hääte der Schiedsrichter zu desem Zeitpunkt die Partie unterbrechen und den Sachverhalt prüfen müssen.
      Viele Grüße
      Claus
    • Die Frage ist nur sehr hypothetisch, da ich es selbst bei einem der größten Open der Welt in Karlsruhe es schaffe, innerhalb der Zeit in der die Uhren es anzeigt einmal jede Zeit zu prüfen und ich lege Wert darauf. Darum passiert mir das auch als Schiedsrichter auch nicht.
      Aber gesetzt den Fall, ich wäre in der Situation, dann würde ich sehr wahrscheinlich den Sachverhalt prüfen. Das bedeutet aber nicht, dass die Spieler das mitbekommen würden.
      Ich weiß, dass von den Spielern nichts kommen wird, sonst hätten die Spieler selbst etwas gesagt.
      Ich weiß auch, dass die Spieler nicht zu spät begonnen haben, da nach dem Rundenstart das gesamte Schiedsrichterteam durch die Reihen geht und die Uhren startet, die noch nicht laufen.
      Es bleiben daher nur drei Möglichkeiten:
      1. Die Spieler haben unterwegs die Uhren angehalten ohne den Schiedsrichter zu holen.
      2. Die Spieler haben die Zeit überschritten und es nicht gemerkt.
      3. Die Uhr geht zu langsam.

      Fall 3: Ich arbeite nur mit FIDE zertifizierten Uhren. Der Anteil an Uhren, die falsch gehen, liegt bei diesen Uhren aus meiner Erfahrung bei exakt 0. Sie fallen aus, sie laufen gleichzeitig, aber sie gehen genau. Immer.
      Fall 1: Das versuche ich zunächst aus den Nachbarbrettern heraus zu bekommen und über die Uhr selbst. Man kann anhand der Restbedenkzeit und der Anzahl gespielter Züge recht genau herausfinden, was da eigentlich auf der Uhr steht. Erst wenn sich hier für mich ein Grund ergibt einzugreifen, dann würde ich das tun und mir den Zugzähler der Uhr anschauen.
      Fall 2: OK, erstmal würde ich fluchen, dass mir das durch die Lappen gegangen ist. Dann würde ich bei Zuschauern und dem Nachbarbrett fragen, ob jemand gesehen hat, bei wem das Blättchen zuerst gefallen ist. Bekomme ich da eine eindeutige Antwort greife ich ein. Wenn nicht, was sehr wahrscheinlich ist, dann würde ich wie oben beschrieben entscheiden und einfach weiterspielen lassen.

      Was ich in keinem Fall mache, ist die Spieler aus ihrer Verantwortung entlassen, ihre verbrauchte Bedenkzeit selbst zu kennen. Wenn die Platte endgültig fällt, dann würde ich vielleicht noch prüfen, ob die Uhr richtig gestellt war. Aber die Partie ist dann um, denn falsch gestellte Uhren dürfen nur während der Partie reklamiert und korrigiert werden. Einzig eine fehlende Periode würde hier meine Entscheidung ändern, darum die Prüfung.

      Grüße Daniel