Königsgambit: Cunningham-Verteidigung

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    • Königsgambit: Cunningham-Verteidigung

      Eine plausible Möglichkeit für Schwarz im Königsspringergambit 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 ist der schon 1706 in dem Manuskript eines gewissen Caze erwähnte Zug 3.-Le7, die Cunningham-Verteidigung. Schwarz steht bereit, ein Läuferschach auf h4 zu geben, kann aber auch mit schneller Figurenentwicklung (nach dem Schema Sg8-f6, 0-0 und d7-d5) fortsetzen.

      Ungeklärt ist, ob der britische Diplomat, Historiker und Schachspieler Alexander Cunningham (1654 - 1737) oder der schottische Jurist, Gelehrte und Schachspieler Alexander Cunningham of Block (1650 - 1730) der Namensgeber dieser Eröffnungsvariante ist. Einen umfangreichen historischen Überblick liefert der folgende Artikel: The Dreadful Cunningham

      John Shaw beschäftigt sich in seinem Buch King's Gambit in Kapitel 11 auf 54 Seiten mit dieser Verteidigung.

      Der Youtuber Topschach.de (Benny), manchen vielleicht bekannt durch seine "double banter"-Duelle gegen Niclas Huschenbeth, empfiehlt die Cunningham-Verteidigung den Schwarzspielern als eine leicht zu erlernende Möglichkeit, um gegen das Königsgambit eine solide und etwa ausgeglichene Stellung zu erhalten.



      Er beschäftigt sich in diesem Video jedoch nur mit dem alten Zug 4.Lc4.

      Die moderne Behandlung, die schon von Boris Spassky in den 60er Jahren mehrfach gespielt wurde und heute in vielen Fernschachpartien zu sehen ist, beginnt mit 4.Sc3. Dieser Zug sieht auf den ersten Blick äußerst riskant aus, denn nach 4.-Lh4+ wird der weiße König auf das unbequeme Feld e2 gezwungen. Im Gegenzug erhält Weiß aber nach späterem d2-d4 ein eindrucksvolles Bauernzentrum, und der schwarze Lh4 kann zum Sorgenkind werden, weil er ständig von der Dame gedeckt bleiben muß. Falls Schwarz jedoch auf der Läuferschach auf h4 verzichtet, steht Weiß mit 4.Sc3 für den Kampf ums Zentrum etwas besser gerüstet da als nach 4.Lc4.

      Ein Partiebeispiel:

      Short, Nigel (2690) - Piket, Jeroen (2640)
      Madrid Magistral, Runde 7, 29.5.1997

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    • Cunningham-Verteidigung: Dreibauerngambit

      Eine Untervariante der Cunningham-Verteidigung hat schon immer eine große Faszination auf viele Spieler ausgeübt: das sogenannte Dreibauerngambit, auch "wildes Cunningham" oder (im englischen Sprachraum) "Wild Bertin" genannt:



      Weiß hat für die geopferten Bauern erheblichen Entwicklungsvorsprung und Druck gegen den Punkt f7. Sein König nutzt den vorgepreschten schwarzen Bauern h2 als Schutzschild.
      Die Stammpartie wurde im Jahr 1832 gespielt:

      Dr. Hugo-Leonhard Von Guttceit - Lionel Kieseritzky
      Dorpat 1832



      27 Jahre später befand sich Paul Morphy auf seiner triumphalen Europareise. In London gab er im April 1859 seine einzige Simultanvorstellung mit Ansicht der Bretter (ansonsten waren seine Simultanvorstellungen immer Blindsimultan). Alle 5 Gegner bei dieser Veranstaltung waren renommierte Meisterspieler. Morphy gewann mit dem Dreibauerngambit eine glänzende Partie gegen Henry Edward Bird.

      Paul Morphy - Henry Edward Bird
      St. Jame's Chess Club, London - 5 Sighted Board Simul, 26.4.1859




      Auch wenn heute natürlich verbesserte Verteidigungsmöglichkeiten für Schwarz gefunden wurden (so läßt sich das schwarze Spiel in Morphy - Bird mit 10.-Tf8! verbessern), die das Dreibauerngambit als objektiv fragwürdig erscheinen lassen, so bleibt es dennoch in einer praktischen Partie eine gefährliche Waffe gegen die Cunningham-Verteidigung.
    • Ich spiele gegen Königsgambit nichts anderes und fahre recht gut damit. Wenn ich Partien damit verliere, dann bestimmt nicht wegen der Eröffnungswahl. Kann Topschachs Ausführungen nur beipflichten: eine sehr ökonomische Variante um was gegen das Königsgambit zu haben das brauchbar ist.
      Was wahrscheinlich auch an meiner Spielstärke liegt - ich bekomme so gut wie nie 4.Sc3 aufs Brett sondern so gut wie immer 4.Lc4 und manchmal noch 4.d4.
      Auch wenn es anscheinend mit der beste Zug sein dürfte, sieht die Stellung für weiß, nach dem Königszug und dem eingesperrten Läufer etwas ungesund aus.
      Ich weiß, der Schein täuscht, aber es wirkt bestimmt nicht nur auf mich nicht ideal für weiß.
    • Cunningham-Verteidigung: 4.Lc4

      Beim allwöchentlichen Import der neuesten TWIC-Datei in meine Datenbank fiel mir gerade eine Partie auf, die erst vor wenigen Tagen beim Jersey Open gespielt wurde. Bemerkenswert daran ist, daß Mark Hebden, ein erfahrener englischer GM, der mit 12 Schwarzpartien zur Cunningham-Verteidigung in der Datenbank vertreten ist und auch des öfteren auf der weißen Seite des Königsgambits zu finden ist, hier von seinem holländischen Gegner in nur 10 Zügen (!) völlig überspielt wird.

      Woudsma, Martijn (2262) - GM Hebden, Mark (2454)
      Polar Capital Jersey Open, St Clement Bay, Runde 8, 6.4.2018

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    • Eine richtiges Gemetzel. Interessant wie schnell hier ein GM auseinandergenommen wird. Er trägt aber selber einiges dazu bei, finde ich.
      6...d6 ist zwar ein spielbarer Zug, ich halte ihn aber bereits für etwas ambitionslos. Warum nicht d5 oder gleich das Läuferschach auf h4?
      9...Le6 ist zwar natürlich und hätte ich in der Stellung wohl auch gespielt, ist aber bereits eine Ungenauigkeit. Der Computer zeigt an, dass Kf8 deutlich besser gewesen wäre. Wenn so ein Zug die beste Möglichkeit ist, dann ist aber bereits etwas daneben gegangen.
      10...gxh2 ist dann wieder ein Zug der offensichtlich nicht gesund ist. Entwicklung, etwa die Rochade oder das Schlagen des unangenehmen D6 Bauerns mit der Dame erscheinen mir naheliegender.
      Ja und 11...Sf2+ ist ohnehin ein Kracher. Was denkt sich ein GM bei so einem Zug? Ist mein Schachverständnis wirklich so verkrüppelt? Ich verstehe wirklich überhaupt nicht was dieser Zug soll. Wollte Hebden hier Material zurückgeben und glaubte allen Ernstes an Kompensation? Oder war es einfach eine Kurzschlussreaktion auf seine misslungene Eröffnung? Ich weiß es wirklich nicht.
    • 6.-d6 ist noch in Ordnung und macht keinen Unterschied zu 6.-d5. Weiß hat in beiden Fällen nichts besseres als das Schlagen auf d6, wonach dieselbe Stellung entsteht.

      Eine brauchbare Alternative ist das sofortige 6.-Lh4+, das Hebden schon dreimal gespielt hat, zuletzt hier:

      Gantner, Matthias (2298) - Hebden, Mark (2467)
      4NCL Division 1b, Birmingham, Runde 5, 13.2.2016



      Ich vermute, daß er diese Variante wiederholen wollte, ihm aber dabei ein fataler Fingerfehler unterlaufen ist und er die Zugreihenfolge verwechselt hat.

      9.-Le6? ist tatsächlich ein Fehler, nach dem die Partie nicht mehr zu retten ist. Aber auch nach dem besseren 9.-Kf8 10.0-0 hat nur Weiß Freude an der Stellung.

      11.-Sf2+ ist nicht besser oder schlechter als andere Züge, Schwarz verliert in allen Fällen entscheidend Material.
    • Königsgambit: Cunningham-Verteidigung mit 4.Lc4

      Am 24. und 25. Oktober 1958 (die älteren werden sich erinnern) war Mihail Tal in Stuttgart zu Gast und gab zwei Simultanvorstellungen. Unter seinen Gegnern waren zwei Brüder - Wolfgang Schmid saß am Freitag und Hartmut Schmid am Samstag am Brett. Tal verlor beide Partien. Die Partie gegen den 17-jährigen Wolfgang Schmid, der später 2maliger Württembergischer Meister und FM werden sollte, war ein wilder Tanz in der Cunningham-Verteidigung des Königsgambits:

      Tal, Mihail - Schmid, Wolfgang
      Stuttgart simultan, 24.10.1958



      Conrad Schormann zeigt im Video die faszinierenden taktischen Möglichkeiten, die in dieser Partie unter der Oberfläche geblieben sind: