Sind es immer nur die oft genannten taktischen Fehler, die schwächere Spieler machen?
Mich hat diese Frage veranlasst, eine zufällig gewählte Partie von 2 Spielern der Schacharena zu analysieren.
Beide Seiten haben eine ähnliche Spielstärke und bereits mehrere tausend Partien auf der Schacharena gespielt.
Sie sind also keine Neulinge mehr, kommen aber offenbar nicht weiter.
Kaum jemand macht sich die Mühe, auch mal Partien solcher Spieler zu analysieren.
Oft wird geraten,sie sollten Taktik machen bis zum Umfallen und viel,viel spielen.
Aber reicht das wirklich aus?
Schauen wir uns die ersten Züge gemeinsam an:
1. e4 e5
2. Lc4
Beide Seiten machen sehr gute erste Züge und Weiß deutet an, aktiv auf Angriff zu spielen.
2...d6
Der Zug ist recht passiv, er verbaut dem dunkelfeldrigen Läufer des Schwarzen den Weg.
Er trägt auch nicht zu einer schnellen (kurzen) Rochade bei.
3. a3
Dies ist ein unnötiger und kein guter Zug.Da sich Schwarz soeben die Diagonale (a3-f8) für den Läufer verbaut hat,kann man das höchstens als prophylaktischen Zug erklären.Vermutlich soll das Feld a2 dem weißen Läufer reserviert werden. Dies passt aber nicht zum Eröffnungs-Ziel, schnellstens die Kräfte zu mobilisieren.
3...Le6
Schwarz bügelt den Fehler des Weißen wieder aus, indem er auch einen macht!
Er bietet dem Anziehenden die Gelegenheit, dessen schlechten Läufer (der blockierte Bauer auf e4 behindert den Läufer des Weißen etwas) gegen den eigenen guten Läufer (die schwarzen Bauern blockieren den Läufer des Schwarzen dagegen nicht) abzutauschen.
Weiß sollte das Angebot annehmen.
4. b3
Weiß schiebt dem letzten schwachen Zug gleich einen weiteren hinterher.Der gespielte Zug (b3) ruiniert die Bauernstellung.Wenn der Läufer gedeckt werden soll, dann besser mittels d3.
Alternativ kann Weiß hier Lxe6 spielen.
4...Lxc4
Schwarz opfert Zeit (ein Tempo) und fügt dem Weißen eine dauerhafte Schwäche in seiner Bauernstruktur zu.
5. bxc4
Der Bauer auf der a-Linie hat nun keinen Nachbarbauern mehr.Dies stellt eine dauerhafte Schwäche dar.
5....Sc6
Der Zug ist spielbar, besser wäre aber, die kurze Rochade weiter vorzubereiten (mit Le7 oder Sf6)
6. c3
Erneut ein schwacher Zug.Er soll dem Springer das Feld d4 nehmen.An sich eine gute Idee, hier jedoch völlig unnötig.Da beide weissfeldrigen Läufer aus dem Spiel sind,bestehen überhaupt keine Bedenken jetzt Sf3 zu spielen! Das wäre ein guter Zug.
So aber,leider wieder nichts zur Rochade beigetragen.
6...h6
Nicht viel besser als der letzte Zug des Weißen.Auch hier wird keine Figur entwickelt und nichts zur baldigen Rochade beigetragen.
7. d3
Nun merkt auch der Weiße, das er weder den Läufer noch den Damenspringer ordentlich bewegen kann.Er macht ihnen den Weg bzw. einen Platz frei.
Endlich mal ein guter Zug!
7...Le7
Na endlich, auch hier ein Schritt in Richtung Rochade!
8. h4
Ein weiterer schlechter Zug.Ein Springer auf f3 würde viel besser das mögliche Lg5 verhindern.
Die weisse Stellung gleicht jetzt einem Scherbenhaufen!
8. Sf6
Schwarz sieht nicht, das es den Bauer h4 heute gratis im Sonderangebot gibt.
Lxh4 wäre viel besser! Da der Läufer durch die Dame gedeckt ist, kann der Weiße nicht mit dem Turm zurückschlagen.
9. f3
Ohne Worte.....
9. Dd7
Schwarz möchte sich scheinbar (wegen der vielen aufgezogenen weißen Bauern) auch die lange Rochade offenhalten, der Zug ist noch ok.
10. Le3
Ein guter Platz für den Läufer! Schön zentral und vier tolle (weil offene) Diagonalen.
Der Läufer ist der neue Star des Weißen!
10....h5
Schwarz hat der Mut verlassen.Obwohl die lange Rochade möglich ist und ein guter Zug wäre, kommt ein Angsthasenzug!
11. De2
Es fällt nun schon schwer, noch einen guten Zug für Weiß zu finden.De2 stellt jedenfalls einem Springer auch noch sein mögliches Feld zu.
Vielleicht wäre 11. Sd2 0-0 12. Se2 mit der Idee d4 zu spielen, noch eine Überlegung?
Bis hierher wurde die Partie so gespielt.Nun verlassen wir die beiden Kontrahenten,und suchen nach einem möglichen Weg (mit Schwarz am Zug), wie es jetzt weitergehen könnte.
Grundlage für eine Planfindung ist eine objektive und ehrliche Stellungseinschätzung.
Also, was sind die positiven und die negativen Faktoren auf beiden Seiten?
Stellungseinschätzung
Weiß hat die Eröffnung nicht sehr gut behandelt.Die Bauernstruktur ist gestört,die Figurenentwicklung wurde vernachlässigt und der König steht noch in der Brettmitte.
Als positiv sind der starke Läufer auf e3, ein minimaler Raumvorteil und eine halboffene b-Linie zu nennen.Diese ist zur Zeit aber noch nicht mit einem Turm besetzt.Die Aktivierung des Turms auf h1 wäre erforderlich.
Schwarz (am Zuge) könnte mit der Rochade die Entwicklung abschließen. Die Bauernstruktur ist bis auf den h-Bauern noch gut.Daher bietet sich eher die lange Rochade an, um den König in Sicherheit zu bringen.
Im Moment ist der Läufer in seiner Aktivität sehr eingeschränkt.
Die anderen Figuren stehen recht gut.
Planfindung
Nach der Rochade wären die Türme verbunden,und da Weiß nichts taktisches droht,könnte ein erster Plan aufgestellt werden.
Aber wie kommt man zu einem Plan?
Eine Möglichkeit liegt darin, sich von einer Verbesserung der schlechtesten Figur leiten zu lassen.
Der Läufer des Schwarzen ist derzeit blockiert und sollte entweder in seiner Wirkung verbessert oder gegen den sehr guten Läufer des Weißen abgetauscht werden.Eine Verbesserung ist derzeit nicht in Sicht, weil der Bauer d6 nicht vorgeschoben werden kann.
Doch wie sieht es mit einem Abtausch aus?
Anhand dieser Idee, habe ich einen strategischen Plan für Schwarz ausgearbeitet:
11... O-O-O
12. Sd2 (verbessert den Springer und macht die Grundlinie etwas frei)
12....Tdg8 (plant den g-Bauern vorzuschieben)
13. Df2 (macht Platz für den Springer,deckt h4 ein weiteres Mal und greift a7 zum zweiten Mal an)
13......Kb8 (deckt den zweimal angegriffenen Bauern a7 zum zweiten mal)
14. Ke2 (räumt weiter die Grundlinie um die Türme zu verbinden und ihnen mehr Bewegungsfreiheit zu geben, die b-Linie ist interessant)
14.....Sh7 (deckt das Feld g5 ein weiteres Mal)
15. Sh3 (greift g5 ein drittes mal an)
15.....g5 (der Bauer unterstützt durch den Turm geht vor, dadurch wird der Turm in's Spiel eingebunden und deckt g5 ein drittes mal)
16.hxg5 Sxg5
17. Sxg5 Lxg5 (Ziel erreicht! Weiß kann nun den Abtausch nicht mehr verhindern.)
Mein Fazit:
Es sind keineswegs immer nur taktische Fehler, die schwächere Spieler machen.Besonders die Auswirkungen von Bauernzügen, werden völlig unterschätzt.
Viel zu leichtfertig wird schnell mal ein Bauer gezogen, der aber die Verhältnisse auf dem Brett dauerhaft verändert.
Wer mit allein mit Taktik nicht mehr weiterkommt, vielleicht weil er wie ich die Variantenrechnung nicht ausreichend beherrscht,sollte sich durchaus auch mal Gedanken über Strategie machen.
Mich hat diese Frage veranlasst, eine zufällig gewählte Partie von 2 Spielern der Schacharena zu analysieren.
Beide Seiten haben eine ähnliche Spielstärke und bereits mehrere tausend Partien auf der Schacharena gespielt.
Sie sind also keine Neulinge mehr, kommen aber offenbar nicht weiter.
Kaum jemand macht sich die Mühe, auch mal Partien solcher Spieler zu analysieren.
Oft wird geraten,sie sollten Taktik machen bis zum Umfallen und viel,viel spielen.
Aber reicht das wirklich aus?
Schauen wir uns die ersten Züge gemeinsam an:
1. e4 e5
2. Lc4
Beide Seiten machen sehr gute erste Züge und Weiß deutet an, aktiv auf Angriff zu spielen.
2...d6
Der Zug ist recht passiv, er verbaut dem dunkelfeldrigen Läufer des Schwarzen den Weg.
Er trägt auch nicht zu einer schnellen (kurzen) Rochade bei.
3. a3
Dies ist ein unnötiger und kein guter Zug.Da sich Schwarz soeben die Diagonale (a3-f8) für den Läufer verbaut hat,kann man das höchstens als prophylaktischen Zug erklären.Vermutlich soll das Feld a2 dem weißen Läufer reserviert werden. Dies passt aber nicht zum Eröffnungs-Ziel, schnellstens die Kräfte zu mobilisieren.
3...Le6
Schwarz bügelt den Fehler des Weißen wieder aus, indem er auch einen macht!
Er bietet dem Anziehenden die Gelegenheit, dessen schlechten Läufer (der blockierte Bauer auf e4 behindert den Läufer des Weißen etwas) gegen den eigenen guten Läufer (die schwarzen Bauern blockieren den Läufer des Schwarzen dagegen nicht) abzutauschen.
Weiß sollte das Angebot annehmen.
4. b3
Weiß schiebt dem letzten schwachen Zug gleich einen weiteren hinterher.Der gespielte Zug (b3) ruiniert die Bauernstellung.Wenn der Läufer gedeckt werden soll, dann besser mittels d3.
Alternativ kann Weiß hier Lxe6 spielen.
4...Lxc4
Schwarz opfert Zeit (ein Tempo) und fügt dem Weißen eine dauerhafte Schwäche in seiner Bauernstruktur zu.
5. bxc4
Der Bauer auf der a-Linie hat nun keinen Nachbarbauern mehr.Dies stellt eine dauerhafte Schwäche dar.
5....Sc6
Der Zug ist spielbar, besser wäre aber, die kurze Rochade weiter vorzubereiten (mit Le7 oder Sf6)
6. c3
Erneut ein schwacher Zug.Er soll dem Springer das Feld d4 nehmen.An sich eine gute Idee, hier jedoch völlig unnötig.Da beide weissfeldrigen Läufer aus dem Spiel sind,bestehen überhaupt keine Bedenken jetzt Sf3 zu spielen! Das wäre ein guter Zug.
So aber,leider wieder nichts zur Rochade beigetragen.
6...h6
Nicht viel besser als der letzte Zug des Weißen.Auch hier wird keine Figur entwickelt und nichts zur baldigen Rochade beigetragen.
7. d3
Nun merkt auch der Weiße, das er weder den Läufer noch den Damenspringer ordentlich bewegen kann.Er macht ihnen den Weg bzw. einen Platz frei.
Endlich mal ein guter Zug!
7...Le7
Na endlich, auch hier ein Schritt in Richtung Rochade!
8. h4
Ein weiterer schlechter Zug.Ein Springer auf f3 würde viel besser das mögliche Lg5 verhindern.
Die weisse Stellung gleicht jetzt einem Scherbenhaufen!
8. Sf6
Schwarz sieht nicht, das es den Bauer h4 heute gratis im Sonderangebot gibt.
Lxh4 wäre viel besser! Da der Läufer durch die Dame gedeckt ist, kann der Weiße nicht mit dem Turm zurückschlagen.
9. f3
Ohne Worte.....
9. Dd7
Schwarz möchte sich scheinbar (wegen der vielen aufgezogenen weißen Bauern) auch die lange Rochade offenhalten, der Zug ist noch ok.
10. Le3
Ein guter Platz für den Läufer! Schön zentral und vier tolle (weil offene) Diagonalen.
Der Läufer ist der neue Star des Weißen!
10....h5
Schwarz hat der Mut verlassen.Obwohl die lange Rochade möglich ist und ein guter Zug wäre, kommt ein Angsthasenzug!
11. De2
Es fällt nun schon schwer, noch einen guten Zug für Weiß zu finden.De2 stellt jedenfalls einem Springer auch noch sein mögliches Feld zu.
Vielleicht wäre 11. Sd2 0-0 12. Se2 mit der Idee d4 zu spielen, noch eine Überlegung?
Bis hierher wurde die Partie so gespielt.Nun verlassen wir die beiden Kontrahenten,und suchen nach einem möglichen Weg (mit Schwarz am Zug), wie es jetzt weitergehen könnte.
Grundlage für eine Planfindung ist eine objektive und ehrliche Stellungseinschätzung.
Also, was sind die positiven und die negativen Faktoren auf beiden Seiten?
Stellungseinschätzung
Weiß hat die Eröffnung nicht sehr gut behandelt.Die Bauernstruktur ist gestört,die Figurenentwicklung wurde vernachlässigt und der König steht noch in der Brettmitte.
Als positiv sind der starke Läufer auf e3, ein minimaler Raumvorteil und eine halboffene b-Linie zu nennen.Diese ist zur Zeit aber noch nicht mit einem Turm besetzt.Die Aktivierung des Turms auf h1 wäre erforderlich.
Schwarz (am Zuge) könnte mit der Rochade die Entwicklung abschließen. Die Bauernstruktur ist bis auf den h-Bauern noch gut.Daher bietet sich eher die lange Rochade an, um den König in Sicherheit zu bringen.
Im Moment ist der Läufer in seiner Aktivität sehr eingeschränkt.
Die anderen Figuren stehen recht gut.
Planfindung
Nach der Rochade wären die Türme verbunden,und da Weiß nichts taktisches droht,könnte ein erster Plan aufgestellt werden.
Aber wie kommt man zu einem Plan?
Eine Möglichkeit liegt darin, sich von einer Verbesserung der schlechtesten Figur leiten zu lassen.
Der Läufer des Schwarzen ist derzeit blockiert und sollte entweder in seiner Wirkung verbessert oder gegen den sehr guten Läufer des Weißen abgetauscht werden.Eine Verbesserung ist derzeit nicht in Sicht, weil der Bauer d6 nicht vorgeschoben werden kann.
Doch wie sieht es mit einem Abtausch aus?
Anhand dieser Idee, habe ich einen strategischen Plan für Schwarz ausgearbeitet:
11... O-O-O
12. Sd2 (verbessert den Springer und macht die Grundlinie etwas frei)
12....Tdg8 (plant den g-Bauern vorzuschieben)
13. Df2 (macht Platz für den Springer,deckt h4 ein weiteres Mal und greift a7 zum zweiten Mal an)
13......Kb8 (deckt den zweimal angegriffenen Bauern a7 zum zweiten mal)
14. Ke2 (räumt weiter die Grundlinie um die Türme zu verbinden und ihnen mehr Bewegungsfreiheit zu geben, die b-Linie ist interessant)
14.....Sh7 (deckt das Feld g5 ein weiteres Mal)
15. Sh3 (greift g5 ein drittes mal an)
15.....g5 (der Bauer unterstützt durch den Turm geht vor, dadurch wird der Turm in's Spiel eingebunden und deckt g5 ein drittes mal)
16.hxg5 Sxg5
17. Sxg5 Lxg5 (Ziel erreicht! Weiß kann nun den Abtausch nicht mehr verhindern.)
Mein Fazit:
Es sind keineswegs immer nur taktische Fehler, die schwächere Spieler machen.Besonders die Auswirkungen von Bauernzügen, werden völlig unterschätzt.
Viel zu leichtfertig wird schnell mal ein Bauer gezogen, der aber die Verhältnisse auf dem Brett dauerhaft verändert.
Wer mit allein mit Taktik nicht mehr weiterkommt, vielleicht weil er wie ich die Variantenrechnung nicht ausreichend beherrscht,sollte sich durchaus auch mal Gedanken über Strategie machen.