Spanisch: verbesserte Steinitz-Verteidigung

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    • Spanisch: verbesserte Steinitz-Verteidigung

      Die nach dem ersten offiziellen Weltmeister Wilhelm Steinitz benannte "alte Steinitz-Verteidigung"
      1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 verfolgte ursprünglich das Ziel, den Punkt e5 zu befestigen und unter allen Umständen zu halten. Diese Strategie erhielt im Jahr 1892 einen herben Dämpfer durch die folgende Partie:

      Tarrasch, Siegbert - Marco, Georg
      7. DSB-Kongress, Dresden, 7. Runde, 22.7.1892



      Obwohl dieTarrasch-Falle seit 125 Jahren bekannt ist, finden sich in der Datenbank erstaunlicherweise über 200 (später gespielte!) Partien mit dem Fehler 7.-0-0?, die neuesten aus den Jahren 2018 und 2019.

      Natürlich kann Schwarz im vierten Zug auf d4 schlagen und sich mit dem "kleinen Zentrum" (weißer Bauer e4 gegen schwarzen Bauern d6) abfinden. So wird die "alte" Steinitz-Verteidigung heute gespielt, aber das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Sie ist deshalb heute nicht sonderlich beliebt.

      Im Jahr 1895 begann Steinitz, eine verbesserte Version seiner Verteidigung zu spielen. Die Verbesserung bestand darin, daß er die Züge 3.-a6 4.La4 einschaltete und erst dann 4.-d6 zog. Das erhöhte die Flexibilität des schwarzen Aufbaus. Und diese "verbesserte Steinitz-Verteidigung" hat bis heute ihre Lebensfähigkeit bewiesen. Gerade in den letzten Jahren ist sie auch bei starken Großmeistern wie Shak Mamedyarov äußerst beliebt geworden - insbesondere dann, wenn sie mit Schwarz auf Gewinn spielen wollen/müssen.

      Niclas Huschenbeth wandte den "delayed Steinitz" in der 9. Runde der Europameisterschaft mit Schwarz in einer Situation an, wo er dringend den ganzen Punkt brauchte:

      IM Golubka, Petro (2468) - GM Huschenbeth, Niclas (2594)
      20. Europameisterschaft, Skopje, 9. Runde, 27.3.2019




      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Schroeder ()

    • Einige Monate vorher war Niclas auf der weißen Seite der verbesserten Steinitz-Verteidigung erfolgreich gewesen. Diese Partie zeigt, daß Schwarz in der Stellung, die nach dem Schlagen auf d4 entsteht, kein ganz sorgenfreies Leben hat. Der weiße Raumvorteil, den ihm das "kleine Zentrum" (Bauer e4 gegen d6) gibt, sichert ihm das bequemere Spiel.


      Huschenbeth, Niclas (2586) - Bosiocic, Mari (2591)
      Österreichische Bundesliga, 5. Runde, 17.1.2019




    • Meine Lieblingswaffe gegen Spanisch ist auch die moderne/verzögerte/verbesserte Steinitz-Verteidigung.
      Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es mitunter riskant sein kann, damit als schwarzer auf Sieg zu spielen, da weiß direkt aus der Eröffnung heraus ein Unentschieden.... nun, nicht unbedingt forcieren kann, aber durchaus etwas machen kann, das dem schon recht nahe kommt.



      Und Zugwiederholung.

      Ich habe für mich noch nicht zufriedenstellend herausgefunden, wie man, als Schwarzer der Variante ausweichen kann, ohne mit Nachteil aus der Eröffnung kommen zu können.
    • Steinitz selbst wurde 6 mal mit 5.d4 konfrontiert. In allen Fällen antwortete er mit 5.-Ld7. Denn er sah den Sinn seiner Verbesserung darin, nicht auf d4 zu tauschen, sondern den Punkt e5 zu befestigen. Und das kann er dank der Einschaltung von 3.-a6 4.La4 tun, ohne der Tarrasch-Falle zum Opfer zu fallen.

      5.-Ld7 wurde später auch von Spielern wie Spasski, Hübner, Hort und Sokolov gespielt. Aktuell ist der amerikanische GM Awonder Liang ein Anhänger dieser Spielweise.
    • In neuerer Zeit baut sich Schwarz in der VSV (Verbesserten Steinitz-Verteidigung) häufig mit g6 und Lg7 auf, verzichtet auf frühe Bauernabtäusche und strebt einen langwierigen Manövrierkampf an. Ein schönes Beispiel für diese Strategie war am Sonntag beim Finale um den Hamburger Mannschaftspokal zu sehen. Malte Colpe erreichte damit als Schwarzer eine gute Stellung, fiel aber zu guter letzt einem sehenswerten "Matt aus dem Nichts" zum Opfer, wie der "rasende Reporter" Hauke Reddmann berichtet: HPMM Turnierseite

      FM Ertan, Can (2382) - IM Colpe, Malte (2357)
      HPMM-Finale, Hamburg, 12.5.2019
      SK Johanneum Eppendorf - Hamburger SK, Brett 1



      FM Can Ertan, der kürzlich beim Grenke Open seine dritte IM-Norm gemacht hat und den Titel demnächst von der FIDE verliehen bekommt, legte mit diesem schönen Mattangriff den Grundstein für den Pokalsieg des SKJE. Beide Finalisten werden im nächsten Jahr beim Deutschen Mannschaftspokal vertreten sein.
    • Als bestenfalls mittelmäßiger Amateur-Spieler mag ich die scharfen Gegenspiele, die die SVS bietet lieber als die angesprochenen positionellen Möglichkeiten.

      Auch diese müssen in diesem Thread erwähnt werden.

      Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 d6

      hat weiß viele mögliche Züge. 5.d4 wurde bereits gezeigt. Die häufigsten Fortsetzungen sind aber 5.0-0 und 5.c3 auf beides hat schwarz auch scharfe Antworten.



      Sicher weniger "solide" als die von Schröder vorgestellte Variante, aber eine spannende Alternative. Weiß tauscht nun, für gewöhnlich auf c6 ab, ein Herausschlagen des Läufers ist natürlich (vorerst) tabu. Auch wenn weiß die Figur sofort zurück gibt (andernfalls droht schon Matt) steht schwarz besser. 7.hxg4? hxg4 8.d3 gxf3 9.Dxf3. Wildes Spiel gibt es nach 7.d4 b5 8.Lb3 Sxd4 9.hxg4! hxg4 10.Sg5 Sh6!(um f7 abzudecken). Auch wenn das Abspiel vielleicht nicht ganz vollwertig für schwarz ist, mag ich die praktischen Chancen die es bietet.

      Eine Beispielpartie zweier Meister, aus 2004:
      IM Moldovan - FM Danilov

      0-1

      Andere natürliche Züge, wie etwa 7.d3 Df6 8.Sbd2 bieten schwarz passables Spiel. Man kann entweder den Läufer zurück auf d7 bringen, um einen Doppelbauern zu verhindern, den Angriff auf den König mit 7...g5 verstärken, oder eine Mischung aus beidem machen und sich mit 7...Sge7 natürlich weiter entwickeln.




      Auch recht scharf, weiß braucht etwas Zeit um den lästigen Läufer auf d3 zu vertreiben, währenddessen kann sich schwarz gut entwickeln und uU sogar lang rochieren. Ziemliches Chaos am Brett, mit Chancen für beide Seiten, ergibt sich nach 7.d4 e4. Praktisch gesehen mag ich jedenfalls die Chancen, die sich aus diesen Abspielen ergeben, zumal sich schwarz in den teilweise komplizierten Varianten i.d.Regel besser auskennen wird.


      Einzig gegen 5.Lxc6 also den verzögerten Abtausch hat schwarz kein scharfes Gegenspiel in petto.
    • Spanisch: Siesta-Variante

      Die erstgenannte Variante (5.-Lg4 mit nachfolgendem Figurenopfer) erscheint mir doch sehr windig. Schaut man in die Datenbank, dann hat Weiß sowohl nach dem von Moldovan gespielten 11.f4 als auch nach 11.Ld5 einen extrem guten Score.

      Die Siesta-Variante dagegen ist eine absolut vollwertige Variante, die von vielen starken Großmeistern gespielt wird. Hier ein aktuelles Beispiel:

      Caruana, Fabiano (2828) - Harikrishna, Pentala (2726)
      Champions Showdown, Saint Louis, 6. Runde, 21.2.2019

    • Auf höherer Ebene ist die erste Variante sicher (zu) riskant und wahrscheinlich, wenn dann nur als absolute Überraschungswaffe spielbar. Da bin ich ganz bei dir
      Auf etwas niedrigerem Niveau mag ich wie gesagt die praktischen Möglichkeiten. Auf dem Spielbrett, als weißer - wenn man es nicht kennt, dagegen zu spielen, stelle ich mir nicht sehr lustig vor.

      Man kann die 6...h5 Variante mit 7.d4 als schwarzer aber auch etwas weniger rabiat behandeln:



      Weiß hat wohl immer noch etwas Vorteil, andererseits hat schwarz den spanischen Läufer abgetauscht und weiß einen Doppelbauern am Damenflügel verpasst. Der weitere Plan des Schwarzen ist es den Damenflügel mit c5 zu schließen und den Königsflügel mit g6, Lg7 oder Lh6 und Rochade zu stabilisieren.

      Weiß muss das Zentrum im zehnten Zug aber noch nicht öffnen:


      Schwarz hat nun zwei Möglichkeiten - er kann das Bauernopfer sofort annehmen und versuchen die weiße Initiative zu überleben: 11...dxc3 12.Td1! cxb2 13.Lxb2:



      - schwarz hat zwei Bauern mehr, aber Entwicklungsnachteil und sieht sich einem starken weißen Angriff ausgesetzt. MMn ist das vielleicht gerade noch so haltbar, für schwarz, speziell wenn er sich auskennt. Der Computer sieht die weiße Stellung aber klar im Vorteil.


      Die andere, wohl bessere Möglichkeit ist es, erst noch den Läufer nach e7 zu entwickeln: 11...Le7 12.Td1 und dann zu schlagen! 12...dxc3. 13.e5 läuft jetzt ins Leere. 13.Sxc3 0-0. Weiß hat auch hier Angriff, allerdings weniger als in der anderen Variante - dafür hat er aber auch nur einen Bauern weniger:





      Weniger gefährlich ist mMn das auch gespielte 10.d5, da das die Stellung geschlossen hält und die aktivste weiße Figur, der Läufer auf b3 abgeschnitten wird. Nach 10...Sd4 kann man diesen auch jederzeit abtauschen.


      In den Datenbanken die mir zur Verfügung stehen finden sich dazu noch kaum Partien. Entweder erachten es schwarze Meisterspieler also als nicht spielbar oder es fehlt einfach noch die praktische Auswertung.

      Wahrscheinlich wird es daran liegen, dass man sich als Schach-Pragmatiker diese ganzen Linien auch gleich schenken kann und statt 5.Lg5 einfach 5.Ld7 spielen kann. Damit ist man auf jeden Fall auf der "sicheren" Seite und muss sich diese Komplikationen nicht antun. Der einzige Vorteil dürfte die Unerforschtheit und die damit verbundenen praktischen Chancen sein.

      Dieser Beitrag wurde bereits 7 mal editiert, zuletzt von tom_turbo ()

    • Spanisch: verbesserte Steinitz-Verteidigung mit frühem g7-g5!?

      Der Weltranglistenfünfte Shak Mamedyarov hat die VSV in über 30 Partien angewandt und dürfte unter den Topspielern der größte Experte auf diesem Gebiet sein. Er baut sich normalerweise mit g6 und Lg7 auf - so wie in der Partie Can Ertan - Malte Colpe gezeigt. Im Schnell- und Blitzschach greift er jedoch gelegentlich zu einem sehr aggressiven Vorgehen mit frühem g7-g5. Hier zwei Beispiele:


      GM Hansen, Eric (2629) - GM Mamedyarov, Shakhriyar (2804)
      PRO Chess League (Group Stage), 4. Runde, 3.2.2018
      Montreal Chessbrahs - San Jose Hackers




      GM Harikrishna, Pentala (2744) - GM Mamedyarov, Shakhriyar (2799)
      2nd IMSA Blitz 2017, Huai'an CHN, 8. Runde, 12.12.2017




      Bei der Europamannschaftsmeisterschaft 2017 riskierte Shak den forschen g-Bauern-Vorstoß zum ersten und einzigen Mal in einer regulären Turnierpartie - und hatte Erfolg!

      GM Grischuk, Alexander (2785) - GM Mamedyarov, Shakhriyar (2791)
      21st European Teams, Hersonissos GRE, 8. Runde, 5.11.2017

    • Das gestern zu Ende gegangene Turnier im spanischen Salamanca endete mit einem Sieg von Alexei Shirov (6 aus 7) vor Eduardo Iturrizaga und David Anton Guijarro (je 5,5 aus 7). Alexei Shirov gewinnt in Salamanca.

      In der 5. Runde spielte Shirov gegen Almira Skripchenko, die übrigens nicht nur eine gute Schachspielerin, sondern auch eine sehr erfolgreiche professionelle Pokerspielerin ist. Sie hat bei Pokerturnieren in den USA Preisgelder von mehr als 250.000 Dollar gewonnen.

      Das Geschehen auf dem Brett war eine typische Shirov-Partie:

      GM Shirov, Alexei (2678) - IM Skripchenko, Almira (2227)
      University of Salamanca Masters, 5. Runde, 5.2.21



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    • Spanisch: Verbesserte Steinitz-Verteidigung mit 5.0-0 Lg4 6.h3 h5 - Rapports heißer Reifen

      Im Halbfinale des FIDE Grand Prix in Belgrad gewann Richard Rapport die erste Partie mit Weiß gegen Maxime Vachier-Lagrave. In der zweiten Partie hätten unter diesen Umständen die meisten Spieler gegen MVLs 1.e4 mit Schwarz eine extrem solide Eröffnung wie Russisch oder Spanisch/ Berliner Verteidigung gewählt. Aber solche Erwägungen liegen Rapport fern, und so wählte er die VSV und dort eine seltene und riskante Variante, die ein Figurenopfer beinhaltet und für die man laut TBG ziemlich dicke Eier braucht. Die Variante wurde in diesem Thread vor einiger Zeit von @tom_turbo befürwortet, und ich hatte abgewunken und war der Meinung gewesen, daß wir das niemals in einer Partie zweier Weltklassespieler sehen würden. Da hatte ich mich aber getäuscht!


      Vachier-Lagrave, Maxime (2761) - Rapport, Richard (2762)
      FIDE Grand Prix Belgrad, Halbfinale, 2. Partie, 10.3.2022





      Rapport liegt nach seinem Finaleinzug in Belgrad (die erste Partie gegen Andreikin endete heute remis) in der Gesamtwertung zur Kandi-Qualifikation in Führung. Selbst wenn er das Finale verlieren sollte, hätte er gute Chancen auf das Erreichen des Kandidatenturnieres. Die Entscheidung fällt natürlich erst in Berlin Zwo, wo Rapport nicht am Start ist. Ich glaube, eine Teilnahme von Raport würde dem Kandidatenturnier guttun und drücke ihm die Daumen.
    • Spanisch: Steinitz-Verteidigung - Die Ukrainische Unsterbliche

      Bei der Ukrainischen Meisterschaft 1937 wurde eine spektakuläre Angriffspartie zwischen Jefim Kortschmar (1914–1978) und Jewsei Poljak (1908–1970) gespielt, die seitdem den Namen "die ukrainische Unsterbliche" trägt.

      Jefim Korchmar - Jevsey Poliak
      Meisterschaft der Ukrainischen SSR, Kiev, 17. Runde, 9.7.1937



      Die Partie demonstriert die Gefahren, denen Schwarz in der alten Steinitz-Verteidigung ausgesetzt ist, wenn er mit dem "kleinen Zentrum" (e4 gegen d6) spielt. Es ist nicht verwunderlich, daß fast die ganze Welt auf die VSV (mit Einschaltung von 3.-a6 4.La4 und erst jetzt 4.-d6) umgestiegen ist.

      GM Michael Prusikin hat diese Partie, die seine Lieblingspartie überhaupt ist, ausführlich kommentiert: Die ukrainische Unsterbliche - Michael Prusikin

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