Klimawandel

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    • @din Habe nicht den Eindruck, dass @maruski glaubt, "schlauer zu sein als alle anderen".

      Interessant wird es, wenn die Wissenschaft herausfindet, dass bestimmte Tiere wie z.B. Vögel, Delfine oder Affen Sprachen haben und sich individuell anreden. Wenn die Forschung zum Verständnis und zur Übersetzung von Tiersprachen so weiter geht, könnte es Überraschungen geben.

      Das ist das dünne Eis, das @maruski explizit anspricht.

      Dann würde eine weitere Bastion des Menschen (der Einzige zu sein mit intelligenter Sprache und Selbst-Bewusstsein) das Schicksal der Erde als Mittelpunkt der Welt nehmen.

      Und dies hätte natürlich massive weitere Konsequenzen bzgl. unseres Umgangs mit Tieren (und, für Juristen, ihren Grundrechten).
    • Oh je, jetzt ist es sehr lang geworden - read at own risk.

      @ DIN, ich habe leider oft den persönlichen Eindruck weniger schlau als meine Mitmenschen zu sein, die all die Dinge im Leben als so klar erkennbar erleben.
      Da alle Gesetze auf Erden menschengemacht sind (Fakt), können sie weder richtig oder falsch sein, im sozialen Kontext.
      Sie sind schlicht nicht falsifizierbar und damit kann keine Aussage zu ihrer Wahrheit oder Richtigkeit gemacht werden.
      Maximal kann ihre Kongruenz zu bestehenden Konstrukten erkannt werden, da sich Widersprüche beweisen lassen.
      Das ist ein logisch sehr fragliches Handeln und wenig wissenschaftlich, wenn es um das Ganze geht.

      Der Schamane, der den Regen herbeitanzt, mag zwar keinen Regen produzieren können, aber Recht hat er dennoch, solange ihm seine Kumpels dieses zusprechen.
      Und wenn alle Menschen dem Fluss eine Rechtsfähigkeit zusprechen und das dann leben, ist das eben genau so heute, wie die Rechtsprechung zu Hexen im damaligen Sozialkontext auch so kongruent war.
      Naturgesetze sind etwas was als wahr oder falsch an der Realität überprüfbar ist, Menschengesetze eben gerade nicht.
      Da habe ich endlose Diskussionen mit meiner Tochter (Juristin) hinter und vor mir ;)
      Daher sollte Mensch sich immer sehr klar sein was er als Gesetz/Recht konstruiert und was dann von allen als Handlungsprämisse angesehen wird.
      Und 1948 hat sich eine große Mehrheit der Menschheit auf die Menschenrechte geeinigt, damit das in dem vorhergehen Jahrzehnt erlebte Barbarische keine Nachfolge bekommt.
      Menschnrechte gibt es aber natürlich nicht wirklich, sie sind von Menschen konstruierte "Realität" und können eben nicht auf Wahr/Falsch überprüft werden, egal wie viele Juristen sich da Jahrhunderte lang mit beschäftigen - es wird nie eine Überprüfung möglich sein, die beweist das es Menschenrechte wirklich real gibt.

      Zu deiner Frage DIN bezüglich Embryos, Föten und Säuglingen ist es einfach.
      Sie sind Menschen, bzw. menschliches Leben an einem Abschnitt im Menschsein, und damit, unabhängig von allen kognitiven Fähigkeiten, genau so Subjekte wie volldemente Senioren oder komatöse Unfallopfer oder Du und ich.
      Die Rechtsprechung zur Abtreibung hat z.B. in einer langen und sicherlich immer noch kontroversen, Konsenzfindung den zeitlichen Moment ersonnen, in dem dieser Prozess zu dem Subjektstatus, der Rechte beinhaltet, führt und danach dann z.B. die Abtreibungsrechtsprechung konstruiert.
      Es gibt aber keinen, egal wie lange man das dreht und, wendet, wissenschaftlich überprüfbaren Weg zu klären, warum nicht die Zeugung (DNA-Verschmelzung zweiter Gene), sondern eine bestimmte Zellkorrelation, diesen Status eines eigenständigen mit Rechten ausgestatteten Menschen bedingt.
      Den Subjektstatus erreicht ein Fötus nicht, er wird ihm aufgrund einer bestimmten Konsenzfindung seiner zukünftigen Umwelt zugesprochen.

      Was ich zu bedenken gebe ist die Aufweichung dieser Rechtezugestehung des Subjektstatus, der Rechte ermöglicht, durch Erweiterung auf andere Ontologien als den Mensch, da das unweigerlich zu einer Relativierung führen muss.
      Und die Folgen davon sehe ich eben als sehr besorgniseregend an.

      Klar kann ich mich immer und bei allem irren und die Wahrscheinlichkeit dazu ist, rein mathematisch gesehen, enorm viel größer als die, dass ich Recht habe.
      Das ist aber für jeden Menschen, jede Meinung, jedes Hoffen so und ja genau unser Grundproblem in Gesellschaften, die zunehmend die Verifizierung an der Realität durch Konsenzbildung im diffusen Sozialen ersetzen.
      2+2=4 ist Wahrheit, leider aber keine Klarheit zu dem, was relevant ist für unser (Zusammen-)Leben.

      In Großen und Ganzen sehe ich bei dieser Diskussion enorme semantische Probleme durch unsere unterschiedlichen Sozialisationen und biografischen Hintergründe, die es absolut nicht erwartbar machen, dass eine Kongruenz der Wortbedeutungen möglich ist.
      Jeder ließt ja nicht das was der Andere geschrieben hat, sondern nur das was er liest, lesen kann, aufgrund seiner kognitiven und hyperindividuellen Bewusstseinsstruktur.
      Ich will da jetzt nicht zu weit ausholen - aber das Problem ist so alt wie das Brot und schon Platons Mythos von Theuth, im Dialog Phaitros, führte zu keinem schönen Ergebniss dieses Dilemmas, dass später als Sender-Empfänger-Problematik populär wurde.

      Das übrigens ist ein nicht unbedeutender Baustein in meinem, von Manni5 sauber erkannten, Pessimismus bezüglich unserer menschlichen Zukunft, auch in Bezug auf den Umgang mit dem Klimawandel.
      Die Idee einer Änderungsmöglichkeit ist eben dem menschlichen Gemüht geschmeichelt und ja durchaus denkbar.
      Nur wenn diese Möglichkeit nicht umzusetzen ist (weil eben eine menschliche Hybris), haben wir die Chancen, uns auf eine sich durch den Klimawandel verändernde (Um-)Welt, einzustellen verpasst.
      Wenn die Welt nun 5°C wärmer wird und wir keine technischen, sozialen und individuellen Maßnahmen für ein Leben in Gemeinschaft unter diesen neuen Bedingungen entwickelt haben, werden wir es so überleben müssen wie es das Leben, in all seinen Formen, schon mehrfach geschafft hat.
      Nur ob es dann noch Menschen gibt, die sich einen Subjektstatus zuschreiben können, halte ich für fraglich.
      Und die gesellschaftliche Panikzeit, wenn alle Deutungsoffenheit der Zukunft immer kleiner und kleiner wird, möchte ich mir gar nicht vorstelle.
      Einen kleinen Vorgeschmack erleben wir ja aktuell global und regional, wo Faktizität und Rationalität eben beliebig wird.
      Einem Fluss Rechte zu geben passt da gut rein, in meiner Möglichkeit die Welt zu erfassen.

      Mit allerbestem und nicht dytopischem (ich genieße jeden Moment des Lebens in vollen Zügen - selbst denen der DB ;) Gruß.
      Maruski

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    • @maruski Vielen Dank für Obiges, mit dem Du sehr persönlich und begründet Stellung beziehst.

      Werde es mir noch mal in Ruhe durchlesen. Hier wollte ich nur zu Deiner Äußerung am Anfang
      "Da alle Gesetze auf Erden menschengemacht sind (Fakt)" schreiben:

      Ob die Menschen ihr Recht beschließen ("Gesellschaftsvertrag") oder ob dies grundsätzlich gegeben (oder gar gottgegeben) ist, hat in der Philosophie eine lange Geschichte der Diskussion.

      In die Unabhängigkeitserklärung der USA fand dies Eingang, direkt zu Anfang:

      to which the Laws of Nature and of Nature's God entitle them, [...]

      auf die sie nach den Gesetzen der Natur und des Gottes der Natur Anspruch haben, [...]

      We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.
      -- That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed,
      -- That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute new Government, laying its foundation on such principles and organizing its powers in such form, as to them shall seem most likely to effect their Safety and Happiness.

      Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, dass unter diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind
      -- dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt werden, die ihre gerechte Macht aus der Zustimmung der Regierten ableiten,
      -- dass, wann immer eine Regierungsform diesen Zielen abträglich wird, es das Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen, die sich auf solche Grundsätze gründet und ihre Befugnisse in solcher Form organisiert, wie es ihnen am ehesten geeignet erscheint, ihre Sicherheit und ihr Glück zu bewirken.

      Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

      Die Gründerväter der USA gingen also wohl von der Version mit grundsätzlich gegebenem Naturrecht aus.
    • maruski wrote:

      Was ich zu bedenken gebe ist die Aufweichung dieser Rechtezugestehung des Subjektstatus, der Rechte ermöglicht, durch Erweiterung auf andere Ontologien als den Mensch, da das unweigerlich zu einer Relativierung führen muss.
      Eben jener Anthropozentrismus scheint mir dafür verantwortlich zu sein, dass sich Menschen für die Krone der Schöpfung halten und deshalb Tieren mit Emotionen und Leidensfähigkeit, gar vielleicht mit Selbstbewusstsein, keine Rechte zugestehen, da diese ausschließlich für den Menschen (ab wann und bis zu welchem Mutationsgrad der auch immer gerade definiert wird) reserviert zu sein scheinen.

      maruski wrote:

      Maximal kann ihre Kongruenz zu bestehenden Konstrukten erkannt werden, da sich Widersprüche beweisen lassen.
      Das ist ein logisch sehr fragliches Handeln und wenig wissenschaftlich, wenn es um das Ganze geht.
      Ich finde das den Inbegriff von Wissenschaft.
      "Wir irren uns empor."

      Ich finde eher das Gegenteil unredlich: Zu Glauben jemand hätte zum Zeitpunkt X eine alles erklärende, und auf ewig widerspruchsfreie Theorie.

      maruski wrote:

      Und wenn alle Menschen dem Fluss eine Rechtsfähigkeit zusprechen und das dann leben, ist das eben genau so heute, wie die Rechtsprechung zu Hexen im damaligen Sozialkontext auch so kongruent war.
      Warum, weil du anderer Meinung bist, weil sich die Wissenschaft der Rechtsprechung seit 400 Jahren nicht weiterentwickelt hat? (Und die Wissenschaft mit ihrer Selbstreflexion, welche dann in Begründungen eingebaut werden kann, auch nicht?)

      maruski wrote:

      Naturgesetze sind etwas was als wahr oder falsch an der Realität überprüfbar ist, Menschengesetze eben gerade nicht.
      Keiner von uns hat das in den letzten Posts behauptet, behaupte ich mal.
      Mir kommt es lediglich komisch vor, naturwissenschaftliche Begründungen in den Rechtswissenschaften anwenden zu wollen. Rechtspositivismus war gescheitert, soweit ich weiß.
      Ich glaube, weil Rechte eben nix mit Naturgesetzen zu tun haben, sondern Abstrakta sind.

      maruski wrote:

      Was ich zu bedenken gebe ist die Aufweichung dieser Rechtezugestehung des Subjektstatus, der Rechte ermöglicht, durch Erweiterung auf andere Ontologien als den Mensch, da das unweigerlich zu einer Relativierung führen muss.
      Mal abgesehen davon, das dies lediglich eine behauptete Prognose ohne Begründung ist:

      "[...] Die Vergabe von Rechten an bestimmte Tiere bedeutet nicht die rechtliche Gleichstellung von Mensch und Tier. Tierrechte sollen nach Ansicht ihrer Befürworter einer Tierart nach Komplexität des Gehirns und entsprechend vermuteter Unterschiede der Bewusstseinsfähigkeit zugesprochen werden.
      Unabhängig vom Nutzen, den ein Tier dem Menschen bietet, argumentieren Tierrechtler, soll dem Tier die Bestimmung über das eigene Schicksal so weit wie möglich gewährt werden; das Eigentum an Tieren und deren Nutzung soll also hinter das Selbstbestimmungsrecht des Tieres zurücktreten. [...]

      Ein Teil der modernen Tierrechtstheorie geht auf eine Gruppe von Dozenten der University of Oxford zurück, die in den 1970er Jahren anzuzweifeln begannen, ob der moralische Status von Tieren gegenüber dem von Menschen notwendigerweise minderwertig sein sollte. Unter ihnen befand sich auch der Psychologe Richard Ryder, der 1970 – analog zum Rassismus – den Begriff Speziesismus prägte. [...]

      Oft konstituieren Tierrechtsargumente so auch gleichzeitig eine moralphilosophische Herleitung für Menschenrechte. Aufgrund der angeblich naturwissenschaftlichen Unschärfe des Artbegriffs auf der Subjektebene, könne allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Art niemandem ein subjektives Recht zugeschrieben oder aberkannt werden. Dieser angebliche Fehlschluss wird als speziesistisch bezeichnet.

      Bisweilen werden Tierrechte auch auf der Grundlage der Kritischen Theorie oder mit poststrukturalistischen Argumenten begründet. [...]"

      --- de.wikipedia.org/wiki/Tierrechte


      Ich empfehle auch die im Artikel enthaltenen unterschiedlichen Theorien (wie utilitaristische Theorien oder deontologische Theorien) zu lesen. Auch sehr schön zusammengefasst bei der Bundeszentrale für politische Bildung:

      bpb.de/themen/umwelt/bioethik/…/tierethische-positionen/


      Oder hier politikwissenschaftlich von der Univertät Münster:

      "[...] Der ,political turn‘ steht für einen neuen, politischeren Blick auf Mensch-Tier-Verhältnisse. Schon seit dem 19. Jahrhundert wird in der Tierethik diskutiert, wie Tiere vor unnötigem Leid geschützt werden können. Jetzt stehen genuin politische Fragen im Zentrum: Kann man sagen, dass Tiere regiert werden? Können Tiere kooperieren? Politische Grundbegriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Ausbeutung werden auf Mensch-Tier-Verhältnisse übertragen. Eine Frage ist etwa, ob Tieren abhängig von ihrer Beziehung zu Menschen unterschiedliche Rechte zustehen. Haustiere hätten in diesem Fall andere Rechte als Wildtiere, weil sie in einer anderen Beziehung zu Menschen stehen.

      Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen der Bedeutung von Tierrechten und der sich verschärfenden Klimakrise?

      Es wächst das Bewusstsein dafür, dass unsere Art des Umgangs mit Tieren nicht nachhaltig ist. Forderungen nach besserem Umweltschutz verbinden sich jetzt häufig mit Forderungen nach durchsetzbaren Tierrechten. In Ecuador wurden Tierrechte zum Beispiel im Rahmen einer breiteren Idee von ,Rechten der Natur‘ eingeführt, die auch Rechte von Flüssen umfassen. In vielen Staaten gibt es neben ,Klimaklagen‘ strategische Klagen im Namen von Tieren. Das funktioniert aber nur, wenn Dritte im Namen von Tieren klagen dürfen. [...]"

      --- uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=13749


      "Es ist Zeit, Tieren mehr Rechte einzuräumen

      Tiere sind vor dem Gesetz keine juristischen Personen und damit in ihren Rechten stark beschränkt. Das sei unzeitgemäß und müsse sich ändern, fordert der Philosoph Krisha Kops."

      --- deutschlandfunkkultur.de/komme…echte-tierschutz-100.html

      maruski wrote:

      Das ist aber für jeden Menschen, jede Meinung, jedes Hoffen so und ja genau unser Grundproblem in Gesellschaften, die zunehmend die Verifizierung an der Realität durch Konsenzbildung im diffusen Sozialen ersetzen.
      Wieso ist das "das Grundproblem"? Ich glaube, das bedeutet Gesellschaft.

      Sehr zu empfehlender Vortrag auf YouTube zur Konsenzbildung von Wahrheit in Sozietäten, wie ich finde:

      "MEDIA CONVENTION Berlin 2015 - Friedemann Karig: Die Abschaffung der Wahrheit"

      maruski wrote:

      In Großen und Ganzen sehe ich bei dieser Diskussion enorme semantische Probleme
      Welche, bitte?

      maruski wrote:

      haben wir die Chancen, uns auf eine sich durch den Klimawandel verändernde (Um-)Welt, einzustellen verpasst
      Das glauben hoffentlich aufmerksame Lesende dieses Threads nicht.

      Klimawandel
      Klimawandel
      Klimawandel
      Klimawandel
      Klimawandel

      "Climate change adaptation

      Climate change adaptation is the process of adjusting to the effects of climate change. [...]"

      --- en.wikipedia.org/wiki/Climate_change_adaptation


      "Anpassung an den Klimawandel als neues Politikfeld"

      --- link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-50397-3_32


      "Vulnerabilität und Anpassung gegenüber Klimawandel Ansatzpunkte für eine Multi-Level-Governance-Analyse aus der Perspektive der Problemkonstitution"

      --- scholar.google.de/scholar?q=an…dt=0&as_vis=1&oi=scholart

      The post was edited 6 times, last by din ().

    • Mal ne Frage vorweg: "Ist eine sehr langatmige Diskussion hier über dieses Thema überhaupt erwünscht?"
      Nicht das es abdriftet.
      Mir macht es Freude mit intelligenten Mitmenschen komplexe Themen zu erörtern und ich bin für jede konträre Position dankbar (habe allerdings kaum Zeit noch all die Texte zeitnah in meiner Freizeit zu lesen und zu verinnerlichen - sorry) da ich jede Irritation meiner Bewusstseinsstruktur als Training, Test oder Verbesserungsmöglichkeit sehr schätze.
      Panta Rhei - alles fließt und meine Sichtweise auf meine Umwelt damit eben auch.
      Was mir sehr genehm ist.

      @ Manni5: Dein Verweis auf die US-Verfassung in der von "Schöpfern" und "Gottgegebenheit" ausgegangen wird, ist kein dünnes Eis mehr für mich. Da bin ich raus.
      Meines Wissens nach ist nie ein vernünftiger, also falsifizierbarer, Beweis für ein Naturrecht ohne Hinzuziehung von Metaphysichem postuliert worden.
      Und weder Götter noch sonstige Ideen von nichtmateriellen Ontologien, sind für mich greifbar, selbst wenn ich sie als möglicherweise vorhanden nicht ausschließen will.
      Sie als Grundlage für Gesetze heranzuziehen empfinde ich höchst beunruhigend und gehe da lieber mit nüchterner kantscher Argumentation konform.
      Ich kann ihr Nichtvorhandensein, also das von Göttern/Kreatoren/Schöpfern etc. genau so wenig beweisen, wie ihr Vorhandensein bewiesen werden kann.
      Metaphysisches ist eben nicht relevant für mich damit, egal ob real vorhanden oder ausgedacht.
      Ich sehe mich zwar als freien Dualisten (im Gegensatz zu den determinierten Materialisten, die uns in der Tat mit Tieren in dieser Beziheung gleichsetzen), aber auch als bescheidenen Agnostiker, der eben das Metaphysische als unerkennbar erkennt.
      Ich weiß, dass ich nichts weiß ;)
      Natürlich muss ich die Wahnvorstellung meiner Mitmenschen als real akzeptieren, denn Gespenster haben Relevanz, sobald ihre Gläubigen nach ihrem Wahn handeln und damit auch mein Leben beeinflussen. Das ist aber ein anderes Level, wie ich schon bei den Rechten versucht habe zu beschreiben.
      Bewusst triggere ich hier jetzt nicht mit Beispielen ;)

      @DIN: Relativierung ist doch kaum zu vermeiden, wenn Natur mit Zivilisation zusammengeführt wird.
      Und da haben wir schon so ein semantisches Problem, da ich kaum wissen kann was Du oder andere Leser, unter Zivilisation genau verstehen, ich aber das Wort in meinem Erfahrungshorizon auf eine bestimmte Art und Weise nutze.
      Nämlich um das zu benennen, was am menschlichen Dasein nicht Natur, also biologisch determiniert, ist.
      Man könnte es auch Kultur nennen, aber der Begriff ist noch unschärfer und beliebiger.
      Mir platz fast der Kopf, wenn ich an die gesellschaftlichen Probleme denke, die eine Konstruktion von Tierrechten, nach menschlichem Maßstab, bringt.
      Ein schlichte Frage ist doch schon die wie man damit umgehen soll, dass Rechtssubjekte Anspruch auf Hilfe hätten.
      Bsp.?
      Ein großer Prozentsatz der Pinguine stirbt jeden Winter auf dem Eis elendig - und zwar seit immer schon. Wie sähe es mit dem Punkt: unterlassene Hilfeleistung aus, wenn jeder Pinguin das Recht auf Leben und Hilfe bekommt?
      Wieso sollte man die Sardellenschwärme vor Überfischung schützen können, aber die massive Reduktion durch Fressfeinde als OK ansehen und diese nicht einschränken.
      Und, und, und - eine Kette von Absurditäten.
      Und wenn da dann Rechtsformeln gefunden werden, wie können diese, wenn sie kongruent zu bestehenden Recht sein sollen, vom Menschen, der in diesem Rechtssystem eben auch drin ist, fern gehalten werden?
      Pinguin darf weiter erfrieren, Obdachloser nicht (helfender Zwang, weil ein natürlicher Wille des Menschen zum Leben gedacht ist)?
      Du siehst die Absurdität in nur dieser einen Frage, wo es schnell eben Rückkoppelungen geben wird, da kaum einer die Pinguine von ihrer brutalen Lebensweise abbringen wollen kann, aber damit ihr Rechtsstatus nicht das Recht auf Leben beinhalten kann, wenn sie Reihenweise erfrieren (wollen?).

      Ich bin in dieser ganzen Tierrechstdiskussion aber nicht wirklich drin und sehe sie auch als nicht für mich relevant an, da ich meiner biologischen Natur nach ein Raubtier bin, dass eben andere Tiere tötet und auffrisst.
      Tierwohl ist für mich auch eher eine Qualitätsfrage meines Futters, als ein moralisches Problem. Und klar kaufe ich immer die höchstmögliche Haltungsform, aber das eben weil ich glaube artgerechte Haltung führt zu besseren Qualität des Fleisches und des Genusses.

      Menschenwohl ist seit über 30 Jahren mein berufliches Thema und da gibt es endlos viel zu tun.
      Bei der Annahme von endlichen gesellschaftlichen Ressourchen sehe ich jegliches Engagement für Tiere als Verschwendung von Energie an, solange wir regional, bundesweit und global eine Realität stehen lassen, die enormes reales menschliches Leid ignoriert, aber für Pfiffi und Mausi, die lieben Haustiere, jährlich Milliarden Euros und Dollars sinnfrei, bzw. hoch egoistisch, verballert.

      Und Gesellschaft bedeutet für mich eben nicht realitätsferne Konstruktion von Wahnideen (wie z.B. Hexen), die dann im Konsens als Realtität akzeptiert werden müssen, nur weil sie den Mächtigen beim Herrschen helfen.

      Zit. DIN: Ich finde das den Inbegriff von Wissenschaft.
      "Wir irren uns empor."
      Ja, aber dann darf man nur "Wahrheiten" formulieren, die auch falsifizierbar sind und damit als Irrtum erkennbar.

      Zit: ".....soll dem Tier die Bestimmung über das eigene Schicksal so weit wie möglich gewährt werden".
      Als ob Tiere einen freien Willen hätten, der ihnen eine Bestimmung ihres Schicksals ermöglicht. Ob Menschen dazu überhaupt in der Lage sind, wird z.B. von strengen Materialisten angezeifelt.
      Im Falle meiens Pinguin-Beispiels wäre es doch zynisch anzunehmen, dass diese Tiere, also die, die sterben dort, ihr elendiges Schicksal freiwillig wählen würden. Sie können schlicht nicht anders und der enorme Schwund ist brutale inhumane Natur, der jede konstruierte Moral fremd ist.
      Menschen könne dauerhaft aus schlimmen Umwelten emigrieren und sich bessere Lebensräume suchen, ihr Schicksal bestimmen, Tiere eben nicht.
      (Hier könnte eine endlose Diskussion zur aktuellen globalen Migration von Menschen ansetzen - was aber nicht soll.)

      Schwache und Kranke so auszuselektieren, zum Nutzen der Gesamtpopulation/der Art, ist Natur, die ja hier zu Lande auch schon mal praktizierte Moral und Recht war.
      Soviel zur Relativierung durch Gleichsetzung von Menschsein und Natursein, die Du als meine Prognose beschreibst.
      Bewusst ist der Mensch in der Rechtsprechung aus der Natur rausgenommen, ihr übergeordnet worden, um Barbarei, wie sie in der Natur Gang und Gebe ist, auszuschließen.
      Da jetzt wieder zusammenzuführen halte ich halt für extrem gefährlich für die Humanität und einen Rückschritt der Zivilisation.

      Mit bestem Gruß vom Weidenrande.
      Maruski, der jetzt zur Arbeit muss
    • @maruski

      Ich habe mich nicht für eine Begründung von Recht durch Metaphysisches ausgesprochen, bzw. wollte das nicht.
      Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es zwei Sichtweisen gibt:

      a) Menschenrechte sind da, auch ohne Beschlüsse von Menschen. Ein Argument hierfür ist, dass in allen Gesellschaften und Gruppen gewisse Rechte und Vorstellungen gelten, z.B. dass Gewalt gegen Kinder oder Schwangere schlecht ist
      b) auch Menschenrechte werden durch einen Gesellschaftsvertrag (Hobbes) beschlossen.

      Ich persönlich nehme a) an.

      Zusammenhang zum Thema: Entsprechend könnten Grundrechte auch für andere intelligente und empfindungsfähige Wesen z.B. aus dem All, oder auch Tiere, gelten.

      Dies liegt, denke ich, auch den Urteilen der obersten Gerichte in den erwähnten anderen Staaten zugrunde (sogar ohne Nachweis von menschenähnlicher Intelligenz), die diese Grundrechte *feststellen*, anstatt sie zu beschließen oder beschließen zu lassen.
      Dennoch habe ich, wie Du, @maruski, bei den Rechten für Flüsse usw. Bauchschmerzen, wie schon angegeben. Das weicht alles auf.
    • interessanter austausch.

      auch wenn (zukünftige) menschen darüber den kopf schütteln könnten, so habe ich schwierigkeiten damit, mir natur als rechtssubjekt vorzustellen.

      beispielweise bei der frage einer lebensrettung von kind oder katze, sehe ich da keine gleichstellung. ebenso ist eine insektenvernichtung nicht mord oder totschlag.

      diese einwände bedeuten aber keine geringschätzung von natur- und tierschutz.
      man mag sie als anthropozentrisch empfinden; ich halte dagegen, dass gerade ein anthropozentrisches weltbild naturschutz zwingend erfordern sollte.
      das bedeutet die politische notwendigkeit eines über den tellerrand hinaussehens.
      es darf nicht eine frage der wirtschaftlichen macht sein, wie mit der natur umgegangen wird.
      daher rechte: ja, auf jeden fall; subjektstatus: eher nein.



      apropos persönliche erfahrungen:
      in der schulzeit gingen gleichzeitig zwei unterschriftenlisten durch die klasse, eine petition für den schutz von robbenbabys und eine von a.i.; ich fand`s weird, wie wenige zweitere unterschrieben.
    • @ Manni5
      Es gibt endlos viele Beispiele in der Menscheitsgeschichte, in denen allen Arte von Menschheitsmitgliedern der Subjektstatus aberkannt und sie zu Objekten, ohne Rechte, degradiert wurden (Der Umgang mit Kindern in Sparta mag da nur ein Beispiel sein). Daher ist dieses Argument für eine Vermutung von vom Menschen unabhängige Menschenrechte recht schwach.

      Natürlich gibt es biologische Determinanten, die z.B. Schmerz als schlechest und Liebe als gutes Gefühl bedingen.
      Nur lassen sich auch nicht wenige Gesellschaften finden, in denen sich Regeln manifestiert haben, die genau diese faktischen Gefühle kontrovers fördern oder verpönen, mit Gesetzen, Regeln und Weltdeutungen.
      Das Konstrukt von Schuld und Sünde ist da ein gutes, ja perfektes Vehikel für.

      Kant hat das "Ding an sich" in seiner Metaphysik ersonnen, also eine metaphysische, vom Menschen und seinem Schaffen unabhängige, Idee der "Dinge an sich" als tiefsten Grund des Seins gedacht.
      Alles was wir dann pyhsisch umsetzen ist nur ein Schatten des Wahren, vom Menschen unabhängigen "Dings an sich".
      Sein Beispiel war, wenn ich mich recht erinnere, der Stuhl (oder war es der Tisch?), den wir immer nur aufgrund der Idee eines Stuhles, das menschenunabhängig immer schon existiert hat, umsetzen können und damit nie den "Stuhl an sich" repräsentieren können, der nur metaphysisch wirklich vollkommen real existiert.
      Damit würde unsere unvollkommene Realität zu einem Schatten des echten vollkommenen Seins. Spooky, finde ich, aber sehr sexy Erklärung für vieles Beobachtbares.
      So gesehen wären die Menschenrechte, die Du ansprichts, ein metaphysisches "Ding an sich" und die real existierenden Menschenrechte dann Menschenwerk, dass nur die für uns notwendigen Teilaspekte beinhaltet.
      Erweitert auf ein "Ding an sich", dass wir meinetwegen "Lebensrechte" nennen könnten, würde es einen von uns konstruierten Subjektstatus für alles an Leben rechtfertigen.
      Ein Fluss aber würde noch größere metaphysische Sprünge erfodern ;)
      In Venezuela sicherlich kein Problem, denn die verlegen, wegen der wachsenden Volksunzufriedenheit, auch mal einfach Weihnachten drei Monate vor, weil Menschen zu Weihnachten immer fröhlicher sind. Da kann auch ein Fluss in dieser Postfaktizität natürlich einen Berg heiraten dürfen dann ;-)))
      Aber wie gesagt, auch da kommen wir unabhängig von Religion oder sozialen Traditionen ins Metaphysische, was mir (wie vieles bei Kant) mindestens suspekt erscheint.

      Ich plädiere ja für eine volle Verantwortung des Menschen für sein Handeln, ohne Berufung auf Metaphysisches jeder Art.

      Und demnach gibt es für mich, ausserhalb jeglicher Philosophiererei über was im tiefsten Grunde wurzelt, Rechte nur als Konstrukt von Menschen, die unter anderen gesellschaftlichen Korrelationen auch, ebenso funktionierend, diametral anders hätten gesetzt werden können.
      Das Wort "Gesetz" ist hier in Deutschen sicherlich nicht widersprüchlich zu sehen.

      Mit meinem Schwager hatte ich vor langer Zeit eine endlose, also ohne Ergebnis, Diskussion, ob es in unserem Universum Zahlen real gibt oder sie nur Menschengemachtes sind.
      Also ob auch ohne Menschen Zahlen real weiter existieren würden in unserem Universum.
      Gab es Zahlen schon zu der Zeit der Dinosaurier?
      Naturgesetze klar, den es gab ja auch Natur und Beides ist natürlich vom Menschen unabhängig existent.
      Aber sind Zahlen Naturgesetze oder nur eine komplexe und abstrakte menschliche Sprache mit der komplexe und abstrakte Naturgesetze kommuniziert werde können?

      Einer meiner Onkel in USA ist radikal evangelikaler Kirchenvorstand (krasser Trumpist) einer riesigen und abartig reichen Assembly of God-Gemeinde in New Jersey und mit dem hatte ich immer ein diebisches Vergnügen, jedes Mal wenn ich ihn dazu bekommen hatte mit mir über die mögliche Erlösung (also im rechtlichen Sinne eine Entschuldung) von Ausserirdischen zu sprechen (an deren Existenz er fest glaubt), die ja durch Jesus Sterben am Kreuz eben nicht explizit von ihrer Erbsünde (die sie seltsamerweise auch haben, seiner Meinung nach) erlöst wurden.
      Für die Evangelikalen in den USA eine ernsthafte Frage, da nur mittels ihrer Beantwortung klar ist, wie man bei möglichem Kontakt bezüglich Bekehrung handeln soll.
      Da gab es meinerseits aber nur Belustigung (wenn es nicht so ernst in der Realität der darauf basierenden Handlungen wäre) und keine Chance auf Konsens, egal wie brutal er sich in zum Teil einem Satz widersprach, denn sein Glaube war universell dominat und jedes Argument nichtig, sollte es Widersprüche aufdecken.
      Irrationalität vom Allerfeinsten.
      Und ich glaube das es bei Tier- bzw. Naturrechten auch in diese Richtung geht, bei der die Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen so stark ist, dass sie Irrationalität vor Logik setzt und der Glaube an Machbarkeit eines Klimawandelstopps so enorme psychologische Energie frei setzt, dass alle Widersprüche irrelevant werde.

      Und ich fange hier gar nicht erst an wie dieser Glaube an die Allmacht des Menschen gut in die Konzepte von Machterhalt und Gewinnmaximierung passt.
      Nähre die menschliche Hybris von Allmachbarkeit und mache Gewinn mit der Umsetzung - funktionierte schon beim Pyramiedenbau (und lange vorher), der das ägyptische Großreich regierbar und profitabel hielt, mit einem religiösen/philosophischen Wahn, der vom Heute betrachtet vollirre erscheint, aber damals anerkannte Realität war - von Wissenschaft und Gesellschaft widerspruchsfrei gestützt.

      Das wirklich Gute am Dasein ist, wie mein Professor immer sagte, dass die wirklich wichtigen Dinge des menschlichen Daseins nicht diskutiert werden können, sondern sich der Realität beugen müssen.
      Leider bedingt das auch häufig ein Ende des Daseins und wir Ostfriesen sehen daher, aus langer Naturerfahrung zu, dass unsere Deiche immer etwas höher als die der Nachbarländer sind, weil die Nordsee nie unser Freund wird.

      In diesem Sinne, stabil bleiben und nicht verzagen.
      Maruski
    • Inwiefern wird das Recht auf freie, gleiche und geheime Wahlen von Männern relativert, wenn dieses Recht auf weitere Lebewesen - sagen wir mal Frauen - erweitert wird?
      Inwiefern wird dieses Recht auf freie, gleiche und geheime Wahlen relativiert wenn wir es nochmal erweitern auf z.B. Jugendliche?

      Inwiefern wird das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit relativiert, wenn wir es auf andere Lebewesen ausweiten?

      Sollte es sich wirklich lediglich um ein semantisches Problem handeln, wäre es meiner Meinung nach kein echtes Problem. Soweit ich weiß, wurden schon immer und werden auch künftig Begriffe in ihrer exakten Auslegung in demokratischen Rechtsstaaten durch Gerichte definiert. So entwickelt sich die Gesellschaft durch die Ausmittelung von unterschiedlichen Interpretationen von Begriffen in erlassenen Gesetzen weiter, denke ich.

      Ich glaube, da wird nix relativiert sondern über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte wird nur mehr differenziert.

      Das Recht ist ein Abstraktum; ein Begriff eines Ideals, wenn ich mich nicht irre. Das wird nicht nach unten relativiert durch Anwendung auf mehr Betroffene, finde ich. Das Ideal gilt immer, meine ich. Einzig die Realität kann das Ideal nicht ideal umsetzen, denke ich. Aber das war schon immer so, glaube ich. Das Ideal ist z.B. "freie, gleiche, geheime Wahlen"; dies gilt immer, egal für wieviele Entitäten, meine ich. Wenn nun die Realität in Form der Gesellschaft sich entscheidet es nur auf volljährige Männer anzuwenden, setzt das einen Index, denke ich. Jetzt kannst du natürlich zu Recht sagen: "Wenn wir das jetzt auch den Frauen geben, dann wird die Umsetzung schwieriger und das relativiert das Recht der Männer zu wählen nach unten! Deren Stimme ist dann nicht mehr so viel wert!", was rechnerisch korrekt wäre, aber dennoch ein ethisches Gebot, behaupte ich mal.

      maruski wrote:

      Ja, aber dann darf man nur "Wahrheiten" formulieren, die auch falsifizierbar sind und damit als Irrtum erkennbar.
      Es kommt mir vor, als verwechseltest du Naturwissenschaft mit Geisteswissenschaft. Naturwissenschaften zeichnen sich durch einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge aus, soweit ich weiß. Geisteswissenschaften sind ob ihrer Komplexität nicht falsifizierbar, auch wenn sehr viel Empirie betrieben wird um es zu versuchen, soweit ich das mitbekommen habe.
      Komplexität zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es immernoch eine Annahme mehr geben muss, die es zu berücksichtigen gitl, selbst wenn wir sie zum Zeitpunkt X noch gar nicht kennen. In diesem Punkt nähern sich auch gerade die Physik u.a. an die schon lange bekannten Probleme der Soziologie an, wenn ich das korrekt verstanden habe.

      So sind auch Wetter und Klima mittlerweile als komplexe Phänomene in der Physik anerkannt, über welche sich eben gerade keine einfachen Wahrheiten mehr formulieren lassen, weshalb es einen extra Wissenschaftszweig namens Attributionsforschung bedarf um Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln, mit der ein Phänomen überhaupt erst zugeordnet werden kann, wenn ich das korrekt erfasst habe. Da ist überall nix mehr mit "sicher" und 2+2=4, wenn ich das richtig verstanden habe. Die einfachen Wahrheiten können nur den einfachen Zusammenhängen zugeschrieben werden, denke ich. Komplexe Phänomene sind naturgemäß nicht einfach, soweit ich weiß.

      maruski wrote:

      Mir platz fast der Kopf, wenn ich an die gesellschaftlichen Probleme denke, die eine Konstruktion von Tierrechten, nach menschlichem Maßstab, bringt.
      Weshalb es ja zum Glück studierte Spezialist:innen gibt und geben wird, welche sich mit der Thematik beruflich befassen, könnte ich mir vorstellen. Die Konstruktion "Menschenrechte" ist doch schon ultra kompliziert genug und für einen Menschen allein undurchdringbar, wie ich finde.
      Auch hier gilt meiner Meinung nach: Gerichte mitteln die unterschiedlichen Auslegungen der kodifizierten Begriffe aus. Da es sich um globales Recht handelt, wird das wohl 'ne Weile dauern, könnte ich mir vorstellen.

      maruski wrote:

      Ein schlichte Frage ist doch schon die wie man damit umgehen soll, dass Rechtssubjekte Anspruch auf Hilfe hätten.
      Das wurde ja in meinem vorherigen Post schon beantwortet und in diesem habe ich es auch mehrfach versucht.

      Mit dem normalen Alltag eines Rechtsstaates, denke ich. Gerichte bekommen Gesetze vorgelegt, welche sie alle erstmal auf ihre eigene Art und Weise interpretieren, auslegen und dann anwenden müssen, wenn ich das richtig gelernt habe. Das mittelt sich über die Instanzen nach oben aus, wo dann schon die präzisesten Begründungen gebündelt ankommen und wo dann nochmals mit hoher Intelligenz, hoffentlich Weisheit, mindestens aber Sachverstand ein temporär finales Urteil über die Ausleg- und Anwendung eines Begriffes gesprochen wird, wenn meine Ansicht stimmt.

      Das passiert auch heute schon bei all den auch heute schon existierenden Kuriositäten von Fällen, soweit ich weiß. Verfolge mal 'ne gewisse Zeit die Feulletonspalte von lto.
      Auch solche, wie von dir als kuriose Extrembeispiele erdachten Fallkonstellationen, werden im normalen Alltag untergehen, wie auch heute schon die komischen Fälle keinerlei Beachtung im Mainstream finden, es sei denn, sie werden irgendjemandem von Nutzem sein, nehme ich an.

      maruski wrote:

      Ein großer Prozentsatz der Pinguine stirbt jeden Winter auf dem Eis elendig - und zwar seit immer schon. Wie sähe es mit dem Punkt: unterlassene Hilfeleistung aus, wenn jeder Pinguin das Recht auf Leben und Hilfe bekommt?
      Wer sagt denn, dass sie dies bekämen? Spekulation war doch imner jemand anderes Spezialität in diesem Forum, dachte ich.

      maruski wrote:

      Wieso sollte man die Sardellenschwärme vor Überfischung schützen können, aber die massive Reduktion durch Fressfeinde als OK ansehen und diese nicht einschränken.
      Wer sagt denn, dass die Menschheit nicht auch weiterhin rechtliche Argumente dafür fände in Ökosysteme eingreifen zu dürfen? Alles Spekulation, meine ich.

      maruski wrote:

      Und, und, und - eine Kette von Absurditäten.
      Wie geschrieben: Absurditäten sind dem Recht nicht fremd, sondern fester Bestandteil, glaube ich.

      maruski wrote:

      Und wenn da dann Rechtsformeln gefunden werden, wie können diese, wenn sie kongruent zu bestehenden Recht sein sollen, vom Menschen, der in diesem Rechtssystem eben auch drin ist, fern gehalten werden?
      Vorrausgesetzt eine Fernhaltung wäre überhaupt gewollt, durch Differenzierung, behaupte ich mal.

      maruski wrote:

      Pinguin darf weiter erfrieren, Obdachloser nicht (helfender Zwang, weil ein natürlicher Wille des Menschen zum Leben gedacht ist)?
      Wer denkt denn sowas?

      maruski wrote:

      Du siehst die Absurdität in nur dieser einen Frage, wo es schnell eben Rückkoppelungen geben wird
      Rückkopplungen zwischen Legislative, Exekutive und Judikative sind das normalste der Welt und müssen auch heutzutage schon gehandhabt werden, glaube ich.

      maruski wrote:

      Ich bin in dieser ganzen Tierrechstdiskussion aber nicht wirklich drin und sehe sie auch als nicht für mich relevant an, da ich meiner biologischen Natur nach ein Raubtier bin, dass eben andere Tiere tötet und auffrisst.
      Ist hier vielleicht die Menge relevant?
      Und wenn ja: Was wäre denn ein "gesundes Maß" und wer legte dieses fest?

      maruski wrote:

      Tierwohl ist für mich auch eher eine Qualitätsfrage meines Futters, als ein moralisches Problem. [...] Menschenwohl ist seit über 30 Jahren mein berufliches Thema
      Spannend wäre zu erfahren, wann für dich die Trennlinie aufgeweicht ist und der Mensch auch nur als ein Tier unter vielen gälte.
      Was ist denn zum Beispiel mit durch Technologie geschaffenen Kreuzungen aus Menschen und Schweinen? Dürftest du die Essen oder müssten die deiner Meinung nach Rechte bekommen?

      "[...] US-Wissenschaftler haben ein Mischwesen geschaffen - aus Zellen von Schwein und Mensch [...]"
      --- science.orf.at/v2/stories/2822382/


      Aber klar, ist nur Spekulation ob es überhaupt solche Lebewesen in Zukunft lebensfähig gäbe.
      Meine Frage war eher ob du den Menschen zu den Säugetieren zählst.
    • maruski wrote:

      Bei der Annahme von endlichen gesellschaftlichen Ressourchen sehe ich jegliches Engagement für Tiere als Verschwendung von Energie an, solange wir regional, bundesweit und global eine Realität stehen lassen, die enormes reales menschliches Leid ignoriert
      "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt. Mahatma Gandhi"

      --- radioeins.de/programm/sendunge…n/denkpause/20240319.html


      Wieder dieses "Die Menschheit darf nur an einer Baustelle gleichzeitig arbeiten!", was wir in diesem Thread schon so oft gelesen haben, wenn ich mich recht erinnere.

      maruski wrote:

      Und Gesellschaft bedeutet für mich eben nicht realitätsferne Konstruktion von Wahnideen
      Da ist sie wieder, die Abwertung der Ideen, der Forschungsleistung und der Intelligenz aller Personen, welche sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema befassten und eben jene "Wahnideen" hervorbrachten.

      maruski wrote:

      die dann im Konsens als Realtität akzeptiert werden müssen, nur weil sie den Mächtigen beim Herrschen helfen.
      Das müsstest du mir bitte etwas genauer erklären. Inwiefern hilft die Vergabe von Rechten an z.B. Flüsse, Wälder oder Wale / Delphine den Mächtigen?

      maruski wrote:

      Als ob Tiere einen freien Willen hätten, der ihnen eine Bestimmung ihres Schicksals ermöglicht. Ob Menschen dazu überhaupt in der Lage sind, wird z.B. von strengen Materialisten angezeifelt.
      Na eben, wenn es also beim Menschen noch nicht einmal so klar ist (weil er eben nur "das geistige Tier" / "der erzählende Affe" ist), warum sollten Tiere das dann nicht auch haben dürfen?

      Die Frage ist doch eher: Hat ein Säugling einen freien Willen? Haben Menschen mit krassem Gehirnschäden (egal ob angeboren oder nach Unfall), welche absolut nicht mehr autonom lebensfähig sind und auch nicht kommunizieren können, einen freien Willen? Und wenn ja, wie erkennen wir den, wenn nicht kommuniziert werden kann?

      "Freien" (möglicherweise nicht nachweisbaren) Willen würde ich nicht als Grundlage für Rechtssubjektzusprechung heranziehen.

      maruski wrote:

      Sie können schlicht nicht anders und der enorme Schwund ist brutale inhumane Natur
      Wenn der Klimawandel menschengemacht ist und Pinguine auch auf Grund dessen enorm schwinden, dann ist das für dich bloß "inhumane Natur"? Die Menschheit hätte keinerlei Anteil daran und somit auch keinerlei Verantwortung?

      maruski wrote:

      Bewusst ist der Mensch in der Rechtsprechung aus der Natur rausgenommen, ihr übergeordnet worden
      Ja, im Mittelalter, wo er sich zur Krone der Schöpfung selbst emporhob, was in der Moderne allerdings nun wieder wissenschaftlich beackert wurde, nur um festzustellen, dass der Mensch ja doch vielleicht eher Teil der Natur ist und nicht über ihr steht, wenn ich das korrekt mitbekommen habe. Ich fände es konsequent, wenn träge Teilsysteme des Sozialen, wie z.B. das Recht, dahingehend nachzögen und sich weiterentwickelten.

      maruski wrote:

      Da jetzt wieder zusammenzuführen halte ich halt für extrem gefährlich für die Humanität und einen Rückschritt der Zivilisation.
      Wie ganz oben geschrieben, glaube ich nicht, dass hier irgendetwas zusammengeführt wird, sondern erweitert. Wie alle Wissenschaften, so differenziert sich das Recht lediglich weiter und weiter und weiter und weiter aus. Ist in der Mathematik so, ist in der Physik und Biologie so, ist in der Soziologie so und wird auch in der Rechtswissenschaft so sein, denke ich.

      Ich halte es demnach sogar für eine Schärfung des Humanitätsbegriffes. Ich glaube, du brauchst da nicht so viel befürchten. Alles was schief laufen könnte, läuft auch jetzt schon schief, meine ich. Die Menschheit wird nicht durch Rechte der Natur untergehen und die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen, glaube ich.

      Meffi wrote:

      beispielweise bei der frage einer lebensrettung von kind oder katze, sehe ich da keine gleichstellung
      Ich frage mich, warum so viele Menschen glauben, dass eine Rechtsubjekterweiterung auch mit einer Rechtsgleichstellung einherginge. Als könnten wir Menschen nicht differenzieren.

      Ich denke, "niemand" würde einer Katze die gleichen Rechte zusprechen wie einem Menschen.

      -----------------------
      Ich empfehle die Ausführungen der Bundeszentrale für politische Bildung zu diesem Thema:

      "Philosophische Fragestellungen in der Tierethik

      [...] Wie wir gesehen haben, sind die Kategorien, unter denen wir Tiere begreifen, abhängig von einer parteiischen menschlichen Ordnung. Jüngst zeigen kognitionswissenschaftliche Studien, dass wir einer ganzen Reihe von Tieren jedoch kognitive Fähigkeiten zusprechen sollten, die sie in Nähe zu denen menschlicher Personen versetzen. Die Beziehung unserer Zwecksetzungen und die Nutzung der Tiere als Mittel zum Erreichen unserer Ziele sollten vor diesem Hintergrund grundlegend überdacht werden.

      Die Tierphilosophie zielt deshalb darauf ab, unsere parteiische Sichtweise zu reflektieren und die Annahmen sachlich zu überprüfen. [...]"

      --- bpb.de/themen/umwelt/bioethik/…llungen-in-der-tierethik/

      The post was edited 4 times, last by din ().

    • @din
      Vielen Dank für deine so gut nachvollziehbare Ausformulierung deiner Sichtweise auf meine.
      Mir alles soweit bekannt und auch zu Recht statthaft.
      Nur eben sehe ich aus langer Erfahrung mit meinen Mitmenschen eben nicht wie deine Position funktionieren soll.
      Prognosen, Vermutungen oder auch Hypothesen zu Zukunft sind, auch wenn mit Argumenten unterfüttert, leider für beide Sichtperspektiven immer kritisierbar, denn die Zukunft ist und bleibt kontingent.

      Und glaub mir, ich würde gerne in allen meinen pessimistischen Vermutungen vollkommen falsch liegen und dann in einem menschengemachten Paradies der Gerechtigkeit und Liebe leben ... nur zeigen über 10.000 Jahre bekannter Menschheitsgeschichte, dass da irgendwie dauerhaft der Wurm drin war und keine bisher realisierte Gesellschaft dazu in der Lage war wirklich substantiell über unseren Säugetierstatus hinweg zu kommen.

      Ja, wir sind brutale Säugetiere in unserer biologischen Determiniertheit und genau da liegt ja der Punkt, dass wir uns vom Tierischen bewusst absondern und unsere Humanität ÜBER das Tierische stellen.
      Bewusst uns absondern vom Tierischen und eine Distanz im Denken, was auch dann unser Handeln bedingt, zum Tierischen aufbauen, damit wir nicht wie Tiere handeln, auch wenn wir wie welche fühlen.
      Diese Verklärung des Urzustandes der Natur (besonders in Krisenzeiten) ist eine immer wiederkommende Mode, auch in der Wissenschaft, die noch nie zu Gutem geführt hat.
      "Krone der Schöpfung" - solltest du doch rausgelesen haben, dass ich so eine Denke für puren Bullshit ansehe, da das Konstrukt eines unbeweisbaren Schöpfers für mich unsinnig ist.

      Das Fass mit den soziologischen/geisteswissenschaftlichen Theorien und der Wahrheitsfindung, bzw. Falsifizierbarkeit von Geisteswissenschaft, mache ich hier jetzt bewusst nicht auf ;) - nur kurz - es gibt keine Wahrheiten in der Soziologie, nur geeignete und ungeeignete Werkzeuge zur Wahrheitsbeschreibung, die man sehr wohl testen und bewerten kann.

      Humberto Maturana hat in seinem grandiosen Buch: "Der Baum der Erkenntnis" sehr gut dargelegt wie der Drift der Arten auch auf uns Menschen zutrifft und wie wir uns abheben können von unserem tierischen Erbe.
      Wir haben Kultur, wir haben Selbstreflexion, wir haben Schuldgefühle und wir haben Bewusstsein, was eben mehr ist, als ähnlich aussehendes Erkennen von Ontologien, die es auch im Tierreich eben gibt.
      Aber da werden wir eh niemals auf einen gemeinsamen Nenner kommen können und uns maximal ein wenig gegenseitig in unserer Position irritieren.
      Und genau das freut mich ja schon, wenn deine Worte mich nachdenklich machen - egal ob ich dann bei meiner Sichtweise bleibe, ja besonders wenn ich bei ihr bleibe, weil sie mir schlüssiger erscheint.
      Ich hoffe invers ist dem ähnlich so.

      Mit bestem Gruß vom Weidenrande
      Maruski

      Nicht so ernst nehmen alles - oder wie Douglas Adams sagte: Don´t panic.
    • maruski wrote:

      ich würde gerne in allen meinen pessimistischen Vermutungen vollkommen falsch liegen und dann in einem menschengemachten Paradies der Gerechtigkeit und Liebe leben
      Immer diese Extreme ...
      "Ich würde ja gerne mit meiner superrealistischen Sichtweise falsch liegen und in Eurer Ponyhof-Einhorn-Fantasiewelt leben ..."

      Bisher haben noch alle Pessimisten wie Nostradamus falsch gelegen, also immer schön weiterhoffen, dass auch du falsch liegen könntest. :)

      Nur weil nicht die perfekte Welt bei herausgekommen ist, heißt dass ja nicht, dass die Welt-wird-untergehen-Leute recht behielten, denke ich.

      Es wird sich halt wie immer im Leben zu einem mehr oder weniger schlechtem Kompromiss entwickeln, könnte ich mir vorstellen.

      maruski wrote:

      nur zeigen über 10.000 Jahre bekannter Menschheitsgeschichte, dass da irgendwie dauerhaft der Wurm drin war
      Willst du allen Ernstes behaupten, in den letzten zehntausend Jahren sei die Welt nicht besser geworden?
      Das wäre, das Abwertendste, was ich in diesem Forum bisher gelesen hätte.

      "[...] Im Mittelgrund der Zeichnung zieht am Horizont aus entgegengesetzter Richtung eine zweite Nacktschnecke entlang. Beide Schnecken haben ihre Köpfe mit den ausgestreckten Fühlern in das Bildinnere gewendet. In dieser Entwurfszeichnung zum Umschlag des Prosawerks Aus dem Tagebuch einer Schnecke verbindet Grass verschiedene Elemente, die den Inhalt des Texts versinnbildlichen: Zum einen steht die Schnecke, die Grass als sein »Wappentier« bezeichnet, für die Einsicht: »Der Fortschritt ist eine Schnecke«. Grundlegende, dauerhafte Neuerungen würden demnach nicht durch Revolutionen, sondern durch allmählichen und beharrlichen Wandel erfolgen. [...]"

      --- sammlung.grass-haus.de/werk/au…gebuch-einer-schnecke-266

      maruski wrote:

      keine bisher realisierte Gesellschaft dazu in der Lage war wirklich substantiell über unseren Säugetierstatus hinweg zu kommen.
      1. Sollen wir deshalb jetzt aufhören an der Verbesserung zu arbeiten?
      2. Die Menschenrechte stellen für dich keine substanzielle Entwicklung (wenn auch noch nicht vollendet umgesetzt) dar? Gilt für dich ausschließlich "Alles oder Nichts!"?
      Es gab demnach für dich keinerlei substanziellen Fortschritt in der Ethik?
      3. Was genau stellst du dir denn unter "über unseren Säugetierstatus hinweg kommen" vor?

      maruski wrote:

      Ja, wir sind brutale Säugetiere in unserer biologischen Determiniertheit
      Nein, wir sind mehr kooperative Säugetiere, wie die Wissenschaft längst empirisch belegte, soweit ich das verstanden habe. "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" war wiedereinmal nur eine steile Hypothese eines verängstigten alten Mannes, wenn ich das richtig mitbekommen habe.

      maruski wrote:

      da liegt ja der Punkt, dass wir uns vom Tierischen bewusst absondern und unsere Humanität ÜBER das Tierische stellen.
      Nein, die moderne Politikwissenschaft (und Soziologie, und Neuro-/Biologie) weiß das Tierische des Menschen in Theorie vom Menschen und die daraus resultierenden Handlungsaufforderungen zu integrieren, soweit ich weiß.
      "Die Natur des Menschen" gibt es nicht, soweit ich das bisher lesen konnte.
      Das war immer schon eine Unterkomplexisierung des Phänomens "Mensch" von "am Ende ihrer Weisheit seienden aber dennoch alles erklären wollenden", alten Männern, glaube ich.

      maruski wrote:

      damit wir nicht wie Tiere handeln, auch wenn wir wie welche fühlen.
      Wir fühlen nicht wie Tiere ... wir sind fühlende Tiere, meine ich.
      Zusätzlich sind wir geistige Tiere, glaube ich gelesen zu haben.
      Und deshalb geziemt es sich besonnener zu handeln als andere Tiere, glaube ich.

      maruski wrote:

      Diese Verklärung des Urzustandes der Natur
      Die Natur hat keinen Urzustand, denke ich. Die Natur hat nur einen Zustand, soweit ich weiß. Manche könnten vielleicht behaupten, der Urzustand der Natur wäre vor dem Urknall gewesen und ab da gäbe es ausschließlich Entwicklung, aber das maße ich mir nicht an zu beurteilen.

      maruski wrote:

      "Krone der Schöpfung" - solltest du doch rausgelesen haben, dass ich so eine Denke für puren Bullshit ansehe
      Deine anthropozentrischen Ich-bin-ein-Fleischfresser-Posts (obwohl der Mensch ein Allesfresser ist) sprechen eine andere Sprache, in meinen Augen. Es sieht für mich oft nach "Krone der Evolution" aus. Sorry, wenn ich dich da falsch verstanden habe.

      maruski wrote:

      Das Fass mit den soziologischen/geisteswissenschaftlichen Theorien und der Wahrheitsfindung, bzw. Falsifizierbarkeit von Geisteswissenschaft, mache ich hier jetzt bewusst nicht auf - nur kurz - es gibt keine Wahrheiten in der Soziologie, nur geeignete und ungeeignete Werkzeuge zur Wahrheitsbeschreibung, die man sehr wohl testen und bewerten kann.
      Jetzt hast du es ja doch aufgemacht ...

      Also "es gibt keine Wahrheiten in der Soziologie", daran werde ich dich erinnern, wenn du das nächste mal jemanden mit abstruser Meinung über Wahrheiten aufklärst.
      Vorher erkläre mir aber bitte, wie sich Wahrheit beschreiben lassen soll, wenn es angeblich keine Wahrheiten gibt?


      maruski wrote:

      Wir haben Kultur, wir haben Selbstreflexion, wir haben Schuldgefühle und wir haben Bewusstsein, was eben mehr ist
      Und genau hier solltest du vielleicht mal ein Buch mit neueren Erkenntnissen als von vor fast 50 Jahren in die Hand nehmen, denke ich.
      Seit Humberto Maturana ist viel passiert in der Wissenschaft, könnte ich mir vorstellen.
      Trotzdem danke für den Tipp, ich werde mich mal etwas reinlesen.

      maruski wrote:

      Aber da werden wir eh niemals auf einen gemeinsamen Nenner kommen können und uns maximal ein wenig gegenseitig in unserer Position irritieren.
      Ja, und das gefällt mir sehr. :)
      Vielen Dank dafür!

      Genau: "Keine Panik! Und immer ein Handtuch dabei haben!"

      The post was edited 13 times, last by din ().

    • Hey DIN, ja ohne Handtuch hat das Reisen durch Raum und Zeit keine Perspektive ;)

      Aber zurück zum Thema.
      Du hast ja Recht mit den Extremen, aber ich habe da ein Bild im Kopf, dass mir ein noch älterer und weißerer Mann mal mitgegeben hat: "Niemals werden wir den Nordstern erreichen können, aber ihm folgen zu können, bringt uns gut in unseren Hafen."
      Genau das beschreibt ja Maturana, dass der Drift des Lebens immer weiter geht, unabhängig von Form und Organisation des Lebens.
      Und du hast auch Recht mit den alten Büchern.
      Die Zeit als ich noch fürs Lesen bezahlt wurde ist weit über 30 Jahre her.
      Ich bewundere da Manni5 für seine endlosen Quellenrecherchen und fundierten Texthinweise.
      Ich kann das nicht mehr und solange meine alten Werkzeuge die Welt zu erfassen noch funktionieren nutze ich sie halt.

      In der Corona-Zeit habe ich zudem nochmal deutlicher den Glauben an echten Fortschritt und Alltagsrelevanz der aktuellen Soziologie verloren und auch das was nach der "Wiedervereinigung" (ich war nie getrennt von den Ostelbiern) wider all die ollen Buchinhalte, erwartet wurde, ist ja nun wirklich nicht eingetreten und wir haben nun die Suppe aus modernem Wunschdenken, wider alles was man damals über Menschen wusste, auszulöffeln.
      Mein Pessimismus beruht schon auf einiger Lebenserfahrung (und der meines Vasters) mit unserer Gesellschaft hier und ich sehe sehr oft keinen Fortschritt, bezüglich der Menschenbeobachtung oder wie die erwähnst Ethik, zu dem was Epiktet, Sokrates oder Epikur ausgeheckt hatten.
      Und was ein Mann wie Viktor Frankl, nach seinen persönlichen und direkten Erfahrungen mit Barbarei und Unmenschlichket über das Menschsein erkannt hatte, wird niemals durch noch so ausklabüsterte oder elequente Ideen zu dem was wir sind, relativiert werden.

      Die Welt wird natürlich nicht untergehen und es wird auch in 50 Jahren noch eine Gesellschaft in Mitteleuropa geben, nur wie sich dass dann für den einzelene Menschen, in Bezug auf Freiheit und Individualität, darstellt ist eben für mich komplett unklar.

      Klar ist die Welt in den letzten 10.000 Jahren anders geworden, dass ist doch unfraglich.
      Für mich, als alten, weißen Mann, mit Hochschulabschluss, drei ausgeübten Berufen, aus bildungsnahem Elternhaus, in Mitteleuropa als Weltbürger sozialisiert, gäbe es wohl keine Zeit in der ich besser hätte leben können, auch wenn ich ökonomisch in meiner ehem. Peergroup eher das Schlusslicht bin.
      Mehr individuelle Freiheit als heute kann ich mir kaum vorstellen, auch wenn ein Jäger und Sammler der Bronzezeit vielleicht das Gleiche von sich gesagt hätte.
      Mein Universum ist in der Tat genau heute das Beste, dass es für mich in meinem Leben je gab - mehr weiß ich nicht.
      Nur ob das, also dieses Bewusstsein, für alle 8 Mrd. gilt, zweifel ich mal an und auch ob das individuelle Glück, dass ich heute für mich bewusst bekomme, im Vergleich zu glücklichen Menschen zu allen Zeiten noch top ist, halte ich ebenso für fraglich.
      Daher sind Katheorien wie besser/schlechter immer sehr schwierig für mich.

      Menschen vor uns hatten sicherlich einen ganz anderen Erlebnishorizont, der sie eben nicht permanent forderte und überforderte.
      Wenn Du schon Neurobiologie einbringst, solltest Du auch darüber nachdenken wie sich eine neuronale Struktur, die für überschaubare Kleingruppen und begrenzte Räume optimiert ist, mit dem Chaos der heutigen Zeit und vor allem der Grenzenlosigkeit des WWW, in all seinen Facetten, abmüht und überfordert.
      Und das das ohne für das Zusammenleben (nicht für mein Leben) negative Konsequenzen bleiben wird, halte ich eben für höchst unwahrscheinlich.
      Auch heute ist halt immer noch der Wurm drin (wie immer man ihn benennen will)
      Die Überkomplexität des Klimawandels zeigt doch in der Reaktion der Menschen auf die schlichte Wahrheiten: "Es wird faktisch nun wärmer!", wie schwer es ist Umwelt bewusst zu bekommen.

      Und dauerhaft der Wurm drin, habe ich bewusst so formuliert, da wir ja aktuell Live und in Farbe erleben wie selbst diese, für mich so tolle, Gesellschaft vielen so stinkt, dass sie eine Alternative für dieses Deutschland fordern.
      Und in den USA, wo das Leben für Menschen, die es geschafft haben im Strom des Kapitalismus mitzuschwimmen, nochmal um einiges leichter und angenehmer ist, da gibt es, mehr als hier, den großen und von meiner Perspektive komplett irrarionalen, Bedarf nach einer diffusen Veränderung (MAGA).

      Denn da sehe ich, komplett unabhängig vom materiellen Wohlstand, leider nicht viel mehr Vernunft, als zu den Zeiten des "Sapere aude", nur das heute eben keine Traute mehr notwendig ist, um zu selber zu denken, sondern schlicht einfach die Mühe, nicht ein Follower zu sein.
      Und eine noch ältere Forderung: "Gnothi seauton" (erkenne dich selbst) ist heute schon fast eine Beleidigung, wenn man es einem vorhält.
      "Es gibt keine soziologischen Wahrheiten", wie du mich zitirst, bedeutet doch nicht, dass es keine Wahrheiten (wenn auch im popperschen Sinn) außerhalb der Soziologie gibt.
      Nur eben brauchen wir "Werkzeuge", um sie zu beschreiben und die liefert eben u.a. die Soziologie als Wissenschaft (habe ich ne ganze Weile im Bereich "Drogenhilfe" selber gemacht).
      Der Historische Materialismus z.B. ist super geeignet ökonomische Effekte auf Menschen zu beschreiben, aber leider komplett ungeeignet Gesellschaften zu ordnen, da er das real im Menschen auch noch vorhandene (Raubtier-)Wesen ausklammert.
      Übrigens ist der alte Spruch mit dem Wolf eine unzulässige Verkürzung Hobbes, denn Plautus sagte im Orginal, was viel sinnvoller den Menschen als Sozialwesen beschreibt, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf (also kein Mensch mehr) ist, solange er den Anderen nicht kennt.
      Ein Wolf bleibt immer ein Wolf, ein Mensch verändert sein Verhalten durch Bewusstsein.

      Menschen haben sich, und da glaube ich auch mit aktueller Forschung konform zu gehen, in ihrer biologischen Substanz die letzten 10.000 Jahre nicht verändert und müssen mit einer für ganz andere Umwelten optimierten Struktur nun eben das Heute meistern.

      Ich sehe in meinem beruflichen Altag deutliche Zeichen (mit altem "Werkzeug" beschrieben) für einen Konflikt im Zusammenleben, wie er u.a. bei dem Umgang mit der Klimaveränderung offensichtlich wird.
      Die Irrationalität und Machtlosigkeit der Vernunft zu Zeiten der Pandemie (ich war zeitweise sehr im Krisenmanagement des Landkreise hier involviert) hat mich entgültig zum Pessimisten, was komplexte Gesellschaften (nicht die Kleingruppen, von Menschen die sich kennen, die zum Teil überraschend gut funktioniert haben) betrifft, werden lassen.
      Es ist schlicht egal was wir wissen, denn es regiert was wir glauben, und das war im Mittelalter schon so und in der Bronzezeit auch nicht anders.

      Und wir glauben, u.a. was sich gut anfühlt, Angst nimmt und Anerkennung schafft, egal wie bekloppt es ist, solange es uns Erleichterung/Gewinn bringt.
      Alle Religionen, aus allen Jahrtausenden, nehme ich hier als Beweis.

      Ach ja, wo bitte habe ich geschrieben, dass ich ein Fleischfresser und kein Allesesser bin?
      Ich meine nur ausgedrück zu haben, dass ich auch Fleisch und dass in guter Qualität, sehr gerne esse.

      Und bei "Krone der Schöpfung" hast Du offensichtlich irgendeine Vorstellung, die mir fremd ist, denn die Idee eines Schöpfer ist für mich magisches Denken, dass einen natürlich, wie Comedy, auch unterhalten kann, aber Unsinn bleibt, selbst wenn darin Tiefsinniges transportiert wird.
      Beim Wort "Urzustand" hängst Du dich auch ja voll rein ;-), obwohl ich glaube, dass du dir bewusst bist, dass ich den mystischen Punkt vor der "Menschwerdung" und sicherlich nicht den Urknall/die Singularität meine.
      Menschwerdung?
      Ja, wann der war wird wohl für immer diffus im Dunkeln bleiben, da kaum ein "Heureka, ich bin jetzt ein Mensch", von einem Homo sapiens sapiens, Neandertaler oder Denisova-Menschen oder deren ebenfalls eventuell zur Vernunft begabten Vorgängern, je gerufen wurde.
      Aber ich kann für mich recht gut den Zeitpunkt bestimmen, wann ich ein Mensch wurde, da mein Geburtsdatum exakt fest steht und ich eben zurückrechnen kann, wann ca. die endlose Kette des Lebens in Form von meiner Struktur mit übernommen wurde.

      Beim Thema "Klimawandel" intersseiert mich in der Tat mehr wie wir mit den Veränderungen umgehen wollen, werden und können, als die Idee als Menschen ein Planetenklima zu steuern/bremsen.
      U.a. sehe ich das recht neue und für mich nicht unbedingt vernünftige, Konzept von Grenzen, Staaten und Nationen dabei als hinderlich, wenn Menschen, wie seit immer, ihren Lebensraum dem Klimawandel anpassen und wandern.

      Aber all diese Gedanken sind sofort eh vorbei, wenn der Russe einmarschiert, wie meine Verwandtschaft, zu denen es nach dem Tod meiner Mutter aber keinen Kontakt mehr gibt, nahe Kiew erleben musste.
      Die dort haben sicherlich keine Sorgen mehr um Klimawandel, Tierrechte oder sonstige Probleme wie Mülltrennung oder Elektroautos, die man sich eben auch leisten können muss.
      Alles also relativ - wie wenn die Vogonen ihre galaktische Umgehungsstraße, der der Planet Erde im Weg ist, endlich fertigbauen werden ;)
      Mit bestem Gruß.
      Maruski
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      Das artet ja in Arbeit aus. :)
      Weil ich versuche all meine Behauptungen durch Quellen zu belegen und deshalb fast immer vorher nochmal nachlese ob das, was ich schreiben will, überhaupt stimmt.

      Im Folgenden möchte ich mich mit den Aussagen befassen, mit welchen ich nicht konform gehe oder welche ich meiner Wahrnehmung nach gar als widersprüchlich empfand.

      maruski wrote:

      auch das was nach der "Wiedervereinigung" wider all die ollen Buchinhalte, erwartet wurde, ist ja nun wirklich nicht eingetreten
      Was da wäre?

      maruski wrote:

      modernem Wunschdenken
      Was ist das?
      Wer macht das?

      maruski wrote:

      ich sehe sehr oft keinen Fortschritt, bezüglich [...] Ethik
      Das ist schade. Ich sehe enormen Fortschritt in ethischen Fragen. Ethik ist die Theorie der Moral, habe ich mal gehört. Theorie und Praxis ...

      de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Ethik

      Die gesamte Theorie des demokratischen Rechtstaates entwickelte und entwickelt sich immer parallel zur Ethik in Wechselbeziehung stehend, glaube ich.

      maruski wrote:

      wird niemals durch noch so ausklabüsterte oder elequente Ideen zu dem was wir sind, relativiert werden.
      1. Sag niemals nie! Das wirkt so hybrid, als hättest du die Fähigkeit in die Zukunft zu schauen.
      2. "zu dem, was wir sind" - Was sind wir denn?

      "Die Natur des Menschen

      Eine dialektische Anthropologie [...]

      Der Mensch ist dasjenige Lebewesen, das sich zu dem macht, als was es sich versteht. [...]"

      --- suhrkamp.de/buch/daniel-martin…-menschen-t-9783518299531
      (von 2022)

      "Die menschliche Natur und ihr Wert

      [...] Es ist aber ein Charakteristikum der ‚Natur‘ des Menschen, daß er nicht nur Veränderungen unterliegt, sondern sich verändert. Seine ‚Natur‘ ist selbst-veränderlich. [...]"

      --- uni-muenster.de/imperia/md/con…z_-_menschliche_natur.pdf

      maruski wrote:

      Menschen haben sich, und da glaube ich auch mit aktueller Forschung konform zu gehen, in ihrer biologischen Substanz die letzten 10.000 Jahre nicht verändert
      Schon, aber ...

      maruski wrote:

      eine neuronale Struktur, die für überschaubare Kleingruppen und begrenzte Räume optimiert ist
      ... das halte ich für falsch. In meinen Augen vermengst du hier unterschiedliche Zeitabschnitte. Meines Wissens nach ist das Gehirn des Menschen nicht für so Geringes optimiert. Das waren noch die Gehirne unserer Vorfahren der Affen, soweit ich das lesen konnte. Aber schon mit den Menschenaffen durfte die Welt komplexer werden, wenn ich das korrekt erfasst habe. Erst recht mit dem menschlichen Gehirn war Komplexität kein Thema mehr, weshalb der Mensch ja überhaupt erst als "staatenbildende Lebensform" gesehen werden kann und weshalb auch mit der Sesshaftwerdung die ersten Hochkulturen entstanden, soweit ich weiß. Ich denke, es ist völlig normal für Menschen sich durch die immer parallel mitzudenkende technologische Entwicklung von Rufgesellschaften über Stadtstaaten zu Supranationalstaaten (und möglicherweise weiter) zu entwickeln.

      "[...] Vom Ursprung des Menschen bis zur Neolithischen Revolution

      [...] Unterschiedliche Zeitfenster werden für das Auftreten der ersten Menschen in der Erdgeschichte angegeben. [...] zwischen zwei und sieben Millionen Jahren. [...]

      Die Entstehung der Bipedie (Zweibeinigkeit) kann als das erste Schlüsselereignis in der Evolution des Menschen im weitesten Sinne angenommen werden. [...]

      Zum Ursprung der Bipedie gibt es einige Hypothesen. Zum Beispiel könnte sie in der Savanne entwickelt worden sein, um über dem Gras einen besseren Überblick zu erhalten (Feinde, Nahrung). Steppenlebende Paviane zeigen jedoch keine Tendenz zum aufrechten Gang.
      Die Bipedie könnte entwickelt worden sein, um im Miozän weite Strecken zu Wasserstellen oder zwischen verbliebenden Waldstücken zurückzulegen und um evtl. hölzerne Werkzeuge und Waffen sowie Säuglinge und Kinder tragen zu können. [Die extreme Unselbständigkeit homininer Kinder führte vermutlich bereits in dieser Evolutionsphase zu einer gewissen Arbeitsteilung innerhalb einer Sippe [...]
      Die Savannenprimaten mußten vielleicht auch auf den Hinterextremitäten stehen, um an hoch gelegene Früchte heranzukommen. Zudem ist die direkte Sonneneinstrahlung auf den Körper bei Zweibeinern in den
      Savannen geringer, was einer Überhitzung entgegenwirkt. Eine recht plausible Erklärung für die Entstehung der Bipedie ist hingegen darin zu suchen, daß die sehr frühen Hominini nach der Abspaltung vom Schimpansen, so wie ihre nächsten Verwandten selbst, bodennah in den Wäldern gelebt und hier bereits eine bipede Lebensweise bevorzugt haben (vgl. die kurzzeitige Bipedie bei Schimpansen und Gorillas).

      Der vollständig aufrechte Gang, der mit dem Auftauchen von Homo erectus vor 1,9 Millionen Jahren veranschlagt wird, entstand sicher nicht sprunghaft und zahlreiche, fließende anatomische Veränderungen sind seit dem Auftreten der „gebeugten“ Bipedie zu beobachten. [...]

      Mit der Entstehung von Kultur findet nach der Bipedie ein weiteres Schlüsselereignis in der Evolution des Menschen statt. [...] Das bewußte Planen komplexer Handlungen wie dieser erfordert entsprechende Fähigkeiten des Gehirns. [...]

      Im Jungpaläolithikum wurden verschiedenste Werkzeuge zum Bearbeiten der Nahrung und selbst Nadeln zum Herstellen von Kleidung, Pfeilspitzen, Klingen, Harpunen und Angelhaken entwickelt. Ein überregionaler Handel mit Feuerstein als Rohstoff ist nachgewiesen. [...]

      Neben Tieren der Jagd oder Raubtieren finden sich auch abstrakte Ritzungen und Bemalungen auf organischen und steinernen Kleinobjekten. [...] Der Mensch ist noch Jäger und Sammler. Die vorrangige Darstellung der Tiere deutet auf eine klare Einbindung des Menschen in die Natur hin, er versteht sich noch als Teil derselben - doch begreift er die tieferen Zusammenhänge und versucht sie zu beeinflussen. [...]
      Aber entscheidender ist die Tatsache, daß durch dargestellte Symbolik detaillierte als auch abstrakte Konzepte kommuniziert werden können. [...] Durch symbolisches Kommunizieren war es leichter, die Jagd zu organisieren, Nahrung aufzuteilen, die Herstellung von Werkzeug zu vermitteln, Erfahrungen und Gefühle auszutauschen, Kinder zu erziehen, die eigene Gruppe von anderen abzugrenzen oder die Erscheinungen der Natur zu besprechen. Da man vorausschauend planen konnte, war die Überlebens- und Fortpflanzungswahrscheinlichkeit [...] erhöht. [...]

      Das letzte faßbare Schlüsselereignis [...] stellt die sogenannte Neolithische Revolution dar [...] Die Bezeichnung Revolution wurde recht treffend in Anlehnung an die einschneidenden Veränderungen der Industriellen Revolution der Neuzeit geprägt. [...] An manchen Orten ist bereits im vorausgehenden Mesolithikum eine relative Seßhaftigkeit in Verbindung mit Küstenfischerei erkennbar. Dauerhaft wird der Mensch aber erst im Neolithikum seßhaft. Zelte aus Holz und Knochen sind bereits vom Homo erectus bekannt. Aber erst in der Jungsteinzeit werden feste Siedlungen errichtet. [...]
      Die Entwicklung des Menschen findet nun gewissermaßen in „Isolation“, hinter den Mauern des Gebäudes statt - der Altar und der heimische Herd werden zu Lebenszentren. [...] die Bildung größerer Populationen (Städte, Völker) hat auf lange Sicht bedeutenden Einfluß auf die individuelle Lebensdauer, die Förderung geistiger Potenzen [...]"

      --- researchgate.net/publication/3…_Neolithischen_Revolution


      "[...] Entwicklungsgeschichtlich war die Kortikalisierung beim Übergang des Australopithecus zum Homo sapiens vor ca. 3,5 bis 2 Millionen Jahren wahrscheinlich stärker ausgeprägt als die Zunahme des Gehirnvolumens. Das Ausmaß der Kortikalisierung in der Entwicklung zum Homo sapiens wird als wichtiger bewertet als die Zunahme des Gehirnvolumens [...]"

      --- de.wikipedia.org/wiki/Kortikalisierung
      de.wikipedia.org/wiki/Gehirnentwicklung_beim_Menschen

      Da war also nichts für kleine Räume und kleine Gruppen optimiert, würde ich sagen.

      Es gibt auch diesen "Urzustand" nicht, worauf ich mit meiner Überspitzung hinweisen wollte, wenn ich obigen Text richtig erfasst habe. Es gibt nur Zustände zu bestimmten Zeitpunkten, denke ich. Der von dir proklamierte "Urzustand vor der Menschwerdung" wäre dann wann? Die Menschwerdung war ein fließender Übergang, wenn ich das richtig gelernt habe. Spannend dazu sind auch die Ausführungen zur Zeit nach der Neolithischen Revolution in oben verlinkter Arbeit, finde ich.

      Ferner denke ich, dass zu keiner Zeit alle Menschen über einen Kamm geschoren werden sollten. So hat es mit Sicherheit auch vor Millionen von Jahren schon Menschen gegeben, die mit der Realität überfordert waren, diejenigen, deren Gehirne sie jene gut meistern ließen und alle dazwischen, könnte ich mir vorstellen.

      .......................
      Fortsetzung folgt.

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