Elo-Zahlen und ihre Berechnung

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    • Elo-Zahlen und ihre Berechnung

      Das FIDE-Qualifikationskommitee und der Statistiker Jeff Sonas schlagen eine massive Änderung der Elo-Zahlen und ihrer Berechnung vor, und die Öffentlichkeit wird um Stellungnahmen hierzu bis zum 30. September gebeten. Danach will die FIDE endgültig darüber entscheiden.

      Der 1. Vorschlag ist, die Unterschiede zwischen den Elo-Zahlen im Bereich 1000 bis 2000 und der Elozahl 2000 zum 1. Jan. 2024 um 40 % zu verringern: eine Elo-Zahl von 1000 soll auf 1400 angehoben werden (!), 2000 bleibt unverändert, dazwischen wird es entsprechend linear angepasst. D.h., z.B. 1500 wird um 40 % des Unterschiedes von 500 Punkten nach oben korrigiert, also auf 1700.

      Der 2. Vorschlag ist eine Anpassung der Berechnungsformeln.

      Der Grund ist der folgende: In den letzten 10 Jahren habe insbesondere im Bereich unter Elo 2000, der ja die allermeisten Schachspieler enthält, eine massive *Deflation* stattgefunden: die Elo-Zahlen seien im Durchschnitt gesunken, trotz unveränderter Spielstärke. Der Grund hierfür ist, dass viele Jüngere mit dem Turnierschach begonnen haben. Diese sind zu Anfang häufig unterbewertet, d.h. sie spielen besser als ihre Elo-Zahl angibt. In der Folge verlieren Spieler mit höheren Elo-Zahlen, wenn sie gegen Jüngere spielen, im Schnitt mehr Punkte als es der Spielstärke entspricht. Dies wird dann an die besseren Spielklassen abgeschwächt weiter gegeben.

      Ein Bericht hierzu:

      chess.com/news/view/fide-mathe…o-improve-rating-accuracy

      Der ausführlichere Vorschlag von Jeff Sonas mit detaillierter Begründung:

      fide.com/docs/presentations/So…Elo%20Rating%20System.pdf

      Das Deflationsproblem wird durch das Bild auf Seite 5 oben klar: Es wurde untersucht, wie häufig Spieler aus dem Bereich 1400-1600 Elo gegen solche aus dem Bereich 2000-2200 Elo gewinnen:
      Im Zeitraum 2012-2013 waren dies 8 %, danach stieg es an auf 15 % im Zeitraum 2022-2023.
      Die Erklärung ist, dass im Jahr 2022 die Spieler im Bereich 1500 in Wirklichkeit im Schnitt erheblich besser waren.

      Daher sollen die niedrigen Elo-Zahlen einmalig angehoben werden, um die Deflation auszugleichen.
      Der 2. Vorschlag ist dann gegen eine zukünftige Deflation gerichtet.

      Der öffentliche Diskussionsaufruf der FIDE vom 22. Juli:

      fide.com/news/2538
    • Klingt für mich so unsinnig wie die Diskussion um eine vermeintliche Elo-Inflation, die vor ein paar Jahren "in" war. Witzigerweise hatte damals derselbe Mensch, der jetzt von einer Elo-Deflation redet, eine Elo-Inflation erkannt haben wollen (siehe de.chessbase.com/post/die-elo-inflation-verstehen). Die Elo ist ein relatives Maß für die Spielstärke ist und kein absolutes. Daher sind jegliche Vergleiche eines 2300ers aus dem Jahre 2023 mit einem 2300er aus dem Jahre 2013 oder mit einem historischen 2300er aus dem Jahre 1850 von vornherein nichtssagend, weil noch ganz andere Faktoren eine Rolle spielen, die sich im Laufe der Jahre verändern, vor allem z.B. die Zahl der Spieler, die in dem System sind, oder ab und zu auch einmal die Berechnungsmethode (Ingo/Elo, K-Faktor 5/10/15/20/40, Mindest-Einstiegs-Elo 2200/2000/1400/1000 etc.). Zur Veranschaulichung: Ich habe z. B. bei der Schacharena 2400, bei lichess 2500, bei chess24 2700, bei der "wahren" FIDE-Elo war ich mal kurz vor 2300. Trotzdem komme ich nicht auf die Idee, dass bei irgendeinem dieser Systeme eine Elo-Deflation oder -Inflation besteht, weil ich weiß, dass bei den anderen Faktoren grundlegende Unterschiede zwischen den Systemen bestehen. Und dassselbe gilt auch für die FIDE-Elo von 2023, 2013 usw. Im Ürigen war im Jahre 2013 ein 2300er stärker als ein 2000er und im Jahre 2023 ist er es immer noch. Die Frage, um wie viel besser er damals war und jetzt ist, verbietet sich, da die Elo, wie bereits erwähnt, ein relatives und kein absolutes Maß ist. Oder ergibt für irgendjemanden die Aussage, ein 2400er sei doppelt so gut wie 1200er, aber nur anderthalbmal so gut wie ein 1600er, einen Sinn?

      Meine wohlwollende Vermutung daher: Dem Mathematiker und/oder der FIDE ist langweilig und sie wollen einfach mal etwas Neues machen, um ihrem Job eine Rechtfertigung zu verschaffen.
      Meine weniger wohlwollende Vermutung: Die FIDE sucht einen Weg, die Elozahlen zu erhöhen, damit mehr Titel vergeben werden können und so mehr Geld eingenommen werden kann.

      Aber ich bin auch dankbar: Jetzt habe ich endlich ein Ausrede dafür, dass meine Elo dauernd sinkt. Ich musste mir bisher damit behelfen, dass ich eine schlechte Phase hätte und ja auch gar nichts mehr für Schach täte. Endlich habe ich eine neue Ausrede - die alte hatte ihr Verfallsdatum für Glaubwürdigkeit längst überschritten.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Köhler ()

    • Bisher war immer nur eine (möglicherweise vorhandene ) Elo-Inflation an der Weltspitze diskutiert worden. Deshalb hat es mich etwas überrascht, daß es jetzt gleichzeitig eine Deflation im unteren Elobereich geben soll. Aber die Argumente und Statistiken von Jeff Sonas sehen gut fundiert aus.

      Ich gehe davon aus, daß seine Vorschläge angenommen und ab Februar 2024 in die Tat umgesetzt werden.
    • Zunächst stelle sich mir die Frage, ob das wirklich ein Problem ist.
      Welche Folgen hätte so ein Eingriff?


      Wie schon richtig gesagt, ist die Elo ein relatives Maß der Spielstärke. Dabei hat der Mathematiker Elo (siehe de.wikipedia.org/wiki/Elo-Zahl ) ein wirklich einfaches geniales System (nur eine Formel) veröffentlicht. Aus dieser Formel folgt u.a.

      1. Bei einer Elodifferenz von 200 gewinnt / verliert man zu 75% (Die Elodifferenz ist immer eine exakte Vorhersage der Gewinnwahrscheinlichkeit [bei korrekten Elozahlen])
      2. Anfänger steigen in der Mitte ein, die im rel. System einmal definiert wurde (man sollte das nicht später änderm, sonst gilt auch Punkt 3 nicht mehr
      3. er wird immer eine Gauß-Verteilung geben.
      Würde man Elozahlen in bestimmten Bereichen ändern, würden diese drei fundamentalen Gesetze gebrochen werden. Daher bin ich dagegen.
      Außerdem löst man durch eine einmalige Anhebung das Problem nicht wirklich, denn der reale Elowert wird sich (so ist nun mal das System) nach einer gewissen Zeit wieder zurückstellen, wenn die Spielstärke bleibt, wovon ich ausgehe.

      In denke das Problem betrifft nur Spieler im Schachverein, die gegen "Anfänger" spielen, die aber vom Onlineschach kommen und so schon viel Erfahrung gesammelt haben.


      Man könnte im Verein (nur dort) alle Partien, bei denen ein Spieler noch keine brauchbare Elo hat (also weniger als 100 Partien) zunächst nur im Logbuch vermerken, aber nicht werten.
      Erst wenn die Elo genau genug ist, bekommt man eine Elo. Danach müssen die Eloänderungen auf beiden Seiten von diesen 100 Partien noch einmal neu berechnet werden und wenn das gemacht wurde, müssten ja auch alle Eloänderungen der Gegner des Gegners neu berechnet werden. D.h.: Die Elo ändert sich bei jedem ständig, auch dann wenn ein Spieler nicht (mehr) spielt. Zudem kann man das komplexe System nicht mehr im Kopf nachrechnen... Daher auch hiermehr Nach- als Vorteile.

      Besser alles so lassen wie es ist. Die Änderungsvorschläge lösen zudem das Problem nicht, zumal ich das nicht wirklich als Problem sehe. Es haben sich die Spieler verändert und die Elozahlen sind ja nur ein Abbild davon. Wenn man so massiv in das Elosystem eingreift, ist es auch keine Elo mehr.
    • Übrigens noch ein Ausschnitt aus obigem Artikel (de.chessbase.com/post/die-elo-inflation-verstehen):
      Es gibt (oder gab) unzweifelhaft eine Inflation der Elozahlen. Aber was ist die Ursache? Manche vermuteten die Absenkung der Eintrittszahl für die Eloauswertung als Ausgangspunkt der Inflation. Bruno Wiesend widerspricht und belegt anhand von statistischen Daten, dass viele starke Nachwuchsspieler letztlich für den Eloanstieg verantwortlich sind.
      Es wird also dasselbe altbekannte Phänomen, dass bei neuen Spielern die Entwicklung der Elozahl mit der Entwicklung der spielerischen Fähigkeiten nicht Schritt hält, von dem einen für eine Eloinflation, von dem anderen für eine Elodeflation verantwortlich gemacht.

      Ansonsten sehe ich das wie der Webmaster: Wayne interessiert's?
    • guten tag zusammen,
      jeder der weiß, das diese statistik (elo berechnung) auf der wahrscheinlichkeitsrechnung fußt.
      diese wiederum geht von einer normalverteilung der daten aus.
      jeder der schon mal mit statistik zu tun hatte, weiß:
      es gibt keine normalverteilung.
      es ist der gleiche traum, den der alte siggi hatte, als er (opiumgeschwängert) von trieben sprach.

      wahr ist: es ist krieg.
      knackwurst
    • Die Elo-Zahlen und ihre auf Mathematik beruhende Berechnung sind ein sehr positiver Beitrag des Schachs zur allgemeinen Frage von Bewertungen.
      Nicht ohne Grund wurden sie auch von ein paar anderen Sportarten übernommen.

      Die Beobachtungen von Jeff Sonas, die auf genauen Auswertungen beruhen, scheinen mir zu stimmen. Es tritt eine Deflation ein, und dagegen sollte etwas unternommen werden, damit die Elo-Zahlen die Gewinnwahrscheinlichkeiten genauer repräsentieren.

      Ich frage mich aber, ob die pauschale Erhöhung der Elozahlen von 1000 auf 1400, 1200 auf 1520, 1500 auf 1700 usw. bis zum Fixpunkt 2000 das richtige Mittel sind.

      Denn die Deflation entsteht, wie auch @Webmaster schreibt, vor allem durch "Anfänger" / Neulinge im Turniersystem. Die Frage ist, welchen Anteil an den Spielern mit Elo unter z.B. 1500 sie ausmachen. Es wird auch viele Spieler mit Elo 1200 geben, die diese bereits mehrfach bestätigt haben. Wenn diese nun auf 1520 angehoben werden, ist das eine nicht berechtigte Erhöhung und führt dann zur Inflation.

      In seinem Bericht (allerdings nur mit Schnelldurchsicht) habe ich keine Anmerkungen dazu gefunden.

      Wahrscheinlich wollte Jeff Sonas eine möglichst einfache und praktikable Regelung zur einmaligen Ausführung angeben. Aber obige Frage zum Anteil sollte zuerst geklärt und in den Simulationen berücksichtigt werden, um unerwartete Überraschungen zu vermeiden.
    • In diesem Zusammenhang finde ich den folgenden Artikel von Walter Wolf vom Juni 2021 interessant:

      stuttgarter-schachfreunde.de/c…uf-die-elozahlen-2021.pdf

      Insbesondere ab Tabelle 3: Wie vielen U18-Spielern gelang seit 2002 der Sprung über Elo 2000?

      Und sein Versuch, Deflation / Inflation zu prüfen:

      Tabelle 4: Elo-Entwicklung der Altersklasse 25-30 Jahre von 2015 bis 2020

      Da gibt es Unterschiede zwischen den Ländern. Insgesamt unübersichtlich, was eine Interpretation schwierig macht, finde ich.
      Am Ende stellt er auch die Frage: Sind die vielen Spieler im niedrigen Elo-Bereich korrekt eingestuft?

      ********************************************

      Ein Artikel in Chessbase vom Juni 20211, der auch zum Urteil "Deflation" unterhalb der Topspieler kommt:

      en.chessbase.com/post/the-elo-ratings-inflation-or-deflation

      Er schlägt am Ende eine weniger drastische Maßnahme vor.
      Ich finde, man sollte durch Simulationen prüfen, ob diese das Problem lösen könnte.
    • Die FIDE-Kommission zur Neuberechnung der Elo-Zahlen hat nun ihre Vorschläge eingereicht, um die Deflation zu korrigieren und zu bekämpfen:

      1. Die Elo-Zahlen unter 2000 sollen einmalig angehoben werden,
      mit dem Betrag 0,4 x (2000 - Elo-Zahl).

      D.h. jemand mit Elo 1000 würde auf 1400 angehoben, Elo 1500 auf 1700, Elo 1950 auf 1970.

      2. Neue Elo-Zahlen sollen mit Minimum 1400 eingeführt werden.

      Im Jahre 2001 war das Minimum 1800, danach wurde es schrittweise auf bis zu 1000 gesenkt, damit mehr Spieler die begehrten Elo-Zahlen haben können. Die Folge war: viele jüngere Spieler bekommen diese Elo-Zahlen. Diese verbessern sich aber schnell, das Elo-System hinkt hinterher, und die jüngeren Spieler nehmen damit etablierten Spielern mehr Punkte ab als ihrer realen Spielstärke entsprechend. Hierdurch sei die Deflation der Elo-Zahlen entstanden.
      Die Corona-Zeit trug ihr Übriges dazu bei, da die jüngeren Spieler sich verbesserten, es aber kaum offizielle Turniere gab und damit die Elozahl-Anpassung noch mehr hinterher hinkte.

      3. Änderung bei der Art der Berechnung, u.a. Rückkehr zur 400 Punkte-Regel von vor 2022

      Dies betrifft alle Elozahl-Arten, also Standard-, Schnellschach- und Blitz-Elo.

      Auf den Diskussionsaufruf der FIDE waren etwa 150 Kommentare erfolgt.

      Wenn das FIDE Council in der Sitzung am 14. Dez. zustimmt, können diese Vorschläge der Kommission bereits ab 1. Jan. in Kraft treten.

      Ein Bericht zu den Vorschlägen:

      chess.com/news/view/fide-set-t…nt-drastic-rating-changes

      Der Vorschlag und Bericht der Kommission:

      fide.com/news/2784