Wie bei allen WM-Kämpfen wird auch diesmal die Zusammensetzung der Sekundantenteams von beiden Seiten geheimgehalten. Das ist verständlich, denn wenn man wüßte, wer die Sekundanten des Gegners sind, könnte man Rückschlüsse auf die zu erwartenden Eröffnungsvarianten ziehen.

Dennoch gibt es ein paar Dinge, die bekannt sind:

Ding arbeitet schon seit Jahren eng mit Richard Rapport zusammen. Dieser ist für seine kreativen und ausgefallenen Eröffnungsideen und für sein kämpferisches Schach bekannt. Und Ding hat in einem kürzlich gegebenen Interview nicht dementiert, daß Rapport auch jetzt in Singapur für ihn tätig ist, man kan ihn also als gesetzt betrachten. Dings Eröffnungswahl in einigen Partien (Französisch in Partie 1 und 5 und seine Behandlung des Londoner Systems in Partie 6) ist erkennbar durch Rapport inspiriert.

Ding sagte, daß er von 2 Sekundanten unterstützt werde. Wer der zweite ist, darüber gibt es nach meinem Kenntnisstand bisher keinerlei Anhaltspunkte.

Von Gukesh ist bekannt, daß er schon seit 2022 und insbesondere beim letzten Kandidatenturnier von dem polnischen Großmeister Grzegorz Gajewski unterstützt wurde. Wer sonst noch in seinem Team ist, ist nicht bekannt. Spekulationen kamen nach der 3. Partie auf, in der Gukesh's Behandlung des Damengambits die Handschrift von Vladimir Kramnik trug. Darüberhinaus gibt es jedoch keine Indizien dafür, daß Kramnik tatsächlich im Team sein könnte.


Möglicherweise bekommen wir ja in den nächsten Partien weitere Indizien, die auf den einen oder anderen Spieler hindeuten. Vielleicht wird das Geheimnis der Sekundanten aber erst nach dem Ende des gesamten WM-Kampfes gelüftet,

Ding blieb seiner bisherigen Linie treu, vermied mit Weiß jede Dynamik und steuerte aus der Eröffnung heraus ein Remis an. Die Partie bot selbst für den risikofreudigen Gukesh keinerlei Möglichkeiten das Spiel zu verschärfen, und so endete die bisher langweiligste Partie dieser WM mit einer weiteren Punkteteilung. Ding setzt offenbar ganz auf ein Durchremisieren bis Partie 14 und seinen (vermeintlichen) Vorteil in einem dann folgenden Tiebreak.

Ding, Liren (2728) - Gukesh Dommaraju (2783)
FIDE World Championship, Singapore, 10. Runde, 7.12.2024



Gotham Chess bringt seine Überraschung über Dings destruktive Matchstrategie zum Ausdruck:
youtube.com/watch?v=uu0g_hLqLsg

Ich gehe davon aus, daß wir morgen wieder mehr Feuer auf dem Brett sehen werden, wenn Gukesh die weißen Steine hat.

Gukesh entkorkte überraschend das Blumenfeld-Gambit im Anzug, das er noch nie zuvor gespielt hatte. Allerdings hat sein Teamkollege (aus der indischen Nationalmannschaft) Arjun Erigaisi damit in der letzten Zeit einigen Erfolg gehabt. Das nährte natürlich Spekulationen, ob Erigaisi in seinem Sekundantenteam ist. Auf die Frage danach in der Pressekonferenz antwortete Gukesh ("Wer im Team ist, werden wir erst nach dem Ende des Matches sagen"), also kein Dementi.

Ding zeigte sich sichtlich geschockt und verbrauchte 38 Minuten (!) für seinen vierten Zug. Ding gelang es zunächst, die Stellung unter Kontrolle zu behalten und erreichte sogar Vorteil. Um den 20. Zug herum konnte Gukesh jedoch wieder Komplikationen schaffen, und in Zeitnot brach Ding komplett zusammen. Eine denkwürdige Partie!

Gukesh Dommaraju (2783) - Ding, Liren (2728)
FIDE World Championship, Singapore, 11. Runde, 8.12.2024



Gotham Chess zu der Stellung nach 4.e3: "Was jetzt passierte, ist irreal. Und das ist noch eine Untertreibung!"
youtube.com/watch?v=fntseZUuoVo

Aus dem obigen ZEIT-Artikel:

Zum Kampf in Dubai reiste Carlsen mit Leibarzt, Leibkochund dem Hypeman an, einem schachunkundigen Hofnarren zur Erzeugung königlichen Vergnügens.

Herrlich!

Unter dem Druck, gewinnen zu müssen, lief Ding zu Hochform auf und spielte seine beste Partie dieses WM-Kampfes - vielleicht sogar eine seiner besten Partien überhaupt. Die Kommentatoren Giri und Leko waren entzückt ob dieser Darbietung. Leko: "Ding spielte nicht wie ein Supercomputer - er spielte besser als ein Supercomputer!

Ding, Liren (2728) - Gukesh Dommaraju (2783)
FIDE World Championship, Singapore, 12. Runde, 9.12.2024



Ding war gegenüber den vorherigen Partien wie ausgewechselt. Wie hat er das nur gemacht? Das Geheimnis lüftete er in der Pressekonferenz. Er habe vor der Partie einen Espresso getrunken (der soll in Singapur exzellent sein), das habe seinen Kampfgeist gepusht.

Mit einem Ding in dieser Form ist das Match wieder völlig offen.

Rafael Kloth stellt Betrachtungen zu der unterschiedlichen Qualität der youtube-Analysen an.

Warum sind die WM-Berichte der Schach-Youtuber so schlecht?
youtube.com/watch?v=awMVkuSLr88

Gukesh kam mit viel Energie und einer "coolen Eröffnungsidee" in der französischen Steinitzvariante gerüstet ans Brett. Er erreichte damit auch um den 30. Zug herum deutlichen Vorteil. Ding hing in den Seilen, aber er ging nicht KO. Schließlich rettete er sich in ein Turmendspiel mit 3 gegen 2 Bauern auf einem Flügel, das für Gukesh nicht zu gewinnen war.


Gukesh Dommaraju (2783) - Ding, Liren (2728)
FIDE World Championship, Singapore, 13. Runde, 11.12.2024

Im Gegensatz zu der 12. Partie, in der Ding mit Weiß kraftvoll aufgespielt hatte, zeigte sich Ding heute wieder von seiner ängstlichen und defensiven Seite. Damit verpaßte er mehrere aussichtsreiche Fortsetzungen und brachte er sich selbst in Schwierigkeiten. In einem Endspiel mit einem Minusbauern, das haltbar schien, unterlief ihm im 55. Zug ein schrecklicher Fehler, der ein hochinteressantes WM-Match beendete.

Ding, Liren (2728) - Gukesh Dommaraju (2783)
FIDE World Championship, Singapore, 14. Runde, 12.12.2024