Hi Grave,

du hast natürlich in der Endstellung recht, aber davor kann Schwarz sein Spiel deutlich verbessern.



MFG
endsp.

Die erste Variante von endspielexperte ist das Hauptabspiel nach 4.d4, wobei 7...Lc5 (statt Ld7) als aktiver gilt (Zugumstellung ist allerdings möglich und nicht unüblich). Theoretisch sollte Schwarz Ausgleich haben, das Spiel wird allerdings in jedem Fall recht dynamisch und spannend. In der Regel gewinnt der Spieler, der den Stellungstyp besser verstanden hat. Wenn dir die Variante mit Weiß zusagt, solltest du sie anwenden.

Pläne: Typisch für diese Variante ist die geschwächte schwarze Bauernstruktur nach dem kommenden Lxc6 bxc6, für die der Nachziehende das Läuferpaar erhält. Weiß kann oft schnell mittels f4-f5 zu gefährlicher Initiative am Königsflügel kommen. Schwarz muss versuchen, diesen Vorstoß zu blockieren (dafür wird oft der Springer nach d6 überführt) und stattdessen seine Bauernmehrheit im Zentrum zu aktivieren. Das weiße Zentrum kann er mit f6 anknabbern, was außerdem einen Pfad für die Dame (d8-e8-g6) zum Königsflügel öffnet.

Alternativen: Nach 4...exd4 spielt Weiß meistens den Vorstoß e5, kann aber auch vorübergehend Material geben mit 0-0 (siehe meinen Kommentar zu Spielkind) oder im Preußisch-Stil mit 5.Sg5?! fortsetzen. Dieser Zug gilt aber zu Recht als harmlos, Schwarz kann mit 5...Se5 ausgleichen oder sogar mit dem vermutlich stärkeren 5...d5!? auf Gewinn spielen.
Falls Weiß sich für 5.e5 entscheidet, ist die stärkste Antwort in der Tat das thematische d5!, allerdings ist 5...Sg4?! wohl auch spielbar. Galt lange als fragwürdig, aber einen klaren Vorteil für Weiß konnte man meines Wissens noch nicht nachweisen. Das hat endspielexperte ja schon richtig gezeigt.

@Spielkind: Max-Lange-Angriff heißt es nur nach 4...exd4 5.0-0 Lc5!?, nach 5.e5 befinden wir uns in einer Hauptvariante des Zweispringerspiels. Ich habe den Threadtitel entsprechend geändert.

Die hier im Thread schon diskutierte Variante 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.d4 exd4 5.e5 wird als "Moderne Variante des Zweispringerspiels" bezeichnet. Heute war diese Variante im Finale der Europa-Blitzmeisterschaft zwischen Gawain Jones und Alexei Shirov gleich zweimal auf dem Brett. Interessanterweise vermied "Mr. Fire On The Board" in beiden Fällen die Hauptvariante 5.-d5 6.Lb5 Se4. Was ihm daran aus schwarzer Sicht nicht gefällt, würde mich sehr interessieren.

Hier die zweite Weißpartie von Jones, die die Entscheidung über den Europameistertitel bringen sollte:

Jones, Gawain (2670) - Shirov, Alexei (2662)
European Online Blitz Championship, 3. Finalpartie, 20.12.2020



Dieser Sieg bedeutete den 2,5:0,5-Sieg für Gawain Jones, der damit neuer europäischer Blitzmeister ist!

Im Erdzeitalter des Online-Schachs (diese Ära wird wohl als "Coronium" in die Geschichte eingehen) ist vor allem die Anzahl von Partien mit kurzer Bedenkzeit explosionsartig angewachsen. Und dafür wurden eine ganze Reihe alter Eröffnungsideen ausgegraben, die eigentlich schon lange als dubios zu den Akten gelegt worden waren, aber bei kurzen Bedenkzeiten brandgefährlich sind.

Eine dieser alten Ideen ist das Nakhmanson-Gambit:



Dieses Gambit wird schon seit 1952 gelegentlich gespielt. Auf nennenswertes Interesse stieß es aber erst seit dem 9. September 2020, als GM Brandon Jacobsen damit einen gewissen Dr. Nykterstein (alias Magnus Carlsen) in einer Bullet-Partie besiegte. Seitdem wird es von einigen Youtubern gespielt und analysiert.

Niclas Huschenbeth gibt einen Überblick über die drei schwarzen Antwortmöglichkeiten

a) 6.-dxc3
b) 6.-Sxc3
c) 6.-Sd6

Eine der Tabiyas der Modernen Variante entsteht nach den Zügen



Niclas Huschenbeth hält die weiße Stellung für sehr angenehm und leichter zu spielen. Wie schnell es mit dem Schwarzen bergab gehen kann, zeigt er in dem folgenden Video anhand von zwei Kurzsiegen:

Im 7. Zug hat Schwarz statt des Normalzuges 7.-Ld7 auch die trickreiche Alternative 7.-Lc5!? zur Verfügung. Der Zug wurde schon von Adolf Anderssen im Jahre 1861 mehrfach mit Erfolg gespielt und sollte m.E. nach ihm benannt werden. Er kann mit Zugumstellung in die Hauptvariante (7.-Ld7) übergehen, falls Schwarz in den nächsten Zügen doch noch seinen Damenläufer nach d7 stellt. Das passiert aber eher selten. Es ergeben sich normalerweise Varianten mit eigenständiger Bedeutung und hohem Schärfegrad, bei denen beide Seiten sehr gut Bescheid wissen sollten. Wenn einer der Spieler nicht ganz sattelfest ist, kann es zu schnellen Eröffnungskatastropen kommen. So geschehen in der folgenden Kurzpartie, die ich vor 3 Jahren beim "Werder Tigers", einem von Werder Bremen veranstalteten 9-rundigen Online-Schnellturnier, verloren habe. Mein Gegner, der damals 12-jährige Marius Deuer, ist inzwischen FIDE-Meister (Elo 2383) und hat in der vergangenen Saison für den TSV Schönaich in der 1. Bundesliga gespielt.


Schroeder, Christoph (2166) - Deuer, Marius (2122)
Werder Tigers Rapid, 6. Runde, 17.5.2020

Der in Belgrad geborene und jetzt in Nis lebende IM Miodrag Perunovic ist Schachtrainer und legt großen Wert auf einen harten Weißaufschlag. Es liegt ihm fern, den Ball nur ins Spiel zu bringen und dann in endlosen Grundlinienduellen um den Punkt zu kämpfen. Stattdessen will er den Gegner sofort mit Assen vom Platz schießen.

Eine der dafür geeigneten Eröffnungen ist das Urusov-Gambit. Das ist harter Stoff. Leider verweigern viele Schwarzspieler hier die Annahme und lenken mit Zugumstellung ins Zweispringerspiel ein. Aber wenn sie das tun, dann dreht "The Butcher" den Schärferegler nochmals höher und serviert das Nakhmanson-Gambit, das er als ein "Urusov-Gambit auf Steroiden" bezeichnet:



Perunovic ist Jurist, aber wenn er am Schachbrett sitzt, macht er keine Gefangenen. Er hat im Onlineschach mit dem Nakhmanson-Gambit einen überragenden Score, auch GMs und IMs wurden schon seine Opfer. Hier zeigt er, wie man das Gambit als Weißer behandeln sollte. Er betrachtet die schwarzen Antworten 6.-Sf6, 6.-Sd6, 6.-d5, 6.-Sxc3 und 6.-dxc3.