Spieler Junge, Klaus

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    • Spieler Junge, Klaus

      Heute vor 88 Jahren, am 1. Januar 1924, wurde Klaus Junge im chilenischen Concepción geboren, in den 1940er Jahre das größte deutsche Schachtalent. Junges Familie war im 19. Jahrhundert aus dem Hamburger Raum nach Südamerika ausgewandert, hielt aber weiter Kontakte in die alte Heimat. 1928 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, Klaus Junge machte mit 17 Jahren sein Abitur und begann ein Studium der Mathematik. 1941 gewann er die Meisterschaft der Stadt Hamburg und nahm in der Folge an Turnieren mit internationaler Besetzung teil. Hier gelangen ihm Siege gegen Alexander Aljechin und Efim Bogoljubow, gegen Paul Keres erzielte er zwei Remisen. Vom gleichgeschalteten Großdeutschen Schachbund ob seines enormen Potentials (und wohl auch seiner nationalsozialistischen Gesinnung) protegiert, konnte Junge trotz des Krieges relativ lange sich dem Schach widmen; Anfang 1943 wurde er schließlich zur Wehrmacht eingezogen. Der von den Nazis entfesselte II. Weltkrieg setzte seinem Leben, wie dem von Millionen Menschen, ein Ende vor der Zeit. Klaus Junge fiel am 18. April 1945, gerade drei Wochen vor der Befreiung, in der Lüneburger Heide. Er wurde 21 Jahre alt.

      Klaus Junge spielte ein eher positionell ausgerichtetes Schach und bevorzugte geschlossene Eröffnungen. Eine besondere Behandlung der Slawischen Verteidigung des Damengambits geht auf ihn zurück, auch wenn sie heute meist mit Mikhail Botvinnik assoziiert wird. Zur Illustration seines unaufgeregten Stils eine Partie gegen Rudolf Palme, Bad Elster 1941:

      chessgames.com/perl/chessgame?gid=1366770

      Mit den besten Wünschen zum Neuen Jahr 2012

      Läuferin
    • Hi Jovo,

      es ist richtig, es gibt Fotos von Klaus Junge mit einer Hakenkreuzbinde am Arm am Brett sitzend (ich nehme an, Du beziehst Dich darauf, wenn Du von ihm als einem "bekennenden Nationalsozialisten" sprichst?). Da war er maximal 18 Jahre alt; das heißt in meinen Augen, dass so geschlossen und belastbar sein Weltbild allein aufgrund seines Alters nicht gewesen sein kann. Wir wissen nicht, ob die Jahre im Kriege seine politische Einstellung verändert haben; falls ja, wäre er beileibe kein Einzelfall. Ich möchte weder relativieren noch vereinfachen, mir geht es hier auf einer Schachseite in erster Linie um den Schachspieler in seiner Zeit - auf die er schlicht keinen Einfluss hatte, so wie z. B. auch Paul Keres, dessen Geburtstag sich am 7. Januar jährt. Bestimmt weißt Du auch, dass 1943 in der "Deutschen Schachzeitung" von E. J. Diemer ein kritischer Diskurs um Junges eher ruhigen Spielstil entfacht wurde, der so gar nicht dem proklamierten "nationalsozialistischen Kampfschach" entsprach. Was immer das gewesen sein soll. Ich habe Klaus Junge portraitiert unter dem Fokus seiner kurzen Schachlaufbahn - was er darüber hinaus noch war und wofür er möglicherweise stand, habe ich im Text erwähnt. Du ziehst daraus andere Schlüsse als ich.

      Gruß

      Läuferin
    • Selbstverständlich geht es in dem thread (genauso wie bei den besagten Gedächtnisturnieren) um Junge's schachliches Andenken.
      Und nicht um irgendwelche, politischen Ansichten! Hier wird zurecht niemand sagen, dass er das Tun der Nationalsozialisten toll findet.
      Und falls doch, dann fliegt er hochkant raus.

      Eine persönliche Anmerkung:
      Die Alternative würde doch heißen alle (oder fast alle) Schachspieler, die im dritten Reich gespielt haben einfach totzuschweigen.
      Das wäre sicher auch nicht angemessen.
      Und eine Kindheit zu dieser Zeit mit Abitur 1941 und Kriegsdienst ab 1943 will ich mir gar nicht vorstellen müssen. :huh:
    • Nö, totschweigen muss man die nicht. Die meisten werden die Machenschaften der Nazis wohl einfach ignoriert haben. Den meisten Sportlern ging es damals doch nur darum, ihren Sport auszuüben. Junge hat sich wohl aber aktiv zum Nationalsozialismus bekannt. Darum muss man ihn nicht unbedingt in ein positives Licht stellen. Aber das ist ein Stück weit auch Geschmackssache.
    • In diesem Jahr ist im Joachim Beyer Verlag ein Reprint des Buches "Das war Klaus Junge" von Edmund Budrich und Dietmar Schulte erschienen.
      Andre Schulz berichtet in dem Artikel Spurensuche über die Entstehungeschichte der Originalauflage dieses Buches von 1956. Außerdem enthält der Artikel einen sehr interessanten Beitrag über Klaus Junge aus der Klubzeitung des Hamburger Schachklubs vom März 2004, u.a. mit einem Brief, den Klaus Junge am 9.1.1945 von der Front aus an seinen Klub geschickt hat.

      Junges Sieg gegen Aljechin aus dem Jahr 1942 macht beim Nachspielen einen ungewöhnlich modernen Eindruck. Die Partie hätte auch von Karpow oder Andersson gespielt worden sein können.

      Alexander Aljechin - Klaus Junge
      Salzburg, 1942

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Schroeder ()

    • Läuferin schrieb:

      Klaus Junge fiel am 18. April 1945, gerade drei Wochen vor der Befreiung, in der Lüneburger Heide.
      Laut Grabstein war der 17. April der Todestag.

      Hybris schrieb:

      Und eine Kindheit zu dieser Zeit mit Abitur 1941 und Kriegsdienst ab 1943 will ich mir gar nicht vorstellen müssen. :huh:
      Nicht zu vergessen den Reichsarbeitsdienst dazwischen.

      jovo schrieb:

      Junge hat sich wohl aber aktiv zum Nationalsozialismus bekannt.
      Wodurch? Das Tragen der Uniform ist doch kein Bekenntnis.

      Schroeder schrieb:

      Außerdem enthält der Artikel einen sehr interessanten Beitrag über Klaus Junge aus der Klubzeitung des Hamburger Schachklubs vom März 2004
      Es war die Ausgabe 3/2004. Diese muss nicht notwendigerweise im März 2004 erschienen sein.
    • Die (vermutlich) erste von Klaus Junge gespielte erhaltene Turnierpartie

      Das Buch von Budrich/Schulte enthält 40 von Klaus Junge gespielte Partien. Dieser trat im Jahre 1936 als 12-jähriger dem Hamburger SK bei und spielte dort seine ersten Turnierpartien. Die frühesten im Buch abgedruckten Partien stammen aber erst vom Nordmarkkongreß in Lübeck 1939. Von einer in 1937 bei einem Mannschaftskampf gespielten Partie (Junge - Protz) ist nur ein Fragment (ab em 17. Zug) im Buch enthalten.

      Auch die allgemein verfügbaren Datenbanken überliefern uns keine Junge-Partien, die vor 1939 gespielt wurden. Deshalb war ich sehr erfreut, als ich den Artikel "Neues von Klaus Junge" von Peter Anderberg in der Zeitschrift Kaissiber Nr. 28 las. Hier wird ein Zeitungsartikel vom 10. Mai 1937 aus den Hamburger Nachrichten zitiert, deren Schachspalte von Paul Krüger geführt wurde. Dort heißt es:

      "Junge junior betritt die Schacharena."

      Wir haben heute das Vergnügen, Ihnen den dreizehnjährigen J u n g e jun. vorzustellen.
      ...
      Junge juniors menschliche Eigenart ist uns noch völlig verschlossen.



      Häckel - Junge, Klaus
      Damengambit (D31)
      Hamburg 1937
      Kommentar: Paul Krüger
      gespielt in einem Turnier des Hamburger Schachklubs

    • Danke für Eure Beiträge zu Klaus Junges kurzem Leben, nie hätte ich sonst von ihm erfahren. Läuferin hat bereits in ihrem Beitrag auf seine Ambivalenz hingewiesen.
      Schade, der Link von Frank Mayer öffnet eine aggressive Werbung für eine Einzelcamper - Internetseite, nur ein Schach Kultur - Seitenkopf ist übriggeblieben. Die stellenweise eingefügten Spielbretter funktionieren alle auf meinem Smartphone - super.
    • In Königsgambit: Schallopp-Verteidigung habe ich eine Fernschachpartie Klaus Junge - Emil Joseph Diemer gepostet, die Junge in 1943 und 1944 von der Ostfront aus per Postkarten gespielt hat. Dabei bediente er sich einer Variante des Königsgambits, die damals völlig neu war und die erst jetzt - 80 Jahre später - durch Analysen von Daniel King ein großer Renner geworden ist. Ein weiteres Beispiel, um wieviel Klaus Junge in seinem schachlichen Verständnis seiner Zeit voraus war.

      Hier eine weitere Partie aus dem o.g. Artikel "Neues von Klaus Junge" (Kaissiber 28), die nicht in den Datenbanken zu finden ist:

      Zahnow, H. - Junge, Klaus
      Hamburger Mannschaftsmeisterschaft 1940
      Barmbeker SK - Hamburger SK
      Kommentator: Erich Woehl
      Quelle: Hamburger Anzeiger, 21./22. September 1940



      Dies sind die Original-Kommentare von Junges Vereinskameraden Erich Woehl aus 1940. Unverkerkennbar ist die damals recht verbreitete dogmatische Schachauffassung, die Junge selbst sich glücklicherweise nicht zu eigen machte.. Hier einige Anmerkungen aus heutiger Sicht:

      2.-Sf6
      Die Rubinstein-Variante, die Junge in seinen jungen Jahren gern spielte. Später bevorzugte er die Scheveninger-Verteidigung, bevor er in seinen letzten Lebensjahren gegen solche Kaliber wie Aljechin und Bogoljubow zu dem wohl objektiv besten Zug 1.-e5 griff.

      3.Sc3
      Dies ist eine völlig legitime Alternative zu 3.e5 und keineswegs ein Fehler.

      4.Lb5+
      Die heutige Hauptfortsetzung lautet: 4.exd5 Sxd5 5.Lb5+ Ld7 6.Se5!. Das verlangt dem Schwarzspieler einiges an Präzision ab. Das Läuferschach ist also durchaus Teil des weißen Planes und auch im vierten Zug keineswegs schlecht - wenn auch nicht ganz so wirksam wie nach der Einschaltung von 4.exd5 Sxd5.

      7.d4?
      Das ist tatsächlich ein Fehler, der einen Bauern kostet. Aber auch das von Woehl als besser vorgeschlagene 7.c4? ist schlecht wegen der Antwort 7.-Sb4, und Weiß hat Probleme mit dem geschwächten Feld d3. Der meistgespielte und wohl auch beste Zug an dieser Stelle ist 7.0-0.

      15.Kf1?
      Stattdessen konnte Weiß mit 15.De2 den Damentausch forcieren, was eine verteidigungsfähige Stellung ergibt.

      19.De1?
      Danach ist die weiße Stellung hoffnungslos verloren. Weiß konnte sich jedoch mit dem überraschenden taktischen Schlag retten. Die Stellung eignet sich sehr gut als Taktikaufgabe. Also Brett aufbauen und grübeln. Hoher Lerneffekt garantiert!

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