Welches Buch liest du gerade?

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    • Markus1963 schrieb:

      Ich habe gerade "So auf Erden" von Kathrin Liebelt verschlungen. Der Roman ist in einem kleinen Verlag erschienen und gar nicht so leicht zu bekommen, aber doch ein echter Geheimtipp! Anschaulich wird der lange Weg in´s Leben 3er sehr unterschiedlicher Geschwister erzählt, die kurz nach dem Krieg zu Vollwaisen werden. Wie in einem Film laufen die dramatischen und sehr unterschiedlichen Lebenswege der Geschwister beim lesen vor dem geistigen Auge ab, die Autorin schafft immer wieder eindrucksvolle Bilder. Da der Roman im Sauer- und Münsterland spielt, hat er mich natürlich sehr interessiert. Stellenweise ist es vielleicht eher ein Frauenroman aber auch die zweifelhafte Rolle der katholischen Kirche wird sehr anschaulich. Für die 320 Seiten habe ich nur 5 Stunden gebraucht, war selten so gefesselt!
      Danke für diese Empfehlung, meine Frau hat es in den Ferien verschlungenen und war total begeistert.
    • Hab ich es schon gesagt? Also, wenn nicht, dann jetzt. Ich habe alle Bücher von Murakami gelesen und fein säuberlich in meinem Regal bewahrt. Ich les sie auch zweimal oder dreimal, wenn ich Lust drauf habe.

      Warum, frag ich mich immer wieder. Ich weiß natürlich die Antwort und will sie meinen geneigten Lesern auch nicht verheimlichen. Ich weiß zwar, dass es im Leben des Menschen Geheimnisse geben soll, so auch bei mir, die ich nicht mal meinen Tagebüchern anvertraue, manche lüfte ich jedoch auch ganz gern. Weil ich damit einem anderen Menschen etwas mehr von mir zeigen möchte. Und natürlich als Buchhändlerin möchte ich den ebenfalls Leseleidenschaftlichen nicht vorenthalten, warum ich Murakami so sehr liebe und schätze. Es ist ganz einfach im Grunde. Weil ich alle seine Protagonisten so mag. Wieso fragt man sich jetzt wohl? Nun ja, es liegt darin begründet, dass alle seine Protagonisten Einzelgänger sind. Menschen, die sich in ihrer Welt ein wenig verloren und fremd fühlen. Die entweder aus den Schritten ihres eigenen Weges ein wenig gescheitert sind oder einfach aus den Geschehnissen in ihrem Leben geworfen werden. Die sich in das Alleinsein zurückziehen, weil sie genug von den Menschen haben, die sie entweder langweilen oder sie Angst vor Verletzungen haben, denen sie nicht gewachsen sind. Vielleicht auch hin- und wieder aus der Erkenntnis daraus, dass sie selber kein Mensch sein wollen, der andere verletzen möchte. Das läßt sie so allein und einsam wirken. Obwohl, unkommunikativ sind sie nie, diese Protagonisten von Murakami. Wenn es darauf ankommt, können sie reden, auch das wirklich Wichtige zur Sprache bringen, wenn auch mir kargen, einfachen Worten. Auch sind sie Grenzgänger zwischen Himmel und Erde, zwischen dieser Welt und dem Jenseits. Machen Erfahrungen und haben Erlebnisse mit Dingen, die ein funktioneller Mensch, der Tag für Tag seinem Trott nachgeht, niemals machen geschweige denn verstehen würde. Und so bleiben sie auch deswegen meistens für sich, versuchen zu verstehen, was da gerade geschieht und wieso gerade ihnen. So, nun genug warum ich Murakami so liebe im Allgemeinen.

      In seinem ersten Band seines neuen Buches * Die Ermordung des Commendatore* findet man ihn wieder, diesen einsamen, stillen und ruhigen Einzelgänger. Ein Ich-Erzähler, der seine Geschichte damit beginnt, wie ihm eines Tages seine Frau verkündet, sie könne nicht mehr mit ihm leben. Aus heiterem Himmel. Der Ich-Erzähler ist Maler, Porträtist um genauer zu sagen. Damit verdient er seinen Lebensunterhalt. Und das nicht mal schlecht. Er ist angesehen in seinem Beruf. Er hat eine besondere Gabe. Er erkennt in seinen zu
      poträtierenden Menschen das ureigene Wesen und kann es auf der Leinwand wiedergeben. Und das nicht einmal, weil sie ihm stundenlang Modell sitzen, das nämlich mag er gar nicht. Mit den zu porträtierenden Menschen verabredet er sich für eine oder zwei Stunden und läßt sich ein wenig aus ihrem Leben erzählen, versucht der Spur dieser Leben zu
      folgen und daraus seine charakterlichen Schlüsse zu ziehen, die sich dann in den Linien und Farben im Porträt des Menschen niederlasssen und eben nicht einfach nur naturgetreu ein Gesicht darstellen, sondern erkennen lassen, was für ein Mensch da wohl auf dem Bild zum Vorschein gekommen ist.

      So schreibt er an einer Stelle: * In jedem Menschen findet sich, wenn man tief in sein Inneres blickt, unweigerlich ein Licht, das zum Vorschein kommt, sobald man seine beschlagene Oberfläche (und die haben wahrscheinlich viele) mnit einem Tuch reinigt und poliert. Und dieser Geist durchdringt dann ganz von selbst das Werk.*

      Der Erzähler wird also verlassen. Seine Frau bietet ihm an, sie würde ausziehen und er könne die Wohnung behalten. Aber das lehnt er ab, im Gegenzug bietet er an, er zöge aus, würde ihr alles lassen, nehme nur ein paar Habseligkeiten mit, und das wars. Und so macht er es auch. Packt einen kleinen Karton, setzt sich in sein
      Auto, einem alten Peugeot 205 mit Handschaltung. Auch das sind mir die lieben Dinge, die ich in Murakamis Werken schätze. Seine Protagonisten sind altbacken, lieben die alten Autos und die alte Musik, aus den 60ern, 70ern, 80ern, aber auch den Jazz und Opern. Und so kommt all dies natürlich auch immer wieder zum Vorschein in seinen Büchern. Sie sind voll von Musik und Fetischen diesbezüglich. So erzählt er mit Leidenschaft von alten Tannoy Autograph Lautsprechern, Röhrenverstärker von Marantz. Ich muss nicht sagen, dass das alles auch autobiografisch ist. Das ist eben auch Murakami selbst, der ja über eine lange Zeit auch ein Jazz-Cafe betrieb.

      Und nun fährt er einfach los, dieser Ich-Erzähler, ohne ein Ziel im Sinn zu haben, läßt sich treiben. Übernachtet mal hier, mal dort, im Auto, im Motel oder einfach in einem
      Zelt. Und all die Zeit versucht er von den Erinnerungen der Jahre seiner Ehe mit seiner Frau zu entkommen, jedoch lassen sie ihn verständlicherweise nicht so los, wie er erhofft hat. Ich kann dieses einfach so herumfahren mit dem Auto sehr gut nachvollziehen. Auch ich habe das früher, als ich noch ein Auto besaß, des öfteren, wenn mir daheim etwas zu viel wurde, getan. Mich einfach ins Auto gesetzt und losgefahren. Irgendwann hat er jedoch genug von der Herumfahrerei und fragt einen Freund, ob er nicht einen Rat weiß, eine Wohnung oder ein Haus, das er anmieten könne. Und wie der Zufall es will, bietet dieser ihm das Haus seines Vaters, der gerade wegen hochgradiger Demenz in einem Altersheim untergebracht wurde, an. Dazu muß gesagt werden, dieser Herr Vater war und ist ein berühmter Maler Japans, namens Tomohiko Amada. Er hat sich nach einem Aufenthalt in Wien in der Anschlußzeit 1938 Österreichs an Deutschland von der westlichen Malerei abgewandt und nach einer längeren Zurückgezogenheit einem traditionellen Malstil Japans zugewandt, der Nihonga-Technik. Warum und wieso und was das Geheimnis seines plötzlichen Abbruches seines Aufenthaltes in Wien damals 1938 war, wird am Ende des Buches offenbart. So finden wir in Murakamis Büchern auch immer Ereignisse der Weltgeschichte, mit denen sich seine Protagonisten beschäftigen oder sie gar selber erlebt haben.

      So zieht er in das Haus des berühmten Malers und von jetzt an entsteht eine so typische verworrene Erlebnisgeschichte des Erzählers, die teils märchenhaft, mystisch, die ihm da oben im einsamen Haus auf einem Berg, in dem er sich selber genügt, umgeben von einer riesigen Schalplattensammlung des berühmten Malers, allesamt klassische Werke und dem nun nicht mehr benutzten Atelier des selben. Hier möchte er sein Leben neu beginnen.Er erzählt nicht nur von den Ereignissen, die ihm wie ein Dieb in der Nacht plötzlich aus dem Nichts heraus, geschehen, sondern auch über seine Vergangenheit aus Kinder- und Jugendtagen. Denn irgendwie hängt das alles zusammen. Man weiß bei Murakami nie, wann die Geschehnisse, die seinen Protagonisten widerfahren einfach nur unwahrscheinlich anmuten oder in den Bereich des Fantastischen hinübergehen. Das macht sie so spannend, seine Bücher.

      Die Dinge überstürzen sich fast. Denn der Ich-Erzähler bleibt nicht allein. In seiner Arbeit als Lehrer an einer Malschule im Dorf (der Freund rät ihm dazu, obwohl er finanziell nicht darauf angewiesen ist, damit er mal unter Menschen kommt) lernt er Frauen kennen, mit denen er eine sexuelle Beziehung, wenn auch im Geheimen, Unerlaubten, eingeht. Er lernt einen Nachbarn, den geheimnisvollen Herrn Menshiki, einem IT-Unternehmer, kennen, der von nun an sein Schicksal mitgestaltet und er entdeckt im Haus des berühmten Malers ein Bild, sorgsam verpackt und in einem geheimen Versteck untergebracht, das er ausfindig macht, weil er in der Nacht stets ein seltsames Rufen von irgendwo oben unterm Dach hört und ihm nachgeht und dabei das Bild, aber nicht nur das, sondern auch die Behausung einer alten Eule entdeckt, die wohl vom Tagesschlaf nachts erwacht und ihren Raubzügen nachgeht und am Ende wieder dorthin zurückkehrt.Das Bild, das er dort entdeckt hat den Titel *Die Ermordung des Commendatore*, das im Grunde nur ein verschlüsselter Hinweis auf des Malers Aufenthaltes der Nazizeit in Wien hinweist. Und es gibt merkwürdiges Glockengebimmel, unheimliche unterirdische Höhlen
      ( auch das ein immer wiederkehrendes Bild in Murakamis Romanen) und Gemäldefiguren, die sprechen und sich neben ihm aufhalten. Mehr will ich nun nicht verraten. Wenn man mich jetzt fragt, welche Botschaft Murakamis Bücher haben, so auch dieses, dann antworte ich kurz:

      *Dass es erst im Rückblick des Lebens eines Menschen entdeckt wird, dass das Leben an sich etwas sehr Geheimnisvolles ist. Es war und ist so voller unvorhersehbarer Wendungen und fantastischer Zufälle, dass man es kaum glauben mag, wenn es nicht selbst erlebt worden wäre. Denn es ist doch oft so, selbst wenn wir im Moment des tatsächlichen Geschehens noch so achtsam und aufmerksam sind, meinen wir meistens, dass nichts, was da gerade passiert, unerklärlich wäre. In unserem Alltag sehen wir doch nur, wie sich *normale* Dinge auf ganz *normale* Weise abspielen. Entweder entspricht etwas den Regeln der Vernunft oder nicht. Doch ob wirklich etwas der Vernunft entspricht, vermögen wir erst zu erkennen, nachdem eine gewisse Zeit vergangen ist. Jedenfalls hab ich Vieles, das in meinem Leben geschehen ist, erst im Nachhinein richtig begriffen und verstanden, warum und wieso es gerade so gekommen ist.*

      Ich hoffe, ich habe ein wenig Neugier auf Murakamis Buch gemacht. Ich beende mit einem kleinen Zitat aus seinem Buch:

      *Neugier beinhaltet immer ein gewissen Risiko. Ohne das lässt sie sich nicht befriedigen. Neugier ist aber nicht nur der Katze ihr Tod*

      Viel Vergnügen!
      Haruki Murakami
      Die Ermordung des Commendatore I- Eine Idee erscheint -Dumont Buchverlag
      480 Seiten, 26 Euro
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • Wer hardboiled detective constable Duffy in Carrickfergus begleiten möchte und gleichzeitig seine zeitgeschichtlichen Kenntnisse über den Bürgerkrieg in Nordirland in den 70er Jahren aufpolieren will, dem lege ich
      Der katholische Bulle von Adrian McKinty

      ans Herz.

      krimi-couch.de/krimis/adrian-m…er-katholische-bulle.html

      ich bin schon mit dem zweiten Band fertig und verschlinge McKinty´s Bücher wie früher die von Dashiell Hammit ...

      krimi-couch.de/krimis/dashiell-hammett-rote-ernte.html
    • Und noch etwas Exotisches für Lene, die Fachfrau für Literatur...
      Was liest man anderswo?

      "Die 49-jährige Yang Hongying gab im Jahr 2000 mit „Mädchentagebuch“ (chin. 女生日记 Nǚshēng rìjì) den Startschuss für eine Serie von Schulhofromanen. Bis heute verkaufte sich die Serie rund 10 Millionen mal. Zählt man die Absatzzahlen ihrer später veröffentlichten Erfolgsreihen „Jungentagebuch” (chin. 男生日记 Nánshēng rìjì) und „Der Lausbub Ma Xiaotiao” (chin. 淘气包马小跳 Táoqìbāo Mǎ Xiǎotiào) hinzu, zählt Yang Hongying heute zu den einflussreichsten Kinder- und Jugenbuchautoren Chinas und ruft ein großes Echo bei Schülern, Lehrern und Eltern hervor. Jedes Jahr kommen drei bis vier neue Titel hinzu und alle werden zu Kassenschlagern. Im vergangenen Jahr belegten Yang Hongyings Bücher ein Viertel der Plätze unter den Top 100 der meistverkauften chinesischen Kinderbücher."

      Quelle: chinatoday.com.cn/ctgerman/cwd…2/21/content_332928_2.htm

      Nachtrag: 2010 führten Yang Hongying, Guo Jingming und Zheng Yuanjie die Liste der erfolgreichsten Schriftsteller an, sie strichen Tantiemen in jährlicher Höhe von 25 Mio., 23 Mio. bzw. 19,5 Mio. Yuan ein. Alle drei sind Kinder- und Jugendbuchautoren und haben schon in den vergangenen drei Jahren die drei ersten Plätze des Rankings unter sich ausgemacht. 2008 belegte Guo Jingming mit Jahreseinnahmen in Höhe von 11 Mio. Yuan Platz 1, heute steht Yang Hongying mit 25 Mio. jährlich an erster Stelle.
      (Sieben Yuan sind etwa ein Euro...)

      Schreib Lene, schreib....

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    • In einer Bücherei habe ich das Buch "Das Corssen-Prinzip" von Jens Corssen entdeckt. In dem Buch stellt er vier Werkzeuge für ein freudvolles Leben vor. Auf youtube gibt es einige Videos von ihm, in denen er das Corssen-Prinzip erklärt.Zum Thema Männer und Frauen, gefallen mir Videos von Mark Gungor gut, sie sind zwar auf englisch, aber 2 sind mit deutschem Untertitel z.B.https://www.youtube.com/watch?v=ZHYmUK8IUDc
      Irgendwas ist immer
    • Neulich hatte mir ein netter Mensch einen Film empfohlen, den ich unbedingt schauen sollte, all die weil, wir hatten ein Gespräch über John Travolta und ich sagte zu seinem schauspielerischen Können und Auftreten ein *naja*. Zugegeben, manchmal passiert das ja, man sagt etwas über Etwas oder Jemanden, obwohl man gar nicht allumfassend informiert ist, nur bruchstückweise etwas kennt. Natürlich passiert mir das auch. Und so war es in diesem Falle. So kam es, dass ich mir diesen Film anschaute ( Lovesong for Bobby Long) und wurde zum Besseren belehrt, was die schauspielerische Leistung und das Auftreten John Travoltas betrifft, der einfach grossartig in seiner Rolle als Bobby Long zu sehen war. Respekt. Aber ich will ja jetzt nich von dem Film erzählen, obwohl ich ihn hiermit sogleich an alle, die ihn noch nicht geschaut haben, unbedingt weiter empfehle.

      Ich will hier eigentlich ein Buch hervorheben, dass unbedingt gelesen werden sollte. Auch hier muss ich zugeben, es betrifft ja einen alten Klassiker, dass ich mal wieder erst zur späten Zeit meines Lebens dazugekommen bin, es in die Hand zu nehmen. Obwohl ich es natürlich von Berufs wegen schon zig mal in der Hand gehalten hatte und immer dachte, Lene, Lene, du musst das unbedingt lesen. Jetzt hab ich es geschafft, obwohl ich es aus den Augen verloren hatte, gab mir der vorher angesprochene Film mit Travolta einen Schubs. Dort tauchte das Buch nämlich auf. Ich schielte sofort auf den Buchtitel, das eine Protagonistin des Films in die Hand nahm und dachte, achja, sieh mal an. Und am nächsten Tag lief ich in die Buchhandlung meines Vertrauens und erstand ein schönes Exemplar.

      Zuhause angekommen, verkrümelte ich mich sofort auf meinen schönen Balkon, das Wetter lud ja dazu ein und hielt Carson Mc Cullers "Das Herz ist ein einsamer Jäger" in der Hand, schlug es auf, vertiefte mich in die ersten Zeilen und konnte es nicht mehr loslassen. Obwohl es fast 600 Seiten umfaßt, las ich es in zwei Tagen aus. Ich kann dann einfach nicht aufhören, wenn mich etwas fesselt, egal ob Buch, Mensch oder irgendein anderes Ding, es los zu lassen. Ist so.

      Die Geschichte, die Mc Cullers hier erzählt, spielt Ende der 30er Jahre in Georgia und erzählt die Geschichte des Taubstummen John Singer. Er lebt mit dem ebenfalls taubstummen Spiros Antonapolous zusammen, der im weiteren Verlauf der Geschichte eines Tages in die Irrenanstalt eingeliefert wird, weil er für die Gesellschaft nicht mehr tragbar ist und eine Gefahr darstellt. Um Singer herum werden die Lebensgeschichten weiterer Menschen erzählt, die allesamt mit Singer in Kontakt sind, all die weil sie sich oft in seiner Stube versammeln, in der er zumeist vereinsamt sich seinem Schachspiel widmet und gegen sich selber spielt und umkommt vor Sehnsucht nach seinem verlorenen Freund Antonapolous, und ihm von ihrem Leben erzählen, ihren Erlebnissen, Sehnsüchten, Träumen und Gedanken zum Geschehen in der Welt.

      Da ist das junge Mädchen Mick Kelly, die aus dem sie beschwerenden Familienleben, in dem sie sich ebenso einsam fühlt, wie Singer ohne seinen Freund und sich in ihre inneren Welten und ihrer Liebe zu Musik zurückzieht und oft, auch wenn sie dabei ihre jüngeren Geschwister im Schlepptau hat, durch die Gegend zieht und sich irgendwo versteckt, um sich in ihre Träume zu versenken. Sie hat mir auch die Liebe zu Beethovens 3. Sinfonie geschenkt, die ich zwar kannte, aber in den letzten Tagen wieder und wieder gehört habe.

      Dann gibt es den Farbigen Dr. Copland, der umgeben von einer Flut von Bücherwelten versucht gegen den Rassismus in dieser Zeit entgegen zu wirken. Seine Gedankenwelt diesbezüglich ist inspiriert von Karl Marx, dessen Buch er in- und auswendig kennt. Aufopfernd stellt er sich seiner Berufung den Bedürftigen zu helfen, ohne auf sein eigenes Wohl zu achten.

      Wir treffen auf Portia, der Tochter von Copland, die ihren Vater regelmässig einmal in der Woche besucht und für ihn kocht und versucht in dieser Zeit ohne Streit mit ihm auszukommen. Er war und ist kein einfacher Mensch und Familienvater gewesen. Die drei weiteren Söhne Coplands haben keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater.

      Da ist Biff Branon, der eine unglückliche Ehe mit seiner Frau Alice führt und sie am Ende an den Krebs verliert und ihm nur noch die melancholischen Erinnerungen an die guten Zeiten seiner Ehe als Erinnerung bleiben. Die Beiden hatten gemeinsam ein Restaurant geführt, in dem auch John Singer nach dem Verlassenwerden von seinem Freund Tag für Tag seine Mahlzeiten einnimmt.

      Dort treffen wir auch auf Jake Blount, der sich tagelang dort betrinkt und in seinem besoffenen Zustand wutentbrand über die Ungrechtigkeiten der Welt schwadroniert und wieder und wieder versucht alle Menschen von der einzigen "Wahrheit" zu überzeugen und sie dazu zu bringen, etwas dagegen zu tun.

      All diese Menschen führt McCullers mit ihren Lebensgeschichten hier zusammen und verknüpft sie. Es ist mit eines der besten Bücher, das ich nun gelesen habe, weil es immer noch aktuell ist. Unaufhörlich weiter noch herrschen Ungerechtigkeit, Gier, Egoismus, Macht und Rassismus in unserer Welt, auch wenn sich insgesamt weltweit Vieles auch zum Guten verbessert hat. Ich möchte jedenfalls in keiner anderen Zeit gelebt haben. Und niemals darf der Mensch aufhören dagegen anzukämpfen, egal welche Schritte er dazu benutzt, auch die kleinsten helfen auf ihre Weise etwas zu verbessern um das Leben des Einzelnen etwas menschlicher erscheinen zu lassen.

      Ich habe mich, wenn ich auf mein eigenes Leben zurückblicke, das ja immer mal wieder geschieht aufgrund der aktuellen Geschehnisse, in jedem der Protagonisten ein klein wenig selber wiedergefunden. In der heranwachsenden Mick Kelly, die sich in ihre eigenen Welten zurückzieht, um das Schwere von Außen zu vergessen und ihren Träumen und Sehnsüchten nachhängt, aber niemals vergißt dennoch bodenständig das ihre zu tun, in dem schwarzen Arzt Dr. Copland, der umgeben von seinen Bücherwelten, hin- und wieder vergeblich versucht, gegen sichtbare Ungerechtigkeiten, die an Menschen verübt werden, anzugehen, manchmal, zwar weniger, aber auch, in Jake Blount, in dem ich in jungen Jahren auch oft versucht habe, mit Reden andere zu überzeugen, wie und was man tun kann und sollte, bevor ich verstanden habe, dass das nicht weiterbringt und ich nur für mich handeln kann.

      Aber vor allen Dingen in John Singer, der ein guter Zuhörer der Lebensgeschichten anderer Menschen war, obwohl er Vieles von dem, was er hörte auch nicht verstand. Aber wir wissen ja, was wir im Moment vom anderen nicht verstehen, geht uns oft später auf, nachdem wir sie mehr und mehr kennen- und schätzen gelernt haben, erst dann wissen wir meistens, warum sie an diesem oder jenem Zeitpunkt ihres Lebens so gehandelt, gedacht und geredet haben. Das ist wichtig finde ich. Es darf niemals an oder in einem Urteil über einen Menschen stehengeblieben werden. Wir würden uns dem Wunder des Menschen verschließen. Der Mensch ist mehr, was wir nur in einem Moment eines Geschehens an ihm wahrnehmen.

      Die Autorin Carson McCullers verstarb 1967, nur 50 Jahre zählte ihr Leben. Und Tennesse Williams sagte einmal über sie:

      "Carsons Herz war oft einsam, und es war ein unermüdlicher Jäger auf der Suche nach Menschen, denen sie es anbieten konnte, aber es war ein Herz, das mit einem Licht gesegnet war, das seine Schatten überstrahlte."

      Wunderbar! Da kann sich nur gewünscht werden, einem solchen Menschen zu begegnen
      oder vielleicht auch selber einer zu werden.

      Ein schönes Buch, voller Wahrheiten über die Wirklichkeit des einzelnen Menschen und des Weltgeschehens. Es lehrt uns, zu tun, was zu tun ist, aber auch anzunehmen was ist.

      Carson McCullers
      Das Herz ist ein einsamer Jäger
      Diogenes Verlag
      isbn: 9783257242249
      13,00 Euro

      Viel Vergnügen :saint:
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • Mord auf Bestellung

      Da hat Jack London einen wunderbaren, zum Nachdenken und Schmunzeln, schönen Agententhriller geschrieben. Er spielt im Jahre 1911 in New York, in dem anarchistische Attentäter so präsent waren, wie heutzutage terroristische. Obwohl...erstens hat er ihn gar nicht vollendet, denn irgendwann verging ihm die Lust am eigenen Werk, das eigentlich einzig dazu dienen sollte, kurzfristig schnell ein wenig Geld zu verdienen. Er dachte, das ging am besten und schnellsten mit einem Krimi. Jedoch, es verging ihm ebenso schnell die Lust am Schreiben. Erst im Jahre 1960 schrieb ihn Krimiautor Robert L. Fisch zu Ende. Nun ist dieses hochamüsante, aber auch philosophisch reiche literarische Werk in einer Neuübersetzung von Eike Schönfeld erschienen.

      Achja...und zweitens...Schon nach einigen Seiten entdeckt man, daß es zwar Agenten gibt, aber keine Spione. Warum also der Manesse-Verlag sich des Genres *Agententhriller* bedient hat, kann ich Euch nun nicht sagen.

      Und drittens...man sollte diees herrliche Buch unbedingt lesen. Es ist ein wunderbares Lesevergnügen. Gemütlich unterm Sonnenschirm, auf einer Bank am Fluß oder einfach bei Sommergewitterwetter liegend auf dem Sofa mit einem kühlen Getränk und Lust auf gute Unterhaltung.

      Was geschieht?

      Es geht um eine GmbH, die Attentate für Auftraggeber erledigt. Kopf der Firma ist der Russe Ivan Dragomilov. Persönlich nimmt er die Aufträge an, jedoch wird die Person, die getötet werden soll, einer strengen Überprüfung unterzogen. Die Fragen, die geklärt werden müssen beziehen sich auf den Grund der Tötung, ob diese gerecht und moralisch verantwortbar ist. Werden diese beiden Fragen bejaht, wird der Tötungsauftrag an einen der weiteren Mitarbeiter, genauer gesagt *Killer* der Agentur-GmbH weitergegeben und immer präzise und erfolgreich ausgeführt. Die Killer sind keine dumpfbackenden Tötungsmaschinen, sondern gehen ehrenwerten Berufen in Unternehmen oder Universitäten nach und beschäftigen sich allesamt, jeder hat sein eigenes Spezialgebiet, mit hochintellektuellen Fragen des menschlichen Seins und Moral.

      Der Auftrag muß sofort gezahlt werden. Ein Widerrufsrecht gibt es nicht. Wenn es läuft, dann läuft es.

      Nun aber kommt Dragomilov ein junger Mann entgegen, der wiederum der Geliebte und zukünftige Ehemann seiner Nichte ist. Glaubt man, zumindestens für einige Seiten lang, bis sich auch hier eine überraschende Wendung auftut.

      Dieser junge Mann, Winter Hall mit Namen, hat sich die Frage gestellt, was passiert da eigentlich bei all den Attentaten, wer sind die Hintermänner und stößt so auf Dragomilov, den er in einer langen Diskussion davon überzeugen kann, dass es keine gerechte Tötung eines Menschen gibt. Dragomilov muss sich geschlagen geben und nimmt den Auftrag Halls an, den Kopf der perfekten Tötungsmaschinerie zu ermorden. Hall weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die verwandschaftliche Verbundenheit Dragomilov zu seiner Geliebten Grunnya. Als er den wahren Grund der Verbindung dieser Beiden erfährt, möchte er den Auftrag zurückziehen, da er nun auch Dragomilov als sein Tötungsopfer erkannt hat. Jedoch ist das leider nicht möglich, denn es ist ein Statut der GmbH, einmal angenommene Aufträge werden ausgeführt, so sie den Grundsätzen der Firma entsprechen.

      Und nun beginnt eine wahrlich herrliche Verfolgungsjagd auf Dragomilov von seinen eigenen Auftragskillern durch die ganze USA. Wie er sich geschickt durchlaböriert und einen nach dem anderen seiner eigenen Leute umbringt und auf welche intelligente und auf einem immer gut ausgeklügelten Plan beruhend versuchen will, mit dem Leben davon zu kommen, ist spannend und auch amüsant zu lesen. Denn, auch das ist eine Regel der Firma. Kann sich der zu Tötende über ein Jahr retten, wird also von keinem der Auftragskiller der GmbH gefunden, kann der Auftrag doch noch storniert und dem Auftraggeber das Geld zurückgezahlt werden. Der Preis übrigens richtet sich nach dem Wert der gesellschaftlichen Stellung des Opfers. Für das Töten einess Polzeichefs genügen schon 10.000 Pfund, ein erstrangiger Monarch dagegen das Zehnfache und für den König von England wären es gar sage und schreibe eine halbe Millionen.

      Abgesehen von dem Spannungsbogen, den das Buch vorgibt, den interessanten, teils witzigen Dialogen über Moral und Metaphysik kann man gar nicht umhin kommen, sich selber mit dieser Frage zu konfrontieren. Gibt es eine Ehtik des Tötens? Oder anders gesagt: Kann Böses Gutes tun? Kriege haben darauf ihre eigenen Antrworten entworfen. Im zivilen Alltagsleben sieht das jedoch ganz anders aus.

      Ich jedenfalls kann nur eines sagen. Wäre ich involviert in eine Situation, in der ein oder mehrere Täter andere Menschen mit dem Tod bedrohen oder gar einige schon getötet hätten und ich hätte die Möglichkeit und den Mut etwas zu tun, den Mörder selber zu erschießen oder anderweitig zu töten, ich würde nicht zurückschrecken und mich am Ende nicht als Mörder fühlen.

      Jack London
      Mord auf Bestellung
      Manesse Verlag
      24,95 Euro
      Isbn: 978-3717524267

      Viel Vergnügen!

      Eure Lottelene :love:
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • Wieland Schmied
      HUNDERTWASSER
      1928 - 2000
      Persönlichkeit, Leben und Werk
      Ein wunderschönes Buch,
      D@nke @pezi7

      400 erlebnisreiche Seiten
      in Wort und Bild!

      Freuen darf ich mich auch über das Buch

      HUNDERTWASSER ARCHITEKTUR
      Für ein natur- und menschengerechtes Bauen.
      Herausgegeben und gestaltet von Angelika Taschen (Köln)

      Dokumentation von Andrea Christa Fürst (Wien)
      über 300 Seiten in Grossformat

      Mein Foto hat es auf die Titelseite von SOMMERGRAS geschafft. :thumbsup:
      siehe Anhang !
      Dateien
      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • Bei klarem Wetter kann man von Helsinki fast bis nach Tallinn blicken, lediglich 80 km Ostsee liegen zwischen der finnischen und der estnischen Hauptstadt. Neben der geografischen Nähe teilen die beiden EU-Länder auch kulturelle und politische Erfahrungen: Das Finnische und das Estnische gehören zur Gruppe der finno-ugrischen Sprachen, beide Länder sind digital affin (Nokia, Skype), beide wurden nach Jahrhunderten russischer Dominanz 1917 (Finnland) resp. 1918 (Estland) unabhängig. Im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes von 1939, der die territoriale Aufteilung des nördlichen Ostseeraumes zwischen dem III. Reich und der UdSSR regelte, wurden beide Republiken dem Baltikum zugeschlagen.

      Die Schriftstellerin Sofi Oksanen, 1977 in Mittelfinnland geboren, ist qua Biografie eine Mittlerin zwischen den Welten. Ihre Mutter ist estnisch-sowjetischer, ihr Vater finnischer Herkunft. Nach einem Studium der Dramaturgie an der Theaterakademie in Helsinki lebt die mittlerweile verheiratete Autorin in der finnischen Kapitale. Sie zählt zu den wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen finnischen Literatur und wurde mit mehreren Preisen geehrt.

      Anders als Finnland, das sich im sogenannten Winterkrieg 1939/40 erfolgreich des sowjetischen Überfalls erwehren konnte und seine politische Souveränität behielt, wurde Estland 1940 zwangsweise als Sozialistische Sowjetrepublik der UdSSR eingegliedert. Während der deutschen Besatzung Estlands von 1941 bis 1944 wurden überwiegend Juden verfolgt, nach dem erneuten Einmarsch der Roten Armee 1944 erfolgte die Sowjetisierung mit voller Härte; Zehntausende Esten wurden in den Gulag deportiert resp. gleich erschossen, im Gegenzug wurden Zehntausende ethnische Russen in Estland angesiedelt.

      Dieses bis in die Gegenwart reichende nationale Trauma muss man beim Lesen der Bücher Oksanens mitbedenken. In ihrem Buch „Fegefeuer“ (finnisches Original 2008, deutsche Fassung 2010), das zu ihrem literarischen Durchbruch führte und in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde, verknüpft sie auf gekonnte Weise die Geschichte mehrerer Generationen über Tausende von Kilometern. Aliide ist eine alte Bäuerin, die im Westen Estlands eigenbrötlerisch vor sich hinlebt. 1992, kurz nach der Wiedererlangung der estnischen Eigenstaatlichkeit, taucht die junge Zara bei ihr auf, eine russisch sprechende Estin, die sich als die Enkeltochter ihrer nach Sibirien verschleppten Schwester entpuppt.

      Zara ist unter falschen Versprechungen nach Europa gelangt, wird im Berlin der Wendejahre zur Prostitution gezwungen und schafft es schließlich, ihre brutalen Zuhälter zu übertölpeln. Die Ankunft der jungen Frau auf dem verfallenden Gehöft löst in Aliide lange verschüttete Erinnerungen aus - an ihren Geliebten, der nach 1944 als sogenannter Waldbruder in den Wäldern gegen die neuen Herrscher kämpfte, an ihren Ehemann, einen überzeugten Kommunisten, aber auch an das dauernde Klima der Beklommenheit in der Sowjetunion: „Die aus den Lagern Zurückgekehrten beklagten sie nie über irgendetwas, waren nie anderer Meinung und nörgelten niemals. Das war unerträglich.“

      Oksanens Roman „Als die Tauben verschwanden“ (finnisches Original 2012, deutsche Fassung 2014) rückt die Affaire zwischen Juudit, einer estnischen Widerstandskämpferin, und Hellmuth, einem SS-Offizier und dem Kommandeur des von den Deutschen besetzen Reval aka Tallinn in den Mittelpunkt. Juudit verfolgt anfangs ihren konspirativen Auftrag und versorgt ihre Kombattanten mit brisanten Informationen, findet aber zugleich Gefallen am Luxusleben an der Seite Hellmuths und verliebt sich in ihn.

      Edgar, einer ihrer Untergrundkollegen, bleibt der klandestinen Arbeit treu, nur nach 1944 eben auf sowjetischer Seite. Opportunistisch wie er ist, hat er keine Skrupel, auch persönlich Bekannte der Staatsmacht ans Messer zu liefern. Juudit ist nach Hellmuths Tod verwahrlost und zwischenzeitlich mit dem Spitzel Edgar liiert, findet sich im tristen Alltag nicht zurecht und erkrankt seelisch schwer: „Und der jetzige Zustand seiner Frau? Sich um ihren Medikamentenbedarf zu kümmern, verlangte schon Planung. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich um das Auffüllen der Hausapotheke selbst zu kümmern, denn seine Frau würde kaum imstande sein, taktisch vorzugehen und die Apotheken zu wechseln.“

      Das Leitmotiv der Romane Sofi Oksanens ist das Geworfenwerden zahlloser Menschen durch das Spiel der Großmächte, dessen Grausamkeit sich im Einzelschicksal zeigt. Epochenwenden wie 1940/44 oder 1989/91 ziehen die Menschen eines kleinen Landes in einen mächtigen Strudel, der ihnen alles abverlangt zum Überleben. Oksanens literarische Technik lässt sich gut als szenisch charakterisieren: Die einzelnen Kapitel resp. Episoden lesen sich sprechend, Dialoge, Reflexionen und Landschaftsskizzen lösen sich ab, die Geschichten werden beharrlich in Richtung Klimax vorangetrieben, Rückblenden erzeugen einen theatralen Rhythmus. Die Bücher vermengen historische Tatsachen mit literarischer Fantasie zu einer fesselnden Melange, die versunkene Sowjetunion lebt weiter als Schreckgespenst.

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      Sofi Oksanen: Fegefeuer. Roman, München 2012, btb (Finnisches Original 2008, deutsche Erstveröffentlichung 2010)
      Dieselbe: Als die Tauben verschwanden. Roman, München 2016, btb (Finnisches Original 2012, deutsche Erstveröffentlichung 2014)
    • Life-size cities. Städte fürs Leben. So einfach lässt sich das Konzept Mikael Colville-Andersens zur Befreiung der chronisch autoverstopften Städte verdichten. Der Däno-Kanadier gründete 2009 die Copenhagenize Design Company, der er heute als CEO vorsteht. Ein Team aus Architekten, Stadtplanern, Designern und Soziologen (m/w) widmet sich von Kopenhagen aus der (verkehrs)politischen Beratung von Städten. Das Fahrrad spielt bei der Umgestaltung des urbanen Raumes eine prominente Rolle als Mobilitätselement. Das jüngst publizierte Buch Copenhagenize – The definitive guide to global bicycle urbanism fasst das Credo Colville-Andersens und seiner Mitstreiter beredt zusammen.

      Der ausgebildete Drehbuchautor und Regisseur argumentiert weniger identitär, vielmehr pragmatisch. In der gut 7.000 Jahre währenden Geschichte der Städte spielte sich das soziale Leben zum großen Teil auf den Straßen und Plätzen ab. Im 19. Jahrhundert stellten die Verstädterung im Zuge der Industriellen Revolution und der beginnende Siegeszug des Verbrennungsmotors die Situation in Europa und Nordamerika auf den Kopf. Städte wurden nicht länger für Menschen geplant, sondern für Maschinen; Fahrräder und Fußgänger, die bis in die 1950er Jahre rund 50 % des Verkehrsaufkommens ausmachten, wurden im Wortsinn an den Rand gedrängt. Das Leitmotiv der „life-size city“ stellt daher ein Zurück in die Zukunft dar, angesichts der globalen Landflucht und der wachsenden Agglomerationen in Afrika und Asien ein Megathema des 21. Jahrhunderts.

      Das Buch beschreibt Zustand und Utopie in einem. In Kopenhagen ist es für viele Menschen aller Altersstufen selbstverständlich, in Sicherheit zu radeln: Es gibt ein dichtes Netz an breiten Fahrradstraßen, die im Winter vom Schnee geräumt werden; gut 600 Fahrradläden bieten unkompliziert Service, Verkauf und Pannenhilfe; spezielle Ampeln gewähren Fahrrädern eine grüne Welle; überall finden sich Bügel zum Anketten des Rades etc. In deutschen Städten hingegen ist das Fahrrad kein gleichberechtigtes Verkehrsmittel – wer sich in den Sattel schwingt, fährt gefährdet. Das liegt zum einen am schrankenlosen Einfluss der Automobilindustrie auf die Verkehrspolitik und Stadtplanung des Bundes und der Kommunen, zum anderen am Weiterleben der autogerechten Stadt der 1950er und 60er Jahre in den Köpfen und Füßen der Menschen.

      Nur zögerlich kommt die Einsicht in die Notwendigkeit der Stadtplanung 2.0 auch in Deutschland an. Copenhagenize gibt praktikable Rezepte in Richtung vernetzter Mobilität inklusive der Hebung der Attraktivität des ÖPNV. Dabei versteht sich Colville-Andersen nicht als „cyclist“, sondern als „citizen“, der seine Mobilitäts- und Logistikbedürfnisse mit dem sich anbietenden Gerät befriedigt: „Das Fahrrad gehört in die Städte. Es steht für Transport und Einkaufen, es ist eine Hilfe für Familien und eine analoge Dating-App. Diese menschliche Form des Verkehrs repräsentiert die perfekte Synergie zwischen Technologie und dem menschlichen Verlangen nach Bewegung.“

      Die Schaffung einer lebenswerten Stadt mit weniger Lärm und gesünderer Atemluft, mehr Bäumen und weniger Unfallopfern beginnt nach Colville-Andersen mit einem Paradigmenwechsel. Nur weil Autos seit vier Generationen alle erdenklichen Privilegien genießen, muss das nicht so bleiben. Die einschlägigen Berichte und Bilder aus der dänischen Hauptstadt wirken dabei so betörend wie verheißend. So wie das Zeitalter des Erdöls seinem Ende entgegen geht, gerät auch die Arrogance of Space unter Druck: „Es ist eine Tatsache, dass Autos keinen Platz mehr haben in den großen Städten unserer Zeit.“ So sieht es Bertrand Delanoë, von 2002 bis 2014 Bürgermeister von Paris.

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      Mikael Colville-Andersen: Copenhagenize. The definitive guide to global bicycle urbanism, London 2018, Island Press
    • Zum Geburtstag geschenkt bekommen,
      ist es jetzt mal an der Zeit, dass ich das Buch endlich lese.
      Meine Liebste hat es schon gelesen
      Ich teile nicht alle seine Meinungen.
      Aber es ist doch recht lesenswert.
      Und mitunter auch ganz humorvoll geschrieben.
      Wie zum Beispiel:

      Wer gerade eine Münze auf der Straße gefunden hat,
      antwortet auf die Frage 'Wie glücklich sind Sie mit Ihrem Leben?' deutlich zufriedener.
      Glückliche Menschen sind gesünder.
      Eine der günstigsten Massnahmen, viele Deutsche gesünder zu machen,
      wäre also, einen Teil der Krankenkassenbeiträge auf die Straße zu werfen
      statt aus dem Fenster. ©‿◕ Eckart von Hirschhausen


      Das erste Buch mit zweiter Meinung
      Dr med Eckhart von Hirschhausen
      Wunder wirken Wunder.
      Wie Medizin und Magie uns heilen.
      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • ...zurück von der langen Nacht der Weiterbildung.
      Dieses Jahr gab es von mir einen musikalischen Beitrag.
      Schön anzusehen ist das Logo der langen Nacht der Weiterbildung.
      Ein Buch‿◕)ツ
      Dateien
      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.

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    • Martin Walker - Germany 2064

      Das Buch stellt die Ergebnisse der vom deutschen Büro der Denkfabrik A.T. Kearney 2014 einberufenen Konferenz von Unternehmern, Wissenschaftlern und Politikern zu Visionen über die Zukunft in 50 Jahren in Romanform dar.
      Daher erscheint die gezeichnete Zukunft sehr realistisch, aber auch in vieler Hinsicht beängstigend
      (sofern man kein Smombie ist oder die heutige Überwachung und Kriegstechnologie noch nicht für genügend empfindet).
      Für alle, die einen Hoffnungsschimmer brauchen, wurde eine Revolution im Jahre 2048 (im Buch also in der Vergangenheit) eingebaut.