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    • Mal wieder mit einem Seufzer ein Büchlein zur Seite legen müssen. Hach...Julian Barnes, einer meiner Lieblingsautoren hat eine Liebesgeschichte geschrieben. Über die Liebe wurde mannigfaltig von geschrieben und gefachsimpelt. Große Werke, die man nicht missen möchte. Ich könnt sie gar nicht alle aufzählen.

      Was wären wir ohne die Liebesfähigkeit, obwohl sie uns doch immer wieder Kummer bereiten kann. Julian Barnes sagt in seinem Buch, die Liebe endet immer mit einer Katastrophe, egal ob sie hält oder sie auseinanderbricht. Wenn sie hält, können so viele Faktoren geschehen, die uns auf die Probe stellen und sie einfach zur Qual machen, weil sie nicht losgelassen werden kann, die Liebe, den, die oder das, was geliebt wird.

      Manchmal liebt man den/die/das Falsche. Das endet dann in einer Katastrophe. Vielleicht ist es mit der Liebe zu Dingen, die man gerne tut, einfacher. Sie verlassen einen nicht, höchstens du selber kannst sie verlassen. Manche Menschen sträuben sich auch davor zu lieben. Wegen der Angst vor dem Unheil, das sie bringen könnte. Andere wiederum sind schnell dabei mit der Liebe. Sie können Dinge lieben, die sie tun und sich so zu einem Gefangenen machen, der keinen Ausweg mehr sieht, aus diesem auszubrechen und sich auch anderen Dingen zuzuwenden. Sie können sogar Menschen lieben, die sie gar nicht kennen, einfach nur ob ihrer klugen Worte wegen und sie dabei nicht doof sind. Denn es stimmt ja auch irgendwie. Es gibt Menschen, die sind sehr gebildet. Aber was nützt es, wenn sie schlau sind, wenn sie doch doof sind. Sie können die Literatur, die Kunst, die Musik lieben, deren Erschaffer sie ja auch nicht persönlich kannten oder kennen, aber all das für sie so lebenswichtig geworden ist und ihrem Leben einen Sinn und eine Fülle geschenkt hat.

      Wenn der Mensch älter wird, blickt er manchmal, falls er allein geblieben ist, zurück, auf die Liebe oder gar mehrere Lieben, die ihm in seinem Leben Bedeutung verliehen haben. Und erst in der Rückschau begreift er mehr und mehr, wieso er den/die oder das geliebt hat. Da scheinen sich alle Summen der Attribute, was der-die-das jenige gewesen ist zusammenzufügen und ein ganzes Bild abzugeben.

      Julian Barnes sagt nicht zu Unrecht, das denke ich mir jedenfalls auch, jeder Mensch hat einmal in seinem Leben eine große Liebesgeschichte vorzuweisen. Und von einer dieser großen Liebesgeschichten, wie sie zwischen Mann und Frau entsteht, erzählt er uns seinem Buch "Die einzige Geschichte*.

      Die Geschichte beginnt mit einer Frage:

      Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage. Manchmal kann der Mensch sich nicht mal aussuchen, wen, wie oder was er liebt. Es passiert einfach und dann ist es, als wenn du aus der Realität und aus deiner Vernunft herausgeworfen bist.

      Julian Barnes Liebesgeschichte ist ungewöhnlich. Ungewöhnlich deswegen, weil sie einen großen Altersunterschied zwischen den Liebenden aufweist. Sie beginnt in einem Tennisclub, in einem gutsituierten und wohlhabenden Viertel Englands vor gut 50 Jahren. Paul ist 19 Jahre jung und begegnet dort seiner großen Liebe, Susan, die fast 30 Jahre älter ist.

      Heute ist es nicht ungewöhnlich, dass es Beziehungen gibt, wo der Partner, 10, 15 Jahre jünger ist. Ist es die Frau, scheint das weniger Probleme zu bergen, ist es der Mann und die Frau die Ältere, wage ich als Frau sagen, dass es problematischer ist, denn die Frau knabbert eher am Verlust der Attraktivität, der Angst wegen einer Jüngeren irgendwann verlassen zu werden oder gar vielleicht den Anforderungen in der Beziehung, die ein jüngerer Mann naturgemäß stellt, nicht mehr standhalten zu können. Eine solche Beziehung mit großem Altersunterschied zwischen den Liebenden kann nur bestehen, wenn Beide das akzeptieren und darüber hinweg kommen, nein, mehr noch, wenn es ihnen nicht wichtig ist und am Ende vielleicht nur noch zählt, dass jeder beim anderen nur Zuhause ist und sein will und sich gar nicht mehr umschaut, um all das, was sonst noch an Begehrlichkeiten in ihm webt, losgelassen werden kann. Ich schreibe das, nicht, weil ich es selber einmal erlebt habe. Jedoch kannte ich einen Fall im Freundeskreis, wo die Frau 14 Jahre älter war als ihr Mann und ich habe über die Jahre ihres Älterwerdens beobachtet und oft von ihr erzählt bekommen, wie sehr sie unter all dem *nicht mehr* ihres Seins leidet und wie sehr das ihre Beziehung belastet hat. Dennoch hat sie gehalten, diese Liebe. Aber ich glaube, dass ist eher selten.

      Paul jedenfalls, so jung, seine Zukunft noch vor sich, verliebt sich in Susan, die mit Gordon verheiratet ist, der trinkt und sie manchmal schlägt. Es entwickelt sich vorsichtig, aber dann ist sie da, diese tiefe und liebende Verbundenheit der Beiden. Susans Mann Gordon verachtet seine Frau, wird auch handgreiflich Paul gegenüber, der so oft wie möglich in bei Susan in deren Haus übernachte, in dem die Beiden alles miteinander tun, solange Paul noch bei der Arbeit weilt, was Liebende zu tun pflegen.

      Wenn man auf die Idee kommen sollte, vielleicht ist es eine Art Beziehung, wie sie oft in französischen Romanen erzählt wird, junger Mann wird von älterer reifer Dame in die Kunst der Liebe eingeführt, dann hat man weit gefehlt. In diesem Falle sind Beide unerfahren. Susan hat bis zu ihrer Heirat mit Gordon keine großen Erfahrungen gemacht und von ihrem Mann Gordon wird sie sogar als *frigide* bezeichnet und Paul ist eben einfach noch zu jung und die Zeit, in der Beide leben zu moralistisch, anständig und verklemmt. Die große Befreiung von all dem steht erst vor der Tür. Und es ist erfrischend zu lesen, dass den Beiden an *großer* Erfahrung, gutem oder schlechtem Sex gar nicht gelegen ist. Sie haben ihn einfach. Eine Sexualität die wohl eher dem biblischem Kern des *sich Erkennens* entspricht. Und das genügt ihnen, sie sind glücklich damit.

      Und sie sind auch in jeder anderen Beziehung glücklich miteinander. Susan, die eher wortkarg ist, Paul der so viele Fragen hat. Sie haben unendlich viele Gemeinsamkeiten, denen sie sich zuwenden können, ohne dass viel darüber geredet werden muß. Das Miteinander mit und an allem macht sie allein glückselig. Es braucht ja auch nicht viel Worte um gemeinsam das, was Beide lieben, zu genießen, wenn jeder weiß, wie es um die Gefühle des anderen steht, was er empfindet.

      Paul jedenfalls läßt sich nicht vom Zweifel beirren, seine Zukunft mit einer fast 30 Jahre älteren Frau zu verbringen, sie mit ihr zu leben. Er möchte immer mit und bei ihr sein. Als es wieder einmal zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm und Susans Mann Gordon kommt und er erfährt, dass er auch Susan übel zugerichtet hat, fliehen die Beiden in die Großstadt nach London. Dort erwerben sie ein Haus, leben, erleben gemeinsam in Pauls freier Zeit, während er tagsüber seinem Jurastudium nachgeht. Susan bleibt allein.

      1. Teil :P
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • 2. Teil

      Es ist nicht nur das Herausgeworfensein aus ihrem Umfeld oder das Alleinsein, das das Unheil nahen läßt. Denn, es kommt zu einer Katastrophe. Susan beginnt zu trinken, wird depressiv, muss Psychopharmaka nehmen und Paul steht dem allen hilflos gegenüber. Er möchte, dass alles wieder so wird, wie es zu anfangs war, er möchte seine Susan wieder glücklich sehen, er möchte ihr helfen, von der Alkoholsucht frei zu werden. Aber wie so oft in Liebesgeschichten, reicht die Liebe des Anderen nicht aus, um das zu erreichen, was dem Anderen besser täte. Es gibt einfach Dinge, die sitzen tief im Menschen und wenn du sie nicht selber bewältigen kannst, bist du verloren, ob du nun geliebt oder ungeliebt bist. Der Mensch kann sich nur selber retten. Denke ich jedenfalls. Natürlich kann es Hilfszuweisungen, Ratschläge (obwohl in diesem Wort ja auch das Wort Schläge steckt und ich immer etwas unsicher ob dieser wohlgemeinten Ratschäge bin) oder aufgewiesene Perspketiven geben, dennoch, wenn der eigene Wille nicht da ist, gesund zu werden, vielleicht auch die Kraft dazu nicht da ist, bleibt alle Liebesmüh vergebens. Da zeigt sich die Liebe eher darin, zu bleiben, auch wenn es schwer ist. Doch das darf auch nicht zur Selbstaufgabe führen. Es darf auch gegangen werden oder? Manchmal kann das Loslassen ja eher Hilfe sein, als das das Gegenteil und der Mensch hat erst dann die Möglichkeit, aufzuwachen und sich zu befreien. Wer aber bedenkt das schon so. So mancher denkt, das Leben der Anderen hinge von ihm ab.

      In einer Rezension im Spiegel wird etwas kritisiert, warum jetzt Julian Barnes den psychischen und körperlichen Verfall von Susan nicht näher betrachtet, die Gründe dem Leser erschließt. Man hätte es gern erfahren, sagt der Kritiker, der das Buch insgesamt jedoch sehr lobt. Wie kann man ein Buch von Julian Barnes auch nicht loben. Das kann ich mir gar nicht vorstellen, die ich eingie von ihm gelesen habe. Verstanden hab ich diese Kritik nicht. Sie muß wohl ein Mann geschrieben haben, denn als Frau weiß man bescheid. Man kann sich die inneren Qualen von Susan lebhaft vorstellen, wenn Einfühlungsvermögen vorhanden ist. Beim Lesen hab ich immer alle Antworten gegeben, wenn Fragen diesbezüglich gestellt wurden, nach Ursachen geforscht wurde. Paul war in dieser Beziehung einfach blind. Ich weiß es nicht. Oder seine Liebe war einfach so groß, dass er sich einfach nicht vorstellen konnte, dass seine geliebte Susan an all dem, was ich oben beschrieb litt. Am Alleinsein, am Älterwerden, am Verlust ihrer Attraktivität, der Angst ihn zu verlieren. Und wir wissen ja, manchmal reicht allein Verdrängung aus, um gewissen Belastungen auszuweichen. Wenn das jedoch nicht mehr hilft, dann kommt halt der Alkohol ins Spiel oder andere Drogen, die einen vergessen lassen, was einen quält.

      Und natürlich geht es auch um Schuld. Die Frage, die sich Paul immer wieder stellt. Warum konnte er Susan nicht retten. Warum, denn das wird er, verläßt er sie am Ende?

      Paul bleibt nach all dem, was passieren wird und wie sein Leben ohne Susan weitergeht, allein. Man sprach über ihn von einem Mann: "Ach, der ist gern für sich". Das ist für den Engländer nicht schwer zu verstehen, denn für ihn ist sein Haus ja eine Burg. Paul ging es aber um mehr. Um sein Ich und wo und wie man es aufbewahrte und wer, wenn überhaupt jemand, es voll und ganz sehen durfte. Das kann ich nachvollziehen und verstehe es. Ich glaub, ich seufzte am Ende auch ein wenig, weil ich auch so ein ganz klein wenig Paul in mir drin habe:)

      Julian Barnes erzählt eine anfangs anrührende Liebesgeschichte, die jedoch mehr und mehr verwundet und zerstört wird. Nicht durch das Außen, sondern durch die Dinge des eigenen Seins. Es gibt verschiedene Erzählperspektiven im Büchlein und immer wieder philosophiert Barnes zwischendurch über die Liebe an sich oder das menschliche Miteinander, den geselschaftlichen Konventionen, an die man sich in jeder Zeit gebunden fühlt. Wie immer ist es ein Buch voller Herausforderung zum eigenen Nachdenken und am Ende, weil die Geschichte dichter und dichter wird zwischen den Beiden legt man das Buch seufzend beiseite. So ist es.

      Viel Vergnügen! :P

      Julian Barnes
      Die einzige Geschichte
      Kiepenheuer & Witsch
      Isbn: 978-3462051544
      22,00 Euro
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • Ich nehme das Buch, um das es heute geht, permanent zur Hand. Ich lese es nicht linear, sondern konsultierend, soll heißen, dass ich Wörter nachschlage, die ich nicht auf Anhieb verstehe. Dazu sind Lexika da, die in meinen Augen den Grundstock einer jeden Bibliothek bilden.

      Nach mehreren Reisen ins Baltikum, erst recht nach intensiver Beschäftigung mit der Geschichte, der Politik, der Architektur und der Literatur Russlands resp. der Sowjetunion war es nur folgerichtig, mit dem systematischen Erlernen der russischen Sprache zu beginnen. Welch eine große Kultur tut sich dabei auf, wie bereichernd ist das Lernen doch! Thomas Mann hat das Russische einmal eine knochenlose Sprache genannt, damit wohl die für mitteleuropäische Gaumen und Zungen ungewohnten Konsonantenfolgen, die für viele Wörter charakteristisch sind, beschrieben. Die saubere Artikulation gerade der zahlreichen Zischlaute ist in der Tat eine Klippe, die aber mit entsprechender Übung zu nehmen sein wird.

      Typografisch finde ich das kyrillische Alphabet höchst reizvoll, ein gedruckter Text wirkt wie in Kapitälchen gesetzt. Die Sprachmelodie des Russischen liegt für meine Ohren nahe der Oper. Zum Baden in der gesprochenen Sprache eignen sich etwa die russischen Kommentare zu internationalen Schachturnieren, die problemlos im Netz zu erhalten sind. Und auf den Straßen Berlins kann man an jeder dritten Ecke Russisch hören; vorsichtig geschätzt, leben zwischen 100.000 und 200.000 russische Muttersprachler (m/w/d) dauerhaft an der Spree.

      Das Handwörterbuch des Russischen ist definitiv zu umfangreich, um es auf die nächste Reise nach Rossija mitzunehmen, auf dem Schreibtisch tut es verlässlich seinen Dienst. Und je mehr Fortschritte ich mache, desto seltener werde ich seine Hilfe in Anspruch nehmen. Dawaj!

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      Edmund Daum, Werner Schenk (Hg.): Handwörterbuch Russisch-Deutsch/Deutsch-Russisch. Rund 140.000 Stichwörter und Wendungen, Neubearbeitung München 2015, Langenscheidt
    • Johanna Romberg
      Vom Glück Vögel zu beobachten
      Federnlesen

      Ein Jahr begleiten wir die Journalistin und Hobby- Ornithologin

      Johanna Romberg dabei, wie sie die faszinierende Welt
      von Rotkelchen, Blaumeisen, Singdrossel, Mauerseglern
      und anderen heimischen Vogelarten erkundet.
      Monat für Monat vermittelt sie Wissenswertes
      über die Genies der Lüfte und schreibt über
      das sinnliche Vergnügen der Naturbeobachtung.



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      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • Dass der lettisch-sowjetische Großmeister Mikhail Tal (1936 - 1992) nicht nur ein mitreißendes Schach spielte, sondern über die Generationen hinweg verehrt und geliebt wurde, ist hinlänglich bekannt. Doch wie lebte es sich an der Seite dieses chaotischen wie freisinnigen Mannes, der sich vollends dem süßen Gift des Schachs überließ und dafür seinen Beruf als Lehrer aufgab, weil er sich nicht mit den regelmäßigen Reisen zu Turnieren vereinbaren ließ? Der nicht nur für sowjetische Verhältnisse wie ein Bohemian lebte und sich um die banalen Dinge des Alltags nicht weiter scherte? Seine erste Frau Sally Landau, mit der er von 1959 bis 1970 verheiratet war und mit der er einen Sohn hatte, hat bereits 1998 auf Russisch ihre Erinnerungen an den „Zauberer von Riga“ publiziert. Nun liegen sie auf Englisch vor und werden einem weiteren Leserkreis zugänglich gemacht.

      Sally Landau wurde 1938 in Vitebsk geboren, ihre Eltern arbeiteten am Theater in Vilnius. Von klein auf tauchte Sally in die Welt der Bühne ein, begann zu singen wie ein Kind und wurde schließlich professionelle Sängerin und Schauspielerin. Ihre Engagements und Tourneen führten sie quer durch die Sowjetunion und auch nach Riga, wo sie anlässlich eines Empfangs dem schon damals berühmten Mikhail Tal vorgestellt wurde. Vom Schach versteht die junge Sally Landau nichts, sie ist allerdings sehr empfänglich für das charmante Wesen des jungen Großmeisters, den sie am Klavier mit Etuden Sergei Rachmaninovs verführt. Sie werden ein Paar, heiraten bald und leben gemeinsam mit Tals Eltern in einer geräumigen Wohnung im Zentrum von Riga. Mikhail drängt Sally, ihren Beruf aufzugeben, doch sie denkt nicht daran und bleibt dem Theater treu. Daran ändern weder die Geburt des gemeinsamen Sohnes Gera noch die Liebeleien ihres Gatten etwas.

      Die beiden fahren gemeinsam zu Turnieren und Wettkämpfen in der Sowjetunion und im Ausland, Mischa und Saska genießen es sichtlich, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Besonders in den Jahren seines kometenhaften Aufstiegs auf den Olymp wird der attraktive Tal, ein Ladies Man wie auch der gleichaltrige Sänger und Dichter Leonard Cohen, von männlichen wie weiblichen Fans angehimmelt, sein Popstarstatus schenkt ihm Privilegien, Reisefreiheit und Geld. Als Tal, der sich nur wenig Zeit für seinen Sohn nimmt, seine Geliebte in der gemeinsamen Wohnung einquartiert, geht Sallys Langmut zu Ende. Sie spricht offen von Scheidung, lässt sich aber von Mikhails Liebesschwüren („Du bist meine Königin!“) und den Bitten seiner Mutter davon abhalten: ohne sie könne ihr Sohn nicht leben, und sie im übrigen auch nicht. Zumal sie quasi als Tochter in die Tal'sche Familie adoptiert wird; diese Bindungen halten bis in die Gegenwart, in der sie als 80 Jahre alte Dame in Antwerpen lebt, während ihr Sohn heute in Israel als Zahnarzt arbeitet und im vorliegenden Buch ein Kapitel über seine Gedanken an den verstorbenen Vater beisteuert.

      Sally ihrerseits, weiblich anziehend und selbstbewusst, gibt nach dem verlorenen Rückkampf Mischas gegen Mikhail Botwinnik 1961 dem Werben eines hohen Funktionärs nach, der sie seinerseits zur Scheidung drängt, ihr eine Wohnung in Riga kauft und ihr später politisch hinter den Kulissen hilft. Mikhails manifester Alkoholismus und seine ständigen Schmerzen wegen eines chronischen Nierenleidens samt häufiger Hospitalaufenthalte machen die Situation nicht einfacher. Zur Ruhe kommt Sally erst, als sie sich 1970 zur Scheidung entschließt und mit Gera nach Vilnius zu ihren Eltern zieht. 1979 schließlich emigrieren Mutter und Sohn aus der Sowjetunion, sie spielen mit dem Gedanken, nach Israel zu gehen, landen aber zuerst in Westdeutschland und später in Belgien. Während all dieser Jahre halten die Ex-Eheleute über die Landesgrenzen Kontakt und versichern sich ihrer bleibenden Gefühle. Doch während Mikhail krank und kränker wird und vor der Zeit altert und verfällt, blüht Sally an der Seite ihres neuen Gatten, mit dem sie in Antwerpen lebt, neu auf.

      Das Buch „Checkmate!“ ist, wie sein Untertitel es verspricht, eine Schilderung der Liebe zwischen Mischa und Saska. Es gibt zudem einen lebhaften Einblick in das Leben in der poststalinistischen Sowjetunion und reflektiert speziell die Lage der Juden im sozialistischen Imperium, die angesichts des unterschwelligen Antisemitismus praktisch dauernd über die Ausreise nachdenken. Es zeichnet ein Bild des Weltmeisters Tal, der sich völlig dem Schach opfert, Opern liebt, ganze Dramen frei zitiert und gerne den Entertainer gibt, sich für seine Garderobe nicht nennenswert interessiert, seine Honorare für Gelage auswirft und nicht einmal weiß, wie man eine Gasflamme auf dem Herd zündet. Seine kindliche Begeisterung und seine Großzügigkeit kommen in einer wie konstruiert wirkenden Anekdote zum Tragen: Sallys neuer Mann Joe ist ein großer Verehrer der Tal'schen Schachkunst, zu seinen größten Träumen zählt es, eine Partie gegen den Zauberer aus Riga zu spielen. Als er schließlich Mischa davon erzählt, antwortet der lakonisch: „Ich wurde geboren, um Dein Märchen zur Realität werden zu lassen.“ Und die beiden Männer, die die selbe Frau lieben, spielen ein paar freie Partien und sind glücklich.

      Sally schreibt, dass sie niemals eine typische Schachspieler-Ehefrau sein wollte. Ihre Unkenntnis des Schachs, von den elementaren Regeln abgesehen, erlaubt es ihr, Mikhail gegenüber nicht in Ehrfurcht über seine Virtuosität zu erstarren, sondern ihn als Mann und Mensch zu erleben und lieben. Und auch zu lenken, zumindest zu Beginn. Denn sie ist es, die den Alltag der Familie organisiert, die die Hausarbeit leistet und den kleinen Sohn erzieht, der für seinen Vater eher ein wachsendes Spielzeug zu sein scheint. Sie weiß, dass sie Mischa mit seinen Unzulänglichkeiten nicht ändern wird, dass sie aber auch nicht vollends für sein Leben verantwortlich ist, sondern zuerst für ihres und das ihres Sohnes. Als sie sich schließlich trennen, behält sie die geschönten Erinnerungen an ihren Mann, die lästigen versinken im Strom der Zeit. Als Tal 1992 schließlich stirbt und sie will, dass er in Riga auf dem Jüdischen Friedhof begraben wird, ist sie Anatoli Karpow unendlich dankbar, dass er seinen Einfluss geltend macht und die Überführung des Leichnams von Moskau organisiert.

      Der Text liest sich über weite Strecken wie eine Sammlung von Tagebucheinträgen, ein ordnendes Lektorat hätte ihm gut getan, die englische Übersetzung aus dem Russischen ist hier und da ein wenig ungelenk, der Einband ist lappig, der Satz nicht sonderlich strukturierend. Diese handwerklichen Mängel werden allerdings kompensiert durch eine Reihe von Fotos aus dem Archiv der Familie Tal; besonders ergreifend ist die Aufnahme des frisch gebackenen Weltmeisters bei seiner Ankunft am Bahnhof in Riga 1960, er trägt den Lorbeerkranz des Champions wie einen Rettungsring um den Oberkörper, als wollte er verhindern, im wogenden Meer der tosenden Fans unterzugehen. Unterm Strich ein bewegendes Buch, das ein Schachbuch ist und auch wieder nicht. Wer Mikhail Tal und seinem Spiel verfallen ist, wird es lieben. Die anderen hören eine Romanze an das Leben und die Liebe, stellenweise kitschig, aber bestimmt zum Mitsingen einladend.

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      Sally Landau: Checkmate! The Love Story of Mikhail Tal and Sally Landau, Moskau 2019, Elk and Ruby (Russisches Original 1998)
    • Dirk Müller
      MACHTBEBEN
      Die Welt vor der grössten Wirtschaftskrise aller Zeiten
      Hintergründe Risiken Chancen

      Dirk Müller ist für mich die Nr 1,
      wenn es um treffenden Aussagen bezüglich der Börse
      und ihrer teilweise verwerflichen Handlungsweisen geht.
      Er bringt alles auf den Punkt.
      Genau deshalb hat man ihn
      in den öffentlich rechtlichen Börsennachrichten schon lange gekickt.
      Die jetzigen Moderartoren/innen der Börsennachrichten sind nur Weichspüler.
      Ehrlich gesagt, ich würde die Börsen dieser Welt am Liebsten alle schließen.
      Allen voran die verwerflichen Börsen die auf Nahrungsmittel spekulieren

      Dirk Müller, Deutschlands bekanntester Finanz- und Wirtschaftsexperte, ist sich sicher:
      Wir stehen vor der nächsten Weltwirtschaftskrise und einer gigantischen Umverteilung.
      Dirk Müller erklärt in seiner gewohnt verständlichen Art Hintergründe,
      Zusammenhänge und Konsequenzen der aktuellen Konflikte.
      Klug und glaubhaft schildert er den vorraussichtlichen Ablauf dieser Weltwirtschaftskrise.
      Er zeigt, welche Rolle Digitalisierung und Automatisierung spielen.,
      wo die Zukunft des Geldes, der Arbeit und der Gesellschaft liegt
      und gibt wertvolle Tipps. wie wir diesen Umbruch nicht nur unbeschadet überstehen,
      sondern auch noch davon profitieren können -
      aktuell und hochspannend


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      Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe das er fliegen lernt.
    • also ich persönlich steh ja auf kinderbücher zumal ich erst spät mit lesen angefangen hab in meinem Leben ........

      erstmal steh ich auf cornelia Funke

      Tintenherz hab ich mal von meiner schwester bekommen
      potilla
      herr der diebe

      Lippels Traum von paul maar

      und wenn ich selbst kinder hätte würde ich ihnen folgene bücher schenken

      kasimir lässst frippe machen
      Irma hat so große Füße
      Das Kalte herz illustriert von Felix Scheinberger




      sonst hätt ich noch herr der ringe gelesen ....und per anhalter duch die Galaxie .....und Brautprinzessin
      dürrenmatts Physiker las ich noch zu schulzeiten und die wolke von der Pausewang

      Und Sachbücher würd ich politischer extremismus in der bundesrepublik Deutschland von der bundeszentrale für Politische Bildung Ausgabe von 1996 empfehlen wobei ich immer nur mal hier und da rein gelesen hab

      Und Leo dembicki Pschologie wobei ich mit freuds psychoanalyse nicht soviel anfangen konnte aber intressant wars allemal

      ach ja und schwarzbuch Globalisierung hab ich mal in der flora aufgegabelt und bis seite 80 gelessn

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Harrypotter ()

    • Mariana Leky *Was man von hier aus sehen kann "

      Manchmal les ich ein Buch erst, wenn der Hype vorbei ist. Das Buch, das ich Euch heute vorstellen möchte, ist so ein Buch.

      Mariana Leky, 1973 in Köln geboren, gelernte Buchhändlerin, schrieb mit ihrem Roman *Was man von hier aus sehen kann* einen Bestseller, der sage und schreibe 65 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste stand.

      Zu Recht, wie ich jetzt im Nachhinein sagen darf. Und es ist ja auch gar nicht schlimm, wenn ein Spätzünderleser, wie ich einer bin (es gibt ja immer so vieles Altes und Neues, was gelesen werden will) erst lange danach dazu komme, es zu lesen und von diesem Buch zu erzählen. So wird ein schönes Buch noch einmal aus der Versenkung gehoben und darauf aufmerksam gemacht. Es hat es schließlich verdient.

      Was man von hier aus sehen kann ist ein kurzweiliger, humoriger, aber auch nachdenklicher Roman über das Heranwachsen der 10-jährigen Luise, die in einem kleinen Dorf im Westerwald aufwächst.

      Genau richtig für trübe Novembertage, die so manchem Menschen mit Regen, Nebel und gar nicht blau werdendem Himmel das Leben ein wenig schwerer machen, wie es vielleicht sonst schon ist. Beim Lesen auf meinem Sofa habe ich oftmals laut lachen müssen. Dabei immer ein klein wenig schmunzeln müssen ob meines lauten Lachens. Nicht, dass ich nicht gerne lache, aber hin- und wieder dachte ich, schon komisch, wenn man allein wie ich da herumliegt, bei einem Buch und einfach laut los lacht. . Keiner da, der mit einstimmt. Und die Nachbarn denken vielleicht, was ist mit der Nachbarin los. Die ist doch allein. Was hat die denn zu lachen.

      Über Mariana Leky Wortwitz, so drollig und schrullig kann man einfach nicht anders. Die kleinen Pointen erwischen einen eiskalt. Wenn sie z.B. schreibt*

      "Eine Witwe im Nachbardorf hatte ihren Hof vor Jahren zu einem Gästehaus umfunktioniert, sie vermietete es meist übers Wochenende an Therapiegruppen. Als ich ein Kind war, ar Schreitherapie in Mode gewesen. Manchmal waren Martin und ich ins Nachbardorf gelaufen, aus dem Haus der Einkehr waren gellende Schreie gekommen, an allen umstehenden Häusern waren die Rolladen heruntergelassen. Martin und ich hatten das lustig gefunden und zurückgeschrien, so laut wie wir konnten, bis ein verzweifelter Anwohner aus seinem Haus gekommen war und gesagt hatte:"Bitte, nicht ihr auch noch"

      Sich in diese beschriebene Szene hineinzufinden, sich wie die beiden 10-jährigen zu fühlen und zu denken, genauso hättest du es auch gemacht, wenn du so etwas miterleben und anhören musstest. Das ist einfach urkomisch.

      Alle Figuren, die in Leky´s Roman eine Rolle spielen, sind urkomisch, schräg und drollig, aber vor allen Dingen liebenswert.

      Da wäre Selma, Mutter von Martin, Großmutter von Luise, lebenserfahren und klug. Selma hat einen immer wiederkehrenden seltsamen Traum von einem Okapi. Es bleibt jedoch nicht bei der Seltsamkeit eines Okapitraums, denn, wer träumt schon von einem Okapi. Nein, denn immer wenn Selma von ihrem Okapi träumt, stirbt ein Mensch im Dorf. Daher haben alle Dorfbewohner Angst vor Selmas Okapiträumen. Und wenn da mal wieder eins auftaucht, im Traum, dann schleichen alle in schlafwandlerischem, todvermeidungswilligen Schritten durch ihr Leben. Aber ganz ganz wichtig, nicht vergessen darauf hinzuweisen, diese Selma sieht aus wie Rudi Carrell. Nein, eigentlich verhält es sich so, wie Luise es später feststellen muss, Rudi Carell sieht aus wie Selma. Er ist eigentlich nur eine Kopie von Selma.

      Martin, ihr Sohn, Arzt im kleinen Westerwälder Dorf, der bei Maschke eine Psychoanalyse macht, weil er entdecken will, welcher Schmerz ihn das ganze Leben plagt. Martin, der immer allen sagt: Ihr müßt mehr Welt ins Leben lassen. Wenn man nur hier bleibt, in diesem kleinen Dorf, kann man weder was lernen noch Abenteuer erleben.

      Alaska, der Hund von Martin, den er sich auf Empfehlung seines Psychiaters zugelegt hat, weil er der Schmerz sein soll, wie er sagt, den Martin entdecken soll. Daher waren auf der Suche nach einem Namen für den kleinen Welpen anfangs alle etwas ratlos und meinten, dann könne er ja gut *Schmerzi* heißen. Das fanden sie dann aber doch doof und nannten ihn *Alaska* wegen dem Bildband, den Martin seiner Mutter Selma zum Geburtstag geschenkt hat und weil Alaska so weit weg war, wie der Schmerz, der Martin plagte, wohl auch. Und Bildbände gab es zu jedem Geburtstag von Selma von ihrem Sohn. Ein ganzes Regal voller Bildbände über die große weite Welt schmückte Selmas Wohnzimmer.

      Und da ist der Optiker, der Selma schon seit Ewigkeiten liebt, aber ihr selbst nach dem Tod ihres Mannes Heinrich, niemals gesagt hat, dass er sie liebt. Dafür sorgten die Stimmen in seinem Kopf, die ihn immer wieder scheinbar zur Vernunft brachten, dies nicht zu tun. So bleib es bei Hunderten von Briefen des Optikers an Selma, in denen er ihr endlich seine Liebe gestehen wollte, die aber meistens nicht über zwei, drei Anfangszeilen hinausgingen. Aufgehoben hat er sie alle. Und irgendwann kommen sie dann auch zum Vorschein. Der Optiker trägt stets eine Anstecknadel am Revers seines Anzuges auf dem steht: "Mitarbeiter des Monats*. obwohl er eigentlich alleine arbeitet. Er beruhigt sich in unruhigen Lebenssituationen damit, dass er sich auf seinen Hocker vor sein Perimeter setzt und schaut und schaut und erst beruhigt ist, wenn er sieht, dass alles in Ordnung ist.

      Und Martin, der gleichaltrige Freund von Luise, mit dem sie Tag für Tag mit dem Zug in die nahe gelegene Kreisstadt zur Schule fährt und der davon träumt, später, wenn er dann erwachsen ist, mal Gewichtheber zu werden. Und zwar so ein ganz Großer, wie Wassili Alexejew, den man auch den *Kran von Schachty* nannte und der mal so eben 180 Kilo beim Reißen meisterte.

      Astrid, Luises Mutter, die Blumenhändlerin des kleinen Dorfes zu erwähnen, weil die Besonderheit an ihr war, dass sie über Jahre in schlechter Gesellschaft lebte. Und zwar nicht einer Person, sondern einer Frage. Man kann sich von einer immer wiederkehrenden Frage sein Leben lang ausbeuten lassen, erfahren wir von Leky. Natürlich verrate ich Euch die Frage nicht. Doch kenne ich solche Fragen in meinem Leben auch, für deren Anworten ich manchmal Jahre brauchte.

      Dann haben wir Marlies, die Lebens- und Weltverweigerin. Die niemals aus ihrem Haus herauswill. Im Norwegerpullover und Unterhose an ihrem Tischchen sitzt und ausser Erbsen aus Dosen nichts ißt. Manchmal raucht sie eine lange Peer Einhundert und später, als Luise erwachsen ist und eine Ausbildung zur Buchhändlerin in einem kleinen Laden in der nahe gelegenen Kreisstadt macht, macht sie ihr sogar einw enig das Leben sauer, in dem sie ständig kommt und sich bei Luises Chef beschwert, das Buch, dass ihr Luise empfohlen hat, war scheiße:) So herrlich.

      Und natürlich Frederik. Der eigentlich aus Hessen kommt. Aber nach Japan gegangen ist um dort buddhistischer Mönch zu werden. Der nix anderes macht all die Jahre, als zu erlernen, wie man Böden putzt, sitzt und geht, wie man sät und erntet, aber vor allen Dingen wie man schweigt und meditiert. Dieser Frederik aber dann ganz plötzlich in dem gottverlassenen Westerwälder Dorf aufkreuzt und Luise mitten im Wald begegnet, einen Marsriegel kauend. Luise befindet sich gerade auf der Suche nach Alaska, der verschwunden ist und der wohl sein Herrchen, Luises Vater, der mittlerweile die Welt hereingelassen hat und sich auf weite Weltreisen begeben hat, sucht. Der steht da plötzlich mit zwei anderen Mönchen in schwarzer Robe und bringt Luise ganz durcheinander. So etwas hatte sie nämlich vorher noch nie gesehen, auch wenn sie nun schon 25 Lenze zählte. Und Frederik ist auch sogleich bereitwillig Luise bei der Suche zu helfen, nicht ohne ihr bei der Suche ebenfalls einen Marsriegel anzubieten.

      Um all diese und weitere hier jetzt unerwähnten Protagonisten (diese waren mir am nahesten) entwickelt sich sich dieser wunderbare Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann, zu einem spannenden Abenteuer des Lebens all dieser Menschen, die alle zusammengehören, füreinander da sind, sich umsorgen und behüten und da sind, wenn man sie braucht. Es geht um Liebe, Tod und Erleuchtung.

      Was ich mitgenommen habe aus diesem Roman? Dass das Leben so ist wie es ist, wie es gerade ist. Und dass man Menschen und Dinge niemals unterscheiden darf. Jeder Mensch und jedes Ding ist wie es ist. Das sage ich zu mir auch immer, wenn ich mal das Gefühl habe, andere wollen mich be- oder entwerten. Schau, hier stehe ich und bin so wie ich bin, ich kann nicht anders und schon gar nicht so, wie du, der Andere es gerne hättest.

      Und was die Erleuchtung betrifft: Putze den Boden, dann ist die Erleuchtung da! Sei immer mal wieder der Wischmob für Andere, der nach Getanem weggeworfen wird, das entbindet dich von vielen Erwartungen!



      Viel Spaß beim Lesen!

      Mariana Leky
      *Was man von hier aus sehen kann*
      Dumont Verlag
      ISBN: 978-8321-9839-8
      20,00 Euro
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.

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    • MON AMOUR 1. Teil


      Heute beginnt das neue Jahr. Ich möchte über ein Buch schreiben, das ich so gerne gelesen habe. Ich hätte das Buch schon vor ein paar Tagen vorstellen können. Es lag da immer und wartete. Heute erschien es mir jedoch, ist ein guter Tag, es vorzustellen.

      Denn...in diesem Buch geht es um Menschen und um das Leben. Das Leben der Autorin und das der Menschen, die sie in ihrem Büchlein beschreibt. Gerade jetzt, wo das Neue Jahr beginnt und sich die Wünsche, der eigenen für die, die man mag und die, die von den Anderen an einen selber gerichtet wurden, sich doch immer auch um die Gesundheit, das Glück, die Zufriedenheit und die Freuden der kleinen und großen Dinge im Leben des nun neuen bevorstehenden Jahres, durch das wir schreiten werden, drehten.
      Mit Wünschen meine ich nicht die unendliche Vielzahl von virtuellen unpersönlichen Glückwunschkarten und teils hirnlosen Videos die durch den Whatsapp-Kanal oder andere social-media-Seiten an einen geschickt wurden, sondern die ganz persönlichen, die, die noch eigene Worte gefunden haben, was bei diesem Wunschkartenvideoirrsinn immer mehr zu kurz kommt, als wenn die Menschen keine eigenen Worte mehr hätten.

      Jedenfalls, wenn man das Büchlein von Katja Oskamp mit dem Titel *Marzahn Mon Amour ... Geschichten einer Fusspflegerin... liest, denkt man, dass das Wünschen für die Anderen und einen selbst im Grunde sinnlos ist. Denn das Leben macht sowieso was es will, mit einem selber und auch mit den anderen. Natürlich will ich damit nicht sagen, dass nicht gewünscht werden sollte. Das Wünschen gehört zum Leben, es sollte sich aber nicht darauf verlassen werden. Also, auf die Erfüllung dieser. Denn das Leben ist einfach unberechenbar. Ich selber habe das im vergangenen Jahr schmerzhaft erfahren müssen. Zwei Freunde, die ich über 40 Jahre kannte, sind mir verloren gegangen, Einige andere kämpfen weiter. So wie ich. Denn das Leben ist doch auch ein Kampf. In den seltesten Fällen geht alles glatt bis zum Ende.
      Aber nun zum Buch. Katja Oskamp wuchs in Berlin auf. Sie studierte Theaterwissenschaften und arbeitete als Dramaturgin am Volkstheater Rostock. Ein weiteres Studium der Literatur verschlug sie nach Leipzig. Danach kehrte sie wieder zurück nach Berlin. In der Lebensmitte angekommen, der Erfolg als Schriftstellerin konnte sie nicht über Wasser halten, ihr Kind ist mittlerweile aus dem Haus, der Mann schwer krank, überfällt sie eine Lebenskrise, aus der hervorgekommen ist, dass sie sich einem anderen Beruf zuwenden muss, um das Leben und das ihres Mannes weiter finanzieren zu können.

      Wie der Titel verrät, widmete sie sich der Ausbildung zur Fußpflegerin. Ein Buch über die Arbeit mit Füßen. Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können, ein solches zur Hand zu nehmen. Warum auch? Obwohl. Füße. Füße sind doch die Körperteile, die den Menschen durch das Leben tragen. Und obwohl sie die Schwerstarbeit übernehmen, wird ihnen so oft kaum Bedeutung zugemessen. Geschweige vfon dem Schuhwerk zu reden, dass ihnen oft zugemutet wird. Erst, wenn mal was mit ihnen nicht mehr stimmt, werden wir auf sie aufmerksam, weil es plötzlich nicht mehr so leicht geht. So leicht. Durch das Leben gehen. Es heißt auch, dass an der Beschaffenheit der Füße eine ganze Menge über das Wohlbefinden der anderen Körperlichkeit, der Organe und die damit verbundenen Störungen, abgelesen werden kann. In einem Fuß befinden sich 26 Knochen, was bei beiden zusammengerechnet ungefähr ein Viertel aller Knochen unseres menschlichen Skeletts ausmachen, die mit 206 bis 215 insgesamt auszumachen sind. Aber das könnt ihr ja alles bei wiki nachlesen.

      Aufmerksam geworden bin ich auf das Büchlein durchs literarische Quartett. Besetzt ist dieses (noch) von Christine Westermann, Volker Weidermann (den ich sehr schätze und der leider in der nächsten Sendung nicht mehr dabei sein wird, warum auch immer) und Thea Dorn (die ich immer schon doof fand,) und dazu kommt immer ein geladener Gast. In der letzten Sendung war es Matthias Brand, jüngster Sohn Williy Brandts, den ich gern als Schauspieler sehe, ihn aber auch ebenfalls als Autor mag. Sein Büchlein *Raumpatrouille* kann ich bei dieser Gelegenheit nur empfehlen.

      Man kann auf die Idee kommen, so ein Buch über die Fußpflege kann ja nur von einer Frau empfohlen werden. Männer lesen so was bestimmt nicht. Irrtum. Gerade Matthias Brandt stellte das Büchlein mit Wohlwollen vor. Die Diskussion ergab, dass um es ein warmherziges, nur zu empfehlendes geht, das Katja Oskamp hier über die Menschen, die sie tagtäglich in ihrem Studio behandelt, das zwar keine hochgeistige Literatur sei, dennoch auf seine ganz eigene humorige, charmante und wohlwollende Sicht auf die Menschen gern gelesen wurde. So hab ich es mir, wie auch zwei weitere dort empfohlener Büchlein sogleich besorgt.
      Schon die worte des Anfangs haben mich für das Büchlein eingenommen. Ich zitiere sie hier:

      "Die mittleren Jahre, in denen du weder jung noch alt bist, sind verschwommene Jahre. Du kannst das Ufer nicht mehr sehen, von dem du einst gestartet bist, und jenes Ufer, auf das du zusteuerst, erkennst du noch nicht deutlich genug. In diesen Jahren strampelst du in der Mitte des großen Sees herum, gerätst außer Puste, erschlaffst ob des Einerleis der Schwimmbewegungen. Ratlos hälst du inne und drehst dich dann um dich selbst, eine Runde, noch eine und noch eine. Die Angst, auf halber Strecke unterzugehen ohne Ton und ohne Grund, meldet sich"

      Wer diese Zeit schon erlebt hat, weiß und stimmt der Autorin unbedingt zu. So ist es. Selber habe ich das auch so empfunden. Damals. Als die Kinder in die Pubertät kamen. Ich überlegte, was dann, danach, wenn sie dann ganz aus dem Haus sind. Wieder einsteigen wollte ich. Um nicht abhängig zu sein. Mein eigenes Leben wieder auf Schwung bringen. Meinen Beruf als Rechtsanwaltsfachangestellte, ich leitete zuvor als Bürovorsteherin eine kleine Kanzlei, erschien mir nicht mehr wünschenswert, ihn auszuüben. Wollte mehr mit Menschen zu tun haben, als mit Paragraphen. Und vor allen Dingen mit Büchern. Denn die waren meine besten Freunde. Also sattelte ich um, wurde Buchhändlerin...bin glücklich damit geworden.

      So auch, wie man am Ende des Büchleins von Katja Oskamp erfährt, sie ebenfalls mit Ihrer Umstrukturierung ihres Erwerbslebens.
      So ganz nebenbei erfährt man so einiges über Berlin, insbesondere über Berlin-Marzahn, in dem Katja mit ihrer Chefin und einer weiteren Kollegin in einem Kosmetikstudio arbeitet, in dem sie selber ihre Fußpflegetätigkeit betreibt. Warmherzig beschreibt sie auch das Miteinander dieser drei Frauen, die sich blendend verstehen, die zusammenhalten und alle drei die gleiche wohltuende und wohlgesonnene Sicht auf ihre Kunden inne haben. Es gibt keinen Zickenalarm. Das allein schon ist wohltuend zu lesen. Denn das ist unter Frauen ja recht selten. Wie Marzahn entstanden ist, damals noch zu DDR-Zeiten. Dass Marzahn hundehaltermässig an der Spitze Berlins liegt, gefolgt von Reinickendorf und Spandau. Ganze elftausend Hunde sollen dort registriert seien. Ich bin nun mal Hundefan, daher fand ich es interessant. Oder dass es eine Attraktion zu sehen gibt, den Skywalk, eine Spezialkonstruktion aus Metall, auf die man mit dem Fahrstuhl in den 21. Stock Stock eines Doppelhochhauses gelangt. Er liegt in der Raoul-Wallenberg-Strasse 40/42, steigt weitere Stufen hinauf, verlässt den gewaltigen Turm, um über weitere, nun frei schwebende Gitterstufen in windigen Höhen zu erklimmen, um an den eigenen Füßen vorbei in die Tiefe schauen kann. Auf der Aussichtsplattform dann aus 70 m Höhe hat man einen grandiosen Blick über die Marzahner Promenade, über von Baumkronen durchsäumte Hochhausketten, über die ganze Stadt hinweg bis zum Fernsehturm, bis zum Müggelsee und bis zum Flughafen Schönefeld und den dahinterliegenden Brandenburger Weiten.

      Teil 2. folgt
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • MON AMOUR, Teil 2.

      In diesem Doppelhochhaus wohnt auch einer ihrer Kunden. Ein Mann. Der Fritz. Der Fritz mit den wunderbaren Füßen, in die sich Katja sofort verliebte. Fritz ist ein schüchterner Mann. Er entschuldige sich beim ersten Mal seines Besuchs bei ihr wegen seiner Füße. Das tat fast jeder, der zu ihr kam, aus unterschiedlichen Gründen. Nur die, die es besonders nötigt gehabt hätten, taten es nicht. Das kommt ja oft vor auch in anderen Situationen des Lebens. Dass sich Menschen für etwas entschuldigen, was im Grunde Peanuts sind, aber die, die es nötig hätten, kämen nicht mal auf die Idee. Katja schließt bei Neukunden mit ihren Kolleginnen immer Wetten ab: Folgetermin?...Trinkgeld?...Entschuldigung...Bei Entschuldigung tippe sie immer auf *ja*... Ob Polier vom Bau oder eitler Ganzkörpertätowierter, ob Schwangere oder Greisin, ob geistiger Tiefflieger oder Akademiker, wirklich fast jeder entschuldigt sich, wenn er in ihrem Fußpflegeraum zum ersten Mal die Schuhe und Socken abstreift, für seine Füße. Es spielt zumeist auch keine Rolle, in welchem Zustand diese Füße sind. Es ist einfach ungewohnt und neu, fast schon peinlich seine Füße einem anderen zu überlassen.
      Natürlich erfahren wir mehr über Fritz, aber auch von Frau Guse, die regelmäßig kommt und ihre Lebensgeschichte immer wiederholt, so dass Katja ihr ihre Beschwerden schon aufzählen kann und dennoch nie genervt ist.

      Und von Herrn Paulke, der bei seinem ersten Besuch bei ihr die Frage stellt:" Wissense, wo Se hier sind? Uff de Scheiße von Berlin. Dit warn früher allet Rieselfelder, und denn hamse Hochhäuser hinjeklotzt. Wo de Erde uffjebuddelt is, könnset noch riechen"

      Da ist Frau Blaumeier, eine ihrer lustigsten Kunden mit richtiger Berliner Schnauze. Sie ist Mitte sechzig, wirkt aber zehn Jahre jünger. Sie wohnt im gleichen Haus, in dem Katja ihr Studio hat. Manchmal, wenn Katja draußen in der Pause eine raucht, sieht Frau Blaumeier sie und winkt ihr zu aus ihrem schnittigen Elektromodell, mit dem sie durch die Gegend düst wie ein Rennfahrer. Bei Frau Blaumeier wurde mit einem Jahr Polio diagnostiziert. Sie kam in die eiserne Lunge, mit vier Jahren wurde sie entlassen. Ihre Eltern sagten zu ihr:" Du hast ein paar Einschränkungen. Aber du bist nicht krank" Und so habe sie auch gelebt. Ein bewegendes tapferes Leben.
      Eine möcht ich noch erwähnen, neben den vielen anderen folgenden, Frau Frenzel, die schon 70 Jahre auf dem Buckel hat. Und deren Blick auf die Welt voller Verachtung ist und die sich von Nichts und Niemandem die Laune verderben lässt. Frau Frenzel trägt eine Vokuhila-Bürstenschnitt-Frisur. Da musste ich erst mal googeln. Die schaut so aus wie bei Rod Stewart damals. Kennt man doch. Nur den Namen kannte ich nicht. Katja muss immer denken, wenn sie Frau Frenzel sieht, sie lässt sich ihre Frisur in einem Hundesalon machen.Frau Frenzel weiss alles über A-B und C-Promis. Costa Cordalis z.B.." Der hat sich ausm Hintern Fett ins Jesicht spritzen lassen, erzählt sie. Wennse den küssen, knutschense den sein Arsch!* Oder Julia Roberts, die sich Hämorrhoiden-Salbe ins Gesicht schmiert. Dit soll irjendwie ne straffende Wirkung haben. Und wenn sie so ihre Geschichten über die prominente Welt erzählt, kringeln sich beide immer, sie, Frau Frenzel und Katja. Frau Frenzeln ist sich auch sicher, dass Tiere sprechen können, sie würden nur nich wollen! Einfach so herrlich.

      Insgesamt erzählt sie Geschichten von 15 Kunden, deren Leben und ihrer gemeinsamen Unterhaltungen, die sie während der Behandlung ihrer Füße mit ihnen pflegt. Bewegende, berührende, humorige, traurige und liebenswerte Menschengeschichten, wie ich sie selber auch liebe und ebenfalls damit Erfahrungen mache in meinen Betreuungen alter, gebrechlicher oder behinderter Menschen. Es gibt nichts Schöneres als vom Leben anderer Menschen sich erzählen zu lassen. Man muss jedoch ein guter Zuhörer sein. Viel kann gelernt werden, was einem dann selber auch nützt. Oft auf jeden Fall...Es ist nichts schwer, wenn man es nur leicht nimmt!
      Katja übt diesen ihren neuen Beruf mit viel Liebe und Gelassenheit aus. Selbst auf dem Weg zur Arbeit gönnt sie sich ihre ganz eigene Ruhe. Manchmal schlendert sie durch den Parkfriedhof morgens um acht Uhr zur Arbeit. Sie nimmt dann auf, wie frisch das Gras in der Früh noch riecht, die Vöglein zwitschern und die Eichhörnchen einander jagen. . Hin- und wieder bleibt sie an Grabstellen stehen und liest die Namen der Verblichenen. Viele Russen sind zu finden. Es ist schön, sagt sie, morgens in der Früh über einen menschenleeren Friedhof zu spazieren. Das ist auch mir nicht fremd. Ich gehe auch gern auf Friedhöfe. So schöne, stille Paradiesgärten oft mitten im Stadtgewimmel. Sitz da manchmal auch mit meinem Buch im Frühling im Sonnenschein und lese, fühle mich pudelwohl. Es ist schön, wenn sich zur Arbeit nicht abgehetzt werden muss, sondern man noch hie und da etwas von der Welt wahrnehmen kann, wie sie tickt außer dem Normalwahnsinn.

      Alles in allem ein sehr hübsches, warmherziges Buch über Menschen und den Umgang mit ihnen, im Alltag und im Berufsleben. Man wird drauf aufmerksam gemacht, dass jeder, der uns begegnet in unserem Leben eine Geschichte hat. Und sie lädt uns dazu ein, vielleicht, wenn die Möglichkeit besteht, mal genauer hin zu hören und zu schauen, um auch mal von sich selber wegzuschauen.
      Menschen, die uns allen auch jetzt wieder im Neuen Jahr über den Weg laufen, neue Bekanntschaften, Begegnungen irgendwo, irgendwie, die, die wir schon lange kennen.

      Viel Freude beim Schmöckern!

      Katja Oskamp
      MARZAHN
      MON
      AMOUR
      GESCHICHTEN
      EINER
      FUSSPFLEGERIN
      Hanser-Verlag
      isbn: 9783446264144
      16 Euro
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • Es war ein kleines Lächeln, das machte sich auf den Weg,
      um zu sehen, ob es nicht jemanden fände, bei dem es wohnen könnte.
      Es traf ein kleines Augenzwinkern, das auch nicht viel größer war.
      Sofort fühlten die Beiden sich zueinander hingezogen.
      Sie gaben sich die Hand und gingen gemeinsam weiter.
      Sie waren noch nicht sehr weit gegangen.
      Da trafen sie zwei kleine Lachfältchen.
      Die fragten wohin der Weg ginge und gingen mit.
      Da kamen sie in einen großen Wald und unter einem Baum sahen sie eine alte Frau sitzen,
      die alleine war und sehr traurig aussah!
      Die Vier verständigten sich kurz und guckten, ob die Frau noch Platz für sie hätte.
      Heimlich und lautlos versteckten sich die zwei Lachfältchen und das Augenzwinkern
      unter den Augen und das Lächeln krabbelte in die Mundwinkel der Frau.
      Da kitzelte es die alte Frau, sie stand auf und merkte plötzlich,
      dass sie nicht mehr traurig war und sie ging hinaus aus dem Wald auf eine große Wiese,
      wo es hell und warm war.
      Dem ersten Menschen, den sie traf,
      schenkte sie befreit ein kleines, klitzekleines Lächeln und zwinkerte dabei mit den Augen
      und die Lachfältchen fühlten sich richtig wohl …

      aus: Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten Band 2
    • Ich werde die Welt nicht wiedersehen

      Ich werde die Welt nie wiedersehen...so heißt der Titel des von mir gerade ausgelesenen Buches, das mir mein Schwiegersohn zu Weihnachten schenkte. Er weiß genau, was ich mag.

      Autor des Buches ist Ahmet Altan, türkischer Journalist und Schriftsteller, einer der größten seines Landes.

      Als Journalist arbeitete er bei vielen türkischen Zeitungen, u.a. auch bei Hürriyet. 2007 gründete er seine eigene Zeitung *Taraf*, in der er auch selber Kolumnen schrieb. Das Anliegen seiner Zeitung war es, die größten Tabus zu thematisieren, wie den Völkermord an den Armeniern sowie die Diskriminierung der Kurden. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurde seine Zeitung von der Regierung eingestellt. Er selbst und sein Bruder Mehmet Altan wurden festgenommen und inhaftiert. Beiden wurde vorgeworfen, mit Fethullah Gülen, der in den USA im Exil lebt, zusammengearbeitet zu haben.

      Am 16. Februar 2018 wurden beide mit 5 anderen Journalisten zu lebenslanger Haft, er selbst mit erschwerten Bedingungen, verurteilt, obwohl sie unschuldig sind.
      Im November 2019 wurde er freigelassen, um kurze Zeit danach erneut inhaftiert zu werden wegen Fluchtgefahr. Im ersten Prozess wurde ihm vorgeworfen, dass er am Putschversuch beteiligt gewesen sein sollte. Man wies auf ein von ihm und seinem Bruder gegebenes Fernsehinterview hin, was jedoch völlig aus der Luft gegriffen war. Ahmet Altan war Putschistgegner sowie Gegner jedweder terroristischer Angriffe. Aber genau darauf bezog sich dann das zweite Urteil, Unterstützung einer Terrororganisation. Deutlich erkennt man die Willkür, die von Erdogans Regime gegen ihn und gegen so Viele, angewandt wird. Im Buch liest man, wie die Prozesse abgelaufen sind, dass im Grunde die Urteile feststanden, die Richter gelangweilt die Sitzungen leiteten und man die Anwälte gar nicht anhören wollte.

      Ein unglaublicher Einschnitt, völlig willkürlich, im Leben eines Menschen. Natürlich er ist nicht der Einzige, wie wir alle wissen. Und nicht nur in der Türkei geschieht dies. Um so wichtiger ist es, immer wieder, egal wo, auf diese unglaublichen menschenverachtenden Realitäten aufmerksam zu machen, wie es ja dem Himmel sei Dank auch von Reportern ohne Grenzen und Amnesty international unter Einsatz ihres eigenen Lebens gemacht wird.

      Wie geht ein Mensch mit einem solchen Schicksal um? Was kann er dagegen halten in der Vergessenheit und Trostlosigkeit eines Gefängnisses.
      Ich werde die Welt nie wiedersehen, war sein Gedanke, als er nach den ersten Tagen wieder zu sich gekommen ist. Den Himmel nicht mehr außerhalb der Gefängnismauern. Meine Liebsten nicht.

      Ich möchte gar nicht so viel erzählen, nur den Wunsch hervorrufen, dass sein Büchlein von vielen Menschen gelesen wird. Es ist nicht nur ein politisches, sondern ein poetisches, philosophisches und zutiefst berührendes Buch.

      Nur zwei Dinge, die mich ganz besonders beeindruckt haben. Das eine, dass der Mensch in jedweder aussichtslosen und tragischen Erfahrung seiner Lebensrealität eine andere Realität setzen kann. Er schreibt:

      "Für alles, was uns in unserem Leben an bedrohlichen Situationen und gefährlichen Realitäten passieren kann, erwartet man von uns bestimmte Kommentare und Verhaltensweisen. Wenn wir uns diesen Schablonen widersetzen und Unerwartetes tun und sagen, sind es genau diese Realitäten, die aus dem Lot geraten und an den aufmüpfigen Wellenbrechern unseres Bewusstseins zerschellen. Und wir erhalten dadurch die Macht und das Vertrauen, uns aus den Trümmern dieser Realität eine neue Wirklichkeit zu schaffen"

      Es kommt also darauf an, dieses unerwartete Verhalten zu zeigen und Dinge zu sagen, mit denen Niemand rechnet. So antwortete er z.B. in der Situation, als ihm ein Wärter eine Zigarette im Gefängnistransport anbietet: *Ich rauche nur wenn ich nervös bin"

      Das ist natürlich nur ein kleines Beispiel. Dass er selber von sich sagt, dass er sich keinen einzigen Tag im Gefängnis gesehen hat, sondern dass er durch das Erschaffen anderer Realitäten, durch seine Fantasie, seine Träume durch die ganze Welt spaziert. Nur so überlebt er jeden Tag. Und natürlich die Literatur die er von anderen Autoren gelesen hat, die ihm in den Sinn kommen, die er auch im Buch benennt und sie teilweise zitiert, haben ihm geholfen. Zu Büchern hatte er kaum Zugriff, es war beschwerlich hin- und wieder eins aus der Gefängnisbibliothek für sich zu gewinnen. Tolstoi z.B. und sein Buch *Die Kosaken* darf er studieren.

      Des weiteren hat mich stark beeindruckt, weil mir der Gedanke eigentlich noch nie gekommen ist, weil es für uns in Freiheit lebende Menschen so natürlich und selbstverständlich ist, dass das Fehlen eines Spiegels das ganze Selbst in Frage stellen kann. Kein Spiegel, kein Fenster, nichts da, worin du dein eigenes Antlitz entdecken kannst und somit eine tiefe Unsicherheit deiner selbst entstehen kann und man aufpassen muss, nicht den Verstand zu verlieren. Um den Verstand nicht zu verlieren aber kommt wieder das Setzen anderer Realitäten ins Spiel.

      Am Ende des Buches sagt er:
      " Ich schreibe diese Zeilen in einer Gefängniszelle.
      Aber ich bin nicht gefangen.
      Ich bin Schriftsteller.
      Ich bin weder dort, wo ich bin, noch dort, wo ich nicht bin.
      Ihr könnt mich ins Gefängnis stecken, doch ihr könnt mich dort nicht festhalten.
      Weil ich die Zaubermacht besitze, die allen Schriftstellern eigen ist. Ich kann mühelos durch Wände gehen"

      Beeindruckend oder?

      Ich habe für mich darauf geantwortet, Schriftsteller muss ich nicht sein, solang ich selber über Fantasie und Kreativität verfüge, meine, wie auch immer möglicherweise schwere Realität zu ertragen, indem ich mir andere Realitäten, Welten schaffe. Das geht immer, wenn der innere Reichtum groß ist.

      Ich hoffe und wünsche, dass er so durchhält. Dass eine Zeit kommen wird, die ihn wieder ins Leben wirft. Es darf nicht sein, was ist und geschieht. Dort, wo er jetzt ist in diesem Land und auch überall, wo Menschen in schrecklichen Lebenssituationen leben. Dafür muss gekämpft werden!

      Ein großartiges Buch!
      Ahmet Altan
      Ich werde die Welt nicht wiedersehen - Texte aus dem Gefängnis -
      S. Fischer Verlag
      ISBN: 978-310-397425-6
      12 Euro

      deutschlandfunkkultur.de/schri…ml?dram:article_id=464242
      spiegel.de/politik/ausland/tue…-verhaftet-a-1296171.html
      Es war einmal ein Schiff,Befuhr die Meere alle Zeit,und unser Schiff, es hieß die Goldne Nichtigkeit.
    • lottelenia schrieb:

      Ich werde die Welt nie wiedersehen...so heißt der Titel des von mir gerade ausgelesenen Buches, das mir mein Schwiegersohn zu Weihnachten schenkte. Er weiß genau, was ich mag.

      Autor des Buches ist Ahmet Altan, türkischer Journalist und Schriftsteller, einer der größten seines Landes.

      Deutlich erkennt man die Willkür, die von Erdogans Regime gegen ihn und gegen so Viele, angewandt wird. Im Buch liest man, wie die Prozesse abgelaufen sind, dass im Grunde die Urteile feststanden, die Richter gelangweilt die Sitzungen leiteten und man die Anwälte gar nicht anhören wollte.
      Ein unglaublicher Einschnitt, völlig willkürlich, im Leben eines Menschen. Natürlich er ist nicht der Einzige, wie wir alle wissen. Und nicht nur in der Türkei geschieht dies. Um so wichtiger ist es, immer wieder, egal wo, auf diese unglaublichen menschenverachtenden Realitäten aufmerksam zu machen, wie es ja dem Himmel sei Dank auch von Reportern ohne Grenzen und Amnesty international unter Einsatz ihres eigenen Lebens gemacht wird.
      Guten Tag!

      Das erste, was sich Diktato(u)ren immer vorknöpfen und zum Schweigen bringen, sind Personen, die nicht nach ihrem Munde reden, sich nicht nach ihrem Gusto benehmen, oder ihnen die Show stehlen. Wenn ich ein Freund von Ahmet Altan gewesen wäre, hätte ich ihm geraten, nur noch Liebesromane und über Fussball zu schreiben, oder aus der Türkei auszuwandern, bevor es an seiner Türe klingelt, und dort weiter zu schreiben, wo man ihn schreiben gelassen hätte.... X(
      Gruss
      BC