Schach - Die dunkle Seite der Macht

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    • Schach - Die dunkle Seite der Macht

      Wer Schach nur vom Hören sagen kennt, bekommt oft so etwas zu hören wie Schach ist gut für das Gedächtnis, verbessert das räumliche Vorstellungsvermögen, hilft Kindern in der Mathematik weiter und sieht das Spiel wohlmöglich als etwas langweilig an: Man schiebt Holzklötze in bisweilen sehr langen Zeitspannen auf einem Brett herum. Wenn man sich nun aber länger mit Schach befasst, erkennt man, dass es auch andere Faktoren gibt, man denke beispielsweise an die legendäre Partie in der Steinitz von Bardeleben mit seinem Turm "foltert". Und hin und wieder gewinnt man natürlich auch eine Partie, zwar bestimmt nicht so elegant wie Steinitz aber immerhin, man drückt den Gegner gegen die Wand bis der schließlich aufgibt oder matt ist. Das Gefühl der Kontrolle, der Macht, die man über seinen Gegner hat überkommt einen da schon bis weilen - ein schönes Gefühl (?). Schach soll ja auch wie kein anderes Spiel Psychopathen und Kriminelle anziehen .... Auch ist es eine massive Belastung für Körper und Geist. Wer das Kandidatenmatch in London gesehen hat wird sich vielleicht erinnern wie erledigt Wassily Ivanchuk war .... Nigel Short sagte einmal über Schach: "SCHACH IST EIN BRUTALES SPIEL, DU MUSST BEREIT SEIN ZU TÖTEN." Loben wir das Schachspiel vielleicht zu sehr ?

      Eure Meinung würde mich interessieren,

      Gruß Chessok
    • Zu diesem Thema fällt mir ganz spontan ein Text ein, den wir neulich im Deutsch-Unterricht behandelt haben:

      Joseph von Westphalen (geb. 1945)

      Warum ich nicht Schach spiele


      [...] Schach wird für ein stilles und intelligentes Spiel gehalten, ein Spiel für scharfe Denker, für Leute mit Kopf, für Rechner, die sich nicht auf ihr Glück verlassen. Vor Schach haben sogar Gangster Respekt.

      Das hohe und ungetrübte Ansehen des Schachspiels ist mir schon immer auf die Nerven gegangen. Eine Sache, die keine Feinde hat, muß ihre Haken haben. Feinde hat Schach deswegen nicht, weil es den Ruf eines Intelligenz-Spiels hat. Wer also etwas gegen Schach sagt, der erhebt seine Stimme gegen die Intelligenz, und das ist unklug. Wer schlecht Schach spielt, zweifelt nie am Schachspiel, sondern immer an sich selbst. Dies ist das Perfide am Schach und mein erster Einwand: daß es als ein Meßinstrument des Denkvermögens angesehen wird. Der miserable Schachspieler muß sich für einen geistigen Schwächling halten.
      Aus mir spricht gereifte Erfahrung. Die wenigen Partien, die ich jemals spielte, quälten mich, ob ich gewann oder verlor. Ich bekam Kopfschmerzen, Magenzwicken, Ohrensausen und nervöse Beine. Nach jedem Spiel war mir übel. Dies alles hielt ich, mit einiger Trauer, für Symptome meiner überforderten Intelligenz. Offenbar war ich doch nicht der klare Denker, für den ich mich gehalten hatte. Das Schachspiel hatte mir meine Grenzen gezeigt.

      Inzwischen weiß ich längst, daß nur der Ekel mir solche Pein verursachte. Denn das edle Brettspiel hat durchaus seine widerwärtigen Züge. Unter dem Deckmantel des logischen Denkens wird auf den 64 Feldern eine gräßliche Schlacht geschlagen. Es werden Fallen gestellt, es wird umzingelt, belagert, verfolgt; es gibt Angriff und Rückzug, es werden - eine besonders verräterische Formulierung - Figuren «geopfert», bevorzugt Bauern; es wird immer mehr in die Enge getrieben, es wird gedroht, gemetzelt; es gibt immer mehr Tote und schließlich muß sich
      einer der beiden befeindeten Könige ergeben, oder er wird matt gesetzt.

      Das Schachspiel ist auf nichts als auf die Vernichtung des Gegners ausgerichtet. Es schließt unbarmherzig den glücklichen Zufall aus, der einem im Leben gelegentlich weiterhilft. Nur die Fehler des Gegners helfen einem weiter.
      Es ist ein Spiel ohne Gnade, ohne Charme, ohne Witz.
      [...]
      Die schönsten Elfenbeinfiguren und die raffiniertesten Züge können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Schach ein brutales Killerspiel ist, der vornehme Vorgänger der Computer-Video-Spiele, an denen auf den Bildschirm glotzende Halbwüchsige irgendwelche Feinde bekämpfen.
      Überhaupt ist die Verbindung von Schach und Computer nicht von ungefähr. Denn die vertrottelte Logik des Schachspiels, die nichts als den Sieg durch ein dauerndes Vermeiden von allen nur möglichen Fehlern im Sinn hat, ist auch die dem Computer eingebleute Denkweise. Daher hat sich der Schachcomputer in jüngster Zeit auch zum Trainingspartner des leidenschaftlichen Schachspielers entwickelt. Ihm kann es jetzt der Denkstratege am Brett zeigen, daß er immer noch der Bessere ist.
      Denn ständig will der Schachspieler besser sein. Das hat er mit den Fußballspielern gemeinsam, aber die lehne ich auch ab. Ich lehne überhaupt alle Spiele ab, wo man gewinnt und verliert, und besonders solche, wo man Weltmeister werden kann. Das Gestrampel um den Sieg kann ich nicht normal finden.
      Da wird herausgefordert, da werden Titel verteidigt, da geht es ja zu wie im richtigen Leben.

      Wenn ich spiele, dann möchte ich mich vom Leben erholen. Das Schach aber wiederholt nur den Irrsinn der Weltgeschichte auf einem kleinen Brett. Man strengt sein Hirn ausschließlich dazu an, den Gegner möglichst schnell auszurotten, und man hat die Partie auch dann gewonnen, wenn das eigene Heer weitgehend abgeschlachtet ist. Allein der König, dieses unbewegliche Monstrum, muß geschützt werden.
      Natürlich begreifen die Schachspieler ihr Gemetzel nicht als traurige Parabel der Völkerschlachten, sondern als vergnüglichen Denksport. Man runzelt die Stirn wie ein Generalstäbler und zieht dabei an seiner Pfeife. Man übt seinen Geist. Man ist stolz auf seine überaus sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
      [...]
      (Aus: Joseph von Westphalen. Warum ich trotzdem Seitensprünge mache.
      Wilhelm Heyne Verlag. München 1995)
      Ich persönlich halte die Argumentation des Autors - wenn man sie denn überhaupt als eine solche bezeichnen kann - für ausgemachten Blödsinn. Schach mit eiem Killerspiel zu vergleichen halte ich doch für sehr weit hergeholt und stark übertrieben.
    • Ja, Schach hat etwas Grausames. Aber nicht deswegen, weil Damen geschlagen, Bauern geopfert und Pferde geschlachtet werden. Sondern wegen des Triumphgefühls, wenn man den Gegner am Rand der Niederlage hat, bzw. der ohnmöächtigen Verzweiflung, wenn man selber dieser Gegner ist. Man beobachte nur mal Spieler im realen Turnierschach, die Minen sprechen eine mehr als deutliche Sprache. Sicher, wenn man beim Monopolie auf die Schloßallee mit 4 Hotels kommt, geht es einem auch nicht gut. Aber da kann man es wenigstens noch auf das Würfelpech schieben. Beim Schach ist es dagegen eine persönliche Niederlage, der absolute Triumpf des einen Geistes über den anderen. So erkärt sich auch der hohe Anteil von Psychopaten und Proggern, die es auch hier auf der Arena leider gibt.

      Andererseits: Macht nicht gerade das den Reiz des Schachspiels aus? Sind wir nicht gerade deswegen alle süchtig nach dem Adrenalinschub, den es uns immer wieder gibt? Und kann man das Schachspiel nicht auch gelassener betrachten? Ich denke, gerade in letzterem liegt die wichtigste Schule für das Leben, die uns das Schachspiel gibt. Und Disziplin, Ausdauer, Vorsicht, Bescheidenheit, Sorgfalt, aber auch Mut und Großmut kann man durch das Schachspielen trainieren. Wenn es keine dunkle Seite hätte, wären all diese hellen Seiten auch nicht möglich.

      So, genug der Philosophie, meine e-mail-Partien warten ^^
    • ich hatte mal einen gegner der hat nach dem 4. Zug den Springer eingestellt. Der hat dann so komisch geatmet und auf die figuren geguckt, und immer wieder hochgeschaut tief in meine augen, dann wieder runter. Das ging über 15-20 Züge so, bis ich schlieslich unsouverän gewonnen habe. Ich weiß nicht ob es an dem einsteller lag, dass er so psycho rüberkam, oder ob er es immer so macht. Aber das hat mich schon stark verunsichert :D

      Also schach, kann unter umständen, schon sehr ungewöhnlich sein.
    • Ein Wort zum zitierten Aufsatz:

      Schach ist eine Art Schlachtensimulator? Theoretisch ja, zumindest war das die Idee. Eine konzeptualisierte Schlacht.
      Ich denke aber, praktisch gesehen, nicht. Dafür ist es viel zu abstrakt. Allein Konzepte wie Zugzwang und Opposition,
      Bauern, die vorwärts laufen, aber nur schräg schlagen, machen es mir unmöglich, das Ganze als "Schlacht" zu bezeichnen
      oder irgendeinen Bezug zur Realität zu finden.

      "Das Schachspiel ist auf nichts als auf die Vernichtung des Gegners ausgerichtet. Es schließt unbarmherzig den glücklichen Zufall aus, der einem im Leben gelegentlich weiterhilft. Nur die Fehler des Gegners helfen einem weiter.
      Es ist ein Spiel ohne Gnade, ohne Charme, ohne Witz."

      Der gute Herr von Westphalen scheint hier seinen Denkfehler zu haben. Witz und Kreativität spielen eine gewaltige
      Rolle im Schach. Ich unterstelle dem Autor einfach mal, dass er geistige Anstrengung zum Vergnügen nicht leiden kann.
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      Der psychologische Aspekt des Besiegens und Gedemütigt-Werdens ist es, der Schach grausam macht.
      Ich hasse schon mal einen Spieler, der alles stumpf abtauscht und dann im Springerendspiel auf Patzer spielt.
      Den will ich 10 Mal in Folge mit Opferkombinationen vom Tisch wischen.

      lg, Hero
    • Denke beim Schach im Geringsten
      an eine kriegerische Auseinandersetzung.....

      Die dunkle Seite beim Schach zeigt sich für mich,
      in Form von schlechten Verlierern ;)

      Schach

      Du wunderschönes Spiel
      bedeutest mir so viel.
      Vom Orient bis zum Okzident
      gibts manchen, der dich liebt und kennt.
      Wer eines Tages dich ersann,
      war sicher ein sehr kluger Mann.
      Du hast seither jahrein jahraus
      viel Glück gebracht in manches Haus,
      wo Menschen seither selbstvergessen
      an dir Geisteskräfte messen
      Partien der Meister gar studieren
      sich ganz und gar an dich verlieren.
      Doch tun sie's auch mit aller Kraft
      nur selten kommt die Meisterschaft.
      Nur wenige von all den vielen,
      die dieses Spiel der Spiele spielen,
      bringen es je zu Meisterehren.
      Die schweben dann in höhern Sphären.
      Beflügelt von Caissas Gunst
      wird dann ihr Schachspiel gar zur Kunst.
      Doch jener, der dies nie erreicht,
      dass nur ein Kummer ihn beschleicht,
      wenn er daran nur Freude hat,
      dann soll er spielen bis zum Matt............©.....Bernd Wiebel
    • Da muss ich Schnakenhascher aber recht geben. Schach ist immerhin ein ernstes Spiel.
      Und zumindest auf psychologischer Ebene ist es Kampf. Über die Auswertung der Figuren
      bin ich mir immerhin nicht so sicher.

      Schach wirft für den geübten Spieler und Beobachter übrigens auch lehrreiche Parabeln ab.
      z.B. die Figur, die ein Abzugsschach liefert für einen Menschen, der freie Entscheidung in einem
      geplanten großen Ganzen hat ;)
    • Volle Zustimmung Peter,
      was man da so manchmal liest,von sogenannten "Schachgrössen",den Gegner zerstören zu wollen,man kann nur erfolgreich spielen"wenn man den Gegner hasst"
      armselig finde ich sowas,Schach ist ein Spiel,ein Ideenwettrennen und wenn man sich in der Nachanalyse mit dem sogenanntem "Gegner"-würde ihn lieber als "Partner" verstehen wollen - austauscht
      und gute und schlechte Züge gemeinsam findet,das ist es,was Schach zu einem friedlichen Spiel macht.
      Und net am Ende "hahaha,looser" oder noch blöderes schreibt,wenn man gewinnt,so wie es manche hier tun.
      Jeder findet seinen Meister.
      Schach bedeutet für mich Spielwitz,Respekt und auch mal ein anerkennendes Lob für den "gegner",wenn er ne tolle Idee o.Kombination liefert.
    • Ein ernstes Spiel schließt Spaß nicht aus. Ernst bedeutet doch nicht Verbissenheit oder
      Frust. Es heißt einfach, dass beide Seiten ihr Bestes geben sollten.
      Wenn mein Gegner nur blöde Züge macht (absichtlich), dann ist das kein Schach mehr.
      (unseriöse Opfer und Gambits natürliche ausgeschlossen, mache ich selbst viel zu gern)

      lg, Hero