Turm und Läufer gegen Turm

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    • Es gibt Partien, die bei mir den Eindruck von schwarzer Magie hinterlassen. Wie macht es dieser Teufelskerl Caruana nur, einen gestandenen Großmeister, der mit den Verteidigungstechniken in diesem Endspiel mit Sicherheit bestens vertraut ist, doch noch auszuspielen?

      Ein weiteres Beispiel einer solchen "magischen" Gewinnführung gab es gestern beim Skilling Open zu sehen. Hier zeigte Anish "Girinho" Giri absolute Extraklasse. Ich wußte, daß Vidit dieses Endspiel extrem gut beherrscht, und hätte fast jede Wette angenommen, daß er die Stellung hält. Mir fiel doch glatt der Draht aus der Mütze, als sich dann folgendes auf dem Brett ereignete:

      Vidit, Santosh Gujrathi (2636) - Giri, Anish (2731)
      Skilling Open, 5. Runde, 22.11.2020
      Stellung nach dem 59. Zug von Schwarz

    • Heute hatte Vidit wieder das Endspiel T vs TL auf dem Brett, diesmal gegen Nakamura. Im Unterschied zu der Giri-Partie verteidigte Vidit sich heute absolut perfekt.

      Nakamura hatte Wut im Bauch wegen seiner unnötigen Niederlage gegen Le in der vorherigen Runde. Und wenn er wütend ist, ist Naka besonders gefährlich. Er trieb Vidits König erst an den oberen Brettrand, dann an den rechten und dann an den unteren. Aber Vidit hielt immer wieder eisern mit der Verteidigung auf der zweiten Reihe dagegen, gewürzt mit diversen Pattmotiven. So schaffte er es, die volle Distanz von 50 Zügen unbeschadet zu überstehen.

      Vidit, Santosh Gujrathi (2636) - Nakamura, Hikaru (2829)
      Skilling Open, 7. Runde, 23.11.2020
      Stellung nach dem 85. Zug von Schwarz

    • Bei der Live-Kommentierung auf Chess24 der Partie Vidit - Giri wurde empfohlen, dass Vidit im 19. Zug. mit 19. Tc2 (statt Kc2) zu der Verteidigung auf der 2. Reihe hätte zurückkehren sollen. Nach Kd3 folgt dann Td2+!, das Pattmotiv. Die Kommentatoren meinten, es sei ein psychologischer Fehler, den viele machen, von einem gefassten Verteidigungsplan (hier: 2. Reihe) abzuweichen. Danach kommen dann häufig entscheidende Fehler.

      Es gibt wohl ein Verfahren, den Gegner zur Aufgabe der 2. Reihe-Verteidigung zu zwingen. Nakamura hat das wohl nicht geschafft. Evtl. steht es im Dvoretsky's Endgame Manual.
    • Der Artikel ist eine sehr schöne Ergänzung zu Mark Dvoretskys "Endspieluniversität". Danke dafür, @Manni :)

      Das übersehene einzügige Matt wirkt zunächst befremdlich. Aber aus eigener leidvoller Erfahrung kann ich sehr gut nachvollziehen, wie es in diesem Endspiel nach extrem langer Spieldauer und mit Sekunden auf der Uhr dazu kommen kann.

      Eine meiner bittersten Niederlagen der letzten Jahre (die Erinnerung daran wird mich wohl ewig verfolgen) ereignete sich in der Schlußrunde des Xtracon-Open im dänischen Helsingør (das ist übrigens eines der empfehlenswertesten Open überhaupt). Nach 7-stündiger Massage durch einen starken Gegner, davon die letzten 2 Stunden im 30-Sekunden-Inkrementmodus ohne Atempause, war ich derartig fertig mit den Nerven, daß ich mich einzügig habe mattsetzen lassen - dabei hätte ich nur noch 10 Züge durchhalten müssen, um die rettende 50-Züge-Grenze zu erreichen.


      Schroeder, Christoph (2196) - IM Aabling-Thomsen, Jakob (2391)
      Xtracon Chess Open, Helsingør, 10. Runde, 30.7.2017



      Durch diesen Langläufer verzögerte sich der Beginn der Siegerehrung um eine Dreiviertelstunde.
    • Ein weiteres Drama in diesem Endspiel ereignete sich soeben beim FIDE World Cup. Alexey Sarana erreichte nach 72 Zügen eine Gewinnstellung, konnte abe nicht innerhalb der ihm noch verbleibenden 3 Züge mattsetzen.

      Kovalev, Vladislav (2637) - Sarana, Alexey (2640)
      FIDE World Cup, 2. Runde, Tiebreak, 17.7.2021



      Dieses Remis sicherte Vladislav Kovalev den Sieg im Tiebreak und damit den Einzug in die dritte Runde.
    • Philidor-Stellung um 2 Reihen verschoben ist Remis

      In der gestrigen Bundesligarunde erreichte Jorden Van Foreest die Philidorstellung, aber um zwei Reihen nach oben verschoben (siehe 90. Zug). Diese Stellung ist erstaunlichereweise Remis wegen der Nähe zum Brettrand. Allerdings ist die Verteidigung am Brett (in den meisten Fällen mit 30 Sekunden Inkrement) extrem schwierig, und dem für Düsseldorf spielenden Ravi Haria gelang es nicht, das rettende 50-Züge-Ufer zu erreichen.


      GM Van Foreest, Jorden (2714) - GM Haria, Ravi (2499)
      Schachbundesliga, 11. Runde, 7.7.2022
      SG Solingen - Düsseldorfer SK, Brett 1

    • Am letzten Wochenende ist nicht nur die 1. und 2. Bundesliga, sondern auch die Oberliga in ihre neue Saison gestartet. In der Oberliga Nord / Staffel Nord kam es gleich in der 1. Runde am Millerntor zum Aufeinandertreffen der beiden Top-Teams FC St. Pauli II und SK Norderstedt.

      Laut dem Spielbericht von Rüdiger Breyther lief beim Zwischenstand von 3,5 : 3,5 nur noch die Partie am 8. Brett. Diese mußte also die Entscheidung bringen, und hier war das Endspiel TL vs T auf dem Brett:

      Schleicher, Guido (2154) - Parvanyan, Alfred (2137)
      OLNN, 1. Runde, Hamburg 22.10.2023
      FC St. Pauli II - SK Norderstedt, Brett 8
      Stellung nach dem 57. Zug von Weiß



      Die Kenntnis der im vorigen Posting gezeigten Regel "Die Philidorstellung um zwei Reihen verschoben ist remis" hätte beiden Spielern wesentlich geholfen. Bevor ich die Partie van Foreest - Haria gesehen habe, war mir das auch nicht klar, und ich hätte diese Stellung genauso wie der Unglücksrabe Alfred Parvanyan verlieren können. Zudem weiß ich ja aus eigener Erfahrung, wie bitter es ist, dieses Endspiel kurz vor der 50-Züge-Grenze doch noch zu verlieren (Posting 25). Und in einer solchen Situation - in der entscheidenden Partie eines Mannschaftskampfes - ist der Druck auf die Spieler nochmal viel höher als bei einem Einzelwettbewerb.

      Laut dem Ligaorakel hat der SK Norderstedt trotz dieser 3,5:4,5-Niederlage die größten Chancen (64,4%) auf den 1. Platz, der in dieser Saison nicht wie sonst den direkten Aufstieg in die 2. BL, sondern nur die Teilnahme an Stichkämpfen um den Aufstieg gegen die anderen Oberligaersten ermöglichen wird. Der FC St. Pauli kommt dem Orakel zufolge jetzt immerhin auf 13,1% Chance für Platz 1.
    • Turm + Läufer gegen Turm bei der Europameisterschaft in Petrovac

      Roger Lorenz vom Schachclub Bonn-Beuel hat an der Europameisterschaft in Petrovac (Montenegro, 8.-19. November 2024) teilgenommen. Dort hatte er in einer seiner Partien das Endspiel Turm + Läufer gegen Turm auf dem Brett. Sein jugendlicher moldawischer Gegner Igor Volcov verteidigte sich 48 Züge lang perfekt und machte dann im 49. Zug (!) den entscheidenden Fehler, der ihn doch noch die Partie kostete.

      Nach dem Turnier hat Lorenz recherchiert und festgestellt, daß dieses Endspiel in Petrovac 6 mal auf dem Brett war. Dreimal siegte die stärkere Partei, und dreimal konnte die schwächere Partei sich halten. In seinem Artikel Das trickreiche Endspiel Turm/Läufer gegen Turm zeigt er seine Partie und außerdem die folgende Partie:

      GM Vladimir Fedoseev (2712) - GM Evgenios Ioannidis (2497)
      Stellung nach dem 90. Zug von Schwarz




      Die weiße Gewinnführung ist instruktiv, und man sollte sie sich einprägen. Die Lösung findet ihr in dem obigen Artikel.

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    • Turm + Läufer gegen Turm: die wundersame Rettung für Alexander Donchenko

      Ein kurioses Partieende ergab sich soeben bei der Schnellschachweltmeisterschaft in New York. Hikaru Nakamura erreichte gegen Alexander Donchenko die Philidorstellung und stand einen Zug vor der Mattsetzung, aber: Donchenko, der natürlich nicht wußte, wieviel Züge gespielt waren, reklamierte die 50 Züge (einen Zug vor dem Matt ist das im Schnellschach immer eine gute Idee), und der Schiedsrichter bestätigte daß der nächste Zug von Donchenko sein 50. Zug gewesen wäre und die Partie damit Remis ist.

      Nakamura, Hikaru (2755) - Donchenko, Alexander (2578)
      FIDE World Rapid Chess Championship, New York, 3. Runde, 26.12.2024
      Stellung nach dem 77. Zug von Schwarz